Pazifismus oder Waffen? Theologen streiten in der Zeit

Ist es möglich, die Ukraine ohne den Einsatz von Waffen zu befrieden? Die pazifistische Theologin Margot Käßmann und der Militärbischof a. D. Sigurd Rink sind im Zeit-Interview unterschiedlicher Ansicht. Für Käßmann führt der Weg nur über Friedensverhandlungen.
Von Johannes Blöcher-Weil
Margot Käßmann und Sigurd Rink

Die evangelische Theologin Margot Käßmann lehnt die Lieferung von Waffen in die Ukraine vehement ab. Der Konflikt könne nur durch Friedensverhandlungen gelöst werden. Für diese Aussage werde sie zwar häufig als „dumm und naiv“ beschimpft. Trotzdem glaube sie, dass es der richtiger Weg sei. Sie sehne sich nach einem „Frieden ohne militärische Abschreckung“. Denn auch nach einem Krieg müsse es wieder nötig sein, mit Russland im Frieden zu leben.

Dies hat die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im gemeinsamen Interview mit dem früheren Militärbischof Sigurd Rink in der Wochenzeitung Die Zeit betont. Dieser sieht klare Grenzen des Pazifismus: „Ich glaube nicht, dass die Ukraine allein die Kraft hat, die Russen im Osten des Landes zurückzudrängen. Daraus kann ein jahrelanger Krieg mit hohen Verlusten entstehen.“ Bundeswehr-Einsätze hätten in der jüngeren Vergangenheit immer dazu gedient, mehr Gewalt zu verhindern.

Rink wirft den Kirchen vor, dass sie bei der „Prävention des Krieges viel versäumt“ hätten. Er befürwortet Waffenlieferungen in die Ukraine. Es handele sich um einen Verteidigungskrieg, der ethisch legitim sei, aber trotzdem ein „blutiger Notbehelf“ bleibe. Die Bergpredigt rufe dazu auf, die andere Wange hinzuhalten und Unrecht zu leiden: „Gleichzeitig muss ich die schützen, die mir anvertraut sind.“ In der Ukraine gehe es darum, ein bedrängten Volkes zu unterstützen: „Dem sollten die Kirchen nicht im Weg stehen.“

Ostern passt zur politischen Lage

Für ihn passe das Osterfest selten so gut zur politischen Lage wie jetzt. Jesus habe am Abgrund des Schmerzes gestanden. Seine Auferstehung sei der Umschwung, der selbst in „der düstersten Zeit Hoffnung auf Licht“ gebe. Käßmann betont, dass für ihre Einstellung zum Thema die Haltung Jesu maßgeblich sei. Jesus rufe dazu auf, Frieden zu stiften und für die Verfolgten zu beten. Dieser entscheide sich für das Kreuz und für absoluten Gewaltverzicht.

„Sehr mutig“ findet die frühere EKD-Ratsvorsitzende die Initiative von 260 Geistlichen, die Amtsenthebung des Patriarchen Kyrill zu fordern. Der Metropolit Onufrij in Kiew habe gegenüber seinem Vorgesetzten Kyrill von einem „Brudermord“ gesprochen.

Die 63-jährige Margot Käßmann war die erste Frau an der Spitze der Evangelischen Kirche. Der 61-jährige Sigurd Rink war der erste hauptamtliche Militärbischof der evangelischen Kirche in Deutschland seit 1945. Er arbeitet jetzt für die Diakonie Katastrophenhilfe.

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5 Antworten

  1. Frau Käßmann versteht offenbar den Unterschied nicht zwischen der persönlichen Lebensführung eines Jesus-Nachfolgers und einer Obrigkeit die das Schwert führen muss !
    Die Bergpredigt ist keine Blaupause für Regierungen .
    Für Frieden sind wir allemal, so warten wir geduldig und proaktiv auf sein Friedensreich !

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  2. Keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, ohne wenn und aber, Punkt! Und NVA-Panzer schon gar nicht. Aber an Waffen lässt sich ja so gut verdienen.
    Denkt doch mal nach! Ich kann Frau Kässmann nur zustimmen. Natürlich Hilfe für Flüchtlinge, aber Neutralität, die das Beste ist!
    Die Schweiz hat nie einen Krieg gehabt.

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  3. Jesus sagt nicht unbegründet: „Wenn dich einer auf Deine rechte Wange schlägt“. Das vermag aber mein Gegenüber nur mit dem Handrücken, also im Effekt, weil ihm z.B. die Nerven durchgegangen sind. Wenn Jesus fordert;“ Dann halte ihm auch die andere (linke) Wange hin (die mein Gegenüber kräftig und effektiv treffen kann – als Rechtshänder)“, so soll das ihm die Gelegenheit geben, über seine Effekthandlung nachzudenken und zu entscheiden, ob er sich entschuldigen oder wirklich Gewalt anwenden will. Russland hat sich für Gewalt entschieden.

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  4. Mit wem möchte Frau Käsmann die Verhandlungen führen? Wie will Sie Putin von seinen Großmannsträumen kurieren? Guter Wille ist in dem Falle nicht genug.

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  5. Mehr Waffen führen zu einem längeren und blutigen Krieg. Gashahn zu und Menschen versorgen. Eine geflüchtete Ukrainerin hat mir gesagt sie kommen nach Deutschland, weil hier soziale/humanitäre Hilfe im Vordergrund steht und nicht die Hilfe durch Waffen. Sie sagt, Die Welt ist ihr zu Hause, es gehe ihr nicht darum, in ihrer „heimat“ zu leben, sondern in Frieden. Deutschland qualifiziert sich durch fürsorglichkeit in diesem Krieg. Ich lehne die Lieferung von (schweren) Waffen klar ab.

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