Meinung

Mord hinter Klostermauern – und die Madonna weint Blut

Das Tatort-Ermittler-Duo Ivo Batic und Franz Leitmayr muss für seine Ermittlungen ein paar Tage in einem Kloster verbringen. Hier stoßen sie zwar auf die eine oder andere nette, aufgeschlossene Nonne, das Leben der Kontemplation und „inneren Einkehr“ bleibt ihnen aber suspekt.
Von Jörn Schumacher
Tatort: Wunder gibt es immer wieder

Im Tatort „Wunder gibt es immer wieder“ (BR), der am 19. Dezember 2021 im Ersten ausgestrahlt wird, verschlägt es die Münchner Mordermittler Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) in das Kloster Dannerberg im Voralpenland. In dem (fiktiven) Ordenshaus hatte der Tote zuletzt als Wirtschaftsprüfer zu tun. Auf dem Weg nach Hause verstarb er noch im Zug – offenbar vergiftet. Das gottesfürchtige Leben im Kloster scheint nur auf den ersten Blick beschaulich. Schnell verdichten sich die Hinweise, dass der Hausmeister des Klosters in die Tat verwickelt ist.

In einem karg eingerichteten Zimmer wohnen, schweigend das Essen einnehmen, eher unnahbaren Nonnen Informationen entlocken – das alles macht den Ermittlern Batic und Leitmayr nicht wirklich Spaß. Hinzu kommen noch zwei geheimnisvolle Herren ganz in Schwarz, die für den Vatikan im Kloster ermitteln, aber insgesamt schweigsam bleiben. Besonders nachts kleidet die Regisseurin Maris Pfeiffer („Schuld“ nach Ferdinand von Schirach, „Tatort: Tod und Spiele“) das Kloster in unheimliches Licht, Musik wie aus einem Horrorfilm soll das Unbehagen unterstreichen, das sich in den Klostermauern bei den Gästen von der Kriminalpolizei breit macht. Hinzu kommt das undurchdringliche Dickicht aus Rätseln, etwa warum der Wirtschaftsprüfer in dem Kloster offenbar vergiftet wurde, und von wem. Eher frotzeln die beiden Münchener über die gleich gekleideten Ordensschwestern und ihre strengen Regeln. (Leitmayr: „Schwester Angela, welche war das nochmal?“ Batic: „Die Große mit der Brille.“ Leitmayr: „Du kannst die auseinanderhalten?“)

Der Glaube spielt hier zwar nur eine Nebenrolle, doch immer wieder werden Batic und Leitmayr – sehr zu ihrem Leidwesen – mit Glaubensfragen konfrontiert. Sie selbst haben mit dem Glauben eher nichts am Hut. Mit dem Klosterleben können sie nichts anfangen. (Leitmayr: „Sie verzichten auf eine Menge ohne das Leben da draußen.“ Schwester Jakoba: „Auf Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll?“ Leitmayr: „Ja.“ Jakoba: „Sie denken, mehr gibt es nicht im Leben?“ Leitmayr: „Doch, aber das gibt es eben auch.“ Jakoba: „Glauben Sie an Gott?“ Leitmayr: „Nein. Sie?“ Jakoba: „Sind Sie glücklich?“ Leitmayr schweigt.) Der Kräuterschnaps hingegen sagt den beiden Kommissaren eher zu. Die Nonnen verkaufen Kräuter und Heilsalben, mittlerweile auch über einen Internet-Shop.

Überhaupt steckt hinter den Klostermauern offenbar auch der starke Wille, ein Geldproblem zu bekämpfen. Ist das auch der Grund für die auf einmal Blut weinende Holz-Madonna? Das wäre ein Wunder und damit eine mögliche Einnahmequelle.

Glaubensfragen im Kräutergarten

Als Drehort diente ein inzwischen verlassenes Kloster im Landkreis Rosenheim, teilte die ARD mit. Vor zwei Jahren gaben die Ordensleute das Karmeliter-Kloster Reisach auf. Regisseurin Pfeiffer besuchte nach eigener Aussage vor dem Dreh ein echtes Kloster. Und sie musste ihre Vorstellung vom Klosterleben revidieren, wie sie der Presse mitteilte. Sie habe zurückgezogene Frauen erwartet und sei auf „weltoffene, reflektierte und total im Leben stehende Frauen“ getroffen, sagte Pfeiffer. „Ihre Arbeit, mit der sie viel zum Gemeinwesen beitragen, verleiht ihnen eine wichtige Funktion innerhalb unserer Gesellschaft – obwohl das inzwischen nur noch bei genauem Hinsehen wahrgenommen wird.“

Sie habe in ihrem Kloster-Tatort daher absichtlich Nonnen nicht als „entrückte Wesen“ darstellen wollen, sondern als „ganz unterschiedliche Frauenfiguren, die, wie wir alle, Sehnsüchte, Phantasien und Ängste haben, die ihr Handeln bestimmen“, erklärte Pfeiffer. Die Regisseurin habe auf einmal „viel Schönes“ im Klosterleben entdecken können: „Viele der Gebete werden gesungen. Was für ein Privileg, wenn man anderthalb bis drei Stunden täglich singen darf“, sagte die Regisseurin.

Bei ihrer Suche nach dem Mörder oder der Mörderin kommen Batic und Leitmayr auch immer wieder auf Glaubensfragen zu sprechen. Im Gespräch mit der jungen Novizin Antonia hakt Leitmayr, der sich als ungläubig bezeichnet, nach: „Das habe ich nie begriffen, dass alle Menschen Sünder sein sollen, dass man schon sündig auf die Welt kommt. Augustinus – Erbsünde. Ich war mal Ministrant.“ Die Novizin antwortet: „Der Erlöser hat am Kreuz für uns gelitten. Und wenn wir an ihn glauben, dann nimmt er all unsere Schuld auf sich.“ Der Kommissar erwidert: „Für mich ist es nichts Schlechtes, ein Mensch zu sein.“

Am Ende sind es dann doch ganz menschliche Motive, die hinter dem Mord am Wirtschaftsprüfer standen. Und die Oberin (Corinna Harfouch) gibt zu: „Auch die Kirche ist nicht frei von wirtschaftlichen Interessen.“ Ein Tatort, der sich zwar Mühe gibt, dem geistlichen Leben hinter Klostermauern auch etwas Positives abzuringen, aber am Ende doch eher ein Schreckensbild von verklemmten Nonnen zeichnet, die eigentlich eher aus Eigennutz handeln denn für das Gemeinwohl.

„Tatort: Wunder gibt es immer wieder“, Bayerischer Rundfunk, am 19. Dezember 2021, 20:15 Uhr in der ARD sowie in der Mediathek

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