Pfarrerin: Modell Volkskirche hat ausgedient

Die Gottesdienste von Pfarrerin Juliane Fischer sind überdurchschnittlich gut besucht. Die Theologin predigt lebensnah und bietet moderne Gottesdienste an. Warum aus ihrer Sicht die Volkskirche ausgedient hat, erzählt sie in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.
Von Johannes Blöcher-Weil
Menschen stehen vor einem Gottesdienst Schlange (Symbolbild). Wie Kirche attraktiv für ihre Gläubigen werden kann, darüber spricht Pfarrerin Juliane Fischer mit einer Regionalausgabe der Süddeutschen Zeitung.

Juliane Fischer möchte Kirche innovativ und lebensnah gestalten. Die Pfarrerin ist seit vier Jahren im oberbayerischen Hallbergmoos tätig. Sie wuchs in der DDR in einem atheistischen Umfeld auf. Mit 15 Jahren entschloss sie sich, Christin zu werden und bekam eine völlig neue Lebensperspektive. Sie trat in die Kirche ein, sang in einer Band und studierte Theologie. Über positive und negative Erfahrungen mit der Kirche spricht sie mit der Süddeutschen Zeitung.

Heute ist die promovierte Theologin Pfarrerin in Hallbergmoos. Seit 2010 ist der Ort Modellgemeinde der Landeskirche für modernen Gemeindeaufbau. Sie bietet eine Mischung aus klassischen und modernen Angeboten: dazu gehören Kinderkirche, Lobpreis-Band und Seniorenkreis, aber auch ein großes Musical. Fischer hält die Fäden in der Hand und verrät, wie aus ihrer Sicht ein lebendiges Gemeindeleben möglich ist.

„Geschichte mit Gott ist wahr“

In der Kirche stieß sie zunächst auf Menschen, die etwas anderes ausstrahlten, als fröhlichen Glauben. „Ich kam in die Kirche und es war total konservativ, kalt, keiner hat mich angesprochen.“

Dann gab es in ihrer damaligen Gemeinde einen Pfarrer-Wechsel. Mit dem neuen Theologen führte Fischer gute Glaubensgespräche. Er gewann sie für „Gott und die Kirche“. An der Sache mit Gott zweifelte sie nie. Trotzdem stellte sie sich die Frage, warum Gott manches zulasse. Sie war sich unsicher, ob sie als Gemeindepfarrerin etwas „wuppen“ kann. „Aber ich erlebe jetzt, dass man zwar nicht die ganze Welt retten kann, aber man kann im Kleinen was verändern.“

Möglichst wenig Hürden

Vor Ort bietet sie unterschiedliche Gottesdienstformate an. In einigen davon benutze sie bewusst wenig liturgische Elemente, „weil die oft eine Hürdenfunktion“ haben. „Die kennt keiner mehr, die versteht keiner.“ Fischer möchte möglichst wenig Menschen von vornherein ausschließen. Lebensnahe Predigten sollen Antworten auf die Lebensfragen der Menschen geben. Die Themen der Predigten lieferten ihr oft die Menschen selbst oder Seelsorge-Gespräche.

Außerdem hält die Pfarrerin Kommunikationsplattformen in der Gemeinde für sehr wichtig. „Bei uns ist nach dem Gottesdienst nicht Schluss“, erklärt sie. Gespräche im Anschluss würden „total gerne angenommen“. Zudem sei der Pfarrer im Gottesdienst nie Alleinunterhalter. Es gehe um eine „Kirche zum Mitmachen“. Durch die verschiedenen Gottesdienstformen verliere die Gemeinde auch keine Mitglieder.

Fischer vermutet in dem Gespräch trotzdem, dass das Modell der Volkskirche ausgedient hat. „Da muss mehr Freiheit eingebaut werden. Die Kirche muss flexibler werden und kann das auch.“ Sie glaubt, dass die Zahl der Menschen, „die aus Überzeugung dabei sind, mehr werden – egal ob sie Kirchenmitglieder sind. Sie werden viel mehr bereit sein, sich in der Kirche einzubringen und sie mitzugestalten, auch wenn wir auf dem Papier dann weniger Mitglieder haben. Da muss man sich eben andere Finanzierungskonzepte überlegen als allein die Kirchensteuer“.

Ihre Gemeinde finanziert einen Teil der Pfarrstelle selbst. Auch am Kirchenneubau haben sich viele Mitglieder finanziell beteiligt. Im vergangenen Jahr hatte die Gemeinde den elfminütigen Imagefilm „Unendlich“ produziert, der dazu einladen sollte, „das eigene Bild von Kirche und Glaube neu zu überdenken“. In ihrer Gemeinde möchte Fischer eine Stimmung schaffen, in der sich die Menschen wohlfühlen, und die mit klarer Botschaft Lust auf Glauben und Gemeinschaft weckt.

Von: Johannes Weil

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