Meinung

Öfter mal aus der Pandemie herauszoomen

Mit ihrer Corona-Berichterstattung geben Medien Orientierung in der Krise. Das Vertrauen ist gestiegen. Doch für die Orientierung ist auch der Blick auf andere Themen wichtig.
Von Jonathan Steinert
Fernseher

56 Prozent der Deutschen halten die Medien für eine vertrauenswürdige Quelle, wenn es „um wirklich wichtige Dinge geht – etwa Umweltprobleme, Gesundheitsgefahren, politische Skandale“. Seit 2015 untersuchen Forscher der Universität Mainz, wie sich das Vertrauen der Deutschen in die Medien entwickelt. Die Ergebnisse der jüngsten, siebten Befragungswelle von über 1.200 Personen im November und Dezember 2020, die kürzlich in der Zeitschrift Media Perspektiven erschienen sind, zeigen: Das Vertrauen in Medien ist gestiegen, im Rahmen der Langzeitstudie sogar auf einen Höchststand. In den Jahren davor hielten nur zwischen 41 und 44 Prozent der Befragten die Medien für vertrauenswürdig. Auch der Anteil derer, die den Medien systematische Lüge oder Manipulation vorwerfen, ist so gering wie nie. Nach wie vor schenken die Menschen den öffentlich-rechtlichen Sendern das meiste Vertrauen. Dieser Wert schwankte bisher zwischen 65 und 72 Prozent und liegt nun bei 70.

Die Mehrheit – 63 Prozent – ist insgesamt auch mit der Berichterstattung über die Corona-Krise zufrieden. Gleichzeitig offenbart die Studie, dass sich nur sehr wenige Menschen Verschwörungsmythen zu eigen machen und für wahr halten. Dass etwa Bill Gates den Menschen durch Corona-Schutzimpfungen Mikrochips implantieren wolle, um sie zu kontrollieren, glauben demnach nur drei Prozent.

„In demokratischen Mediensystemen erfüllen Medien in Krisenzeiten eine besondere Orientierungsfunktion. In Zeiten großer Unsicherheit stellen die etablierten Medien eine wichtige Größe dar, denen sich die Menschen (wieder) verstärkt zuwenden“, schreiben die Mainzer Forscher. Sie weisen aber auch darauf hin, dass die Ergebnisse eine Momentaufnahme vom Ende des vorigen Jahres sind. Mittlerweile seien die Menschen mit der Politik unzufriedener, das könnte sich auch auf die Medien übertragen. Gesicherte Daten gibt es dazu noch nicht. Andere Studien zeigten jedoch, dass das Vertrauen in Medien und Politik im vorigen Jahr stärkeren Schwankungen unterlag als das in andere Institutionen.

Auch aus einem weiteren Grund sind die an sich erfreulichen Zahlen kein Grund für die Redaktionen, sich zufrieden zurückzulehnen. Denn gerade mit Blick auf Corona offenbart die Umfrage auch einige ernstzunehmende Defizite. Gut ein Viertel der Befragten vermisst wichtige Informationen. Ähnlich viele halten die Corona-Berichterstattung für übertrieben. 31 Prozent finden, dass Medien zu einseitig, 40 Prozent, dass sie zu viel darüber berichten. Die Kritiker sind zwar nicht in der Mehrheit, aber ihr Anteil ist nicht zu unterschätzen.

Vogelperspektive hilft bei der Orientierung

Die Orientierungsfunktion des Journalismus liegt zwar einerseits darin, zu einem bestimmten Thema Kenntnisse zu vermitteln, damit sich das Publikum eine informierte Meinung darüber bilden und alltagspraktisch damit umgehen kann. Aber eben auch darin, den Zuschauern einen Überblick über die Fülle und Vielfalt an täglichen Ereignissen zu verschaffen. Im Bilde gesprochen: Ein Wanderer kann sich besser orientieren, wenn er seinen Weg auf der Karte in die Relation setzen kann zu anderen Routen, zu markanten Stellen und Höhenunterschieden. Ein hochaufgelöster Maßstab mag in einer konkreten Situation helfen, aber um ans Ziel zu gelangen, braucht es auch die Vogelperspektive.

Zum Beispiel: Acht von bisher zehn „Anne Will“-Sendungen in diesem Jahr drehten sich um Corona. Bei Maybrit Illner und Sandra Maischberger sieht die Quote ähnlich aus. Auf tageschau.de vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die ersten rund zehn Meldungen auf irgendeine Weise Corona thematisieren. Im Sinne ihrer Funktion, Orientierung zu geben, sollten Medien den Maßstab ihrer Themen-Landkarte regelmäßig überprüfen und vielleicht einmal öfter aus der Pandemie herauszoomen, damit auch andere Themen wieder mehr Raum bekommen.

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Eine Antwort

  1. Statt sachlicher Berichterstattung, die einem Orientierung geben könnte, erleben wir seit über einem Jahr in der „Berichterstattung“ nichts als Panikmache, so wie es im Strategiepapier des Innenministeriums vorgegeben wurde. Dort stand zulesen, dass eine Schockwirkung in der Bevölkerung erwünscht sei.
    Es gibt durchaus auch Experten und Wissenschaftler, die Corona als nicht gefährlicher als eine Grippewelle einstufen, aber diese wurden schon lange aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt und als „Verharmloser“ oder „Leugner“ gebrandmarkt. Mitlerweile ist die Zensur soweit fortgeschritten, dass Videos, die eine andere Sicht auf Corona vermitteln, innerhalb von Minuten auf youtube gelöscht werden.

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