Geiseldrama im Pfarrhaus

Das Geiseldrama „Tödliche Gier“, das am Mittwochabend im ZDF läuft, zeigt eine Pfarrersfamilie, die gezwungen wird, zu beweisen, ob sie zur Nächstenliebe wirklich auch dann in der Lage ist, wenn es drauf ankommt. Der Pfarrer Manfred Bahnert (gespielt von „Tatort“-Darsteller Harald Krassnitzer) und seine Familie werden von Kriminellen als Geiseln genommen. Eine Rezension von Jörn Schumacher
Von Jörn Schumacher
„Tatort“-Darsteller Harald Krassnitzer spielt im ZDF-Drama „Tödliche Gier“ einen evangelischen Pastor, der sich gegen Geiselnehmer zur Wehr setzen muss. Ab besten ohne Gewalt.

Erst seit zwei Monaten tut Manfred Bahnert seinen Dienst in der kleinen Gemeinde in Nordwestmecklenburg. Seine Frau Claudia hat die Apotheke des Dorfes übernommen, aber viel hat sie in der ausgestorbenen Gegend nicht zu tun. Das Ehepaar hat zwei Kinder im Teenager-Alter, einen Sohn und eine Tochter. Die Kirchengemeinde ist noch lange nicht warm geworden mit der neuen Familie. Und dann kommt auch noch eine Katastrophe auf die Familie zu: Drei entlaufene Häftlinge nehmen die Familienmitglieder als Geisel.

In den Hauptrollen sind Harald Krassnitzer und Ann-Kathrin Kramer zu sehen. Krassnitzer, der vor allem bekannt als „Bergdoktor“ und als Kommissar im Wiener „Tatort“ bekannt ist, und Kramer sind auch im echten Leben ein Paar, seit 1999 sind sie miteinander liiert, 2009 haben sie geheiratet.

Der Spielfilm beginnt in der Kirche, Pastor Bahnert hält eine Predigt vor spärlich gefüllten Kirchenbänken. Angesichts der allgemeinen Grausamkeit in der Welt stellt Bahnert der Gemeinde die Frage: „Wie können wir nicht an Gott glauben in einer Zeit, wo wir ihn so dringend brauchen? Wie können wir auf den Trost des Glaubens verzichten?“ Er fragt weiter: „Was ist unser Glaube wert, wenn er versagt, wenn es schwer ist und kalt? Was bedeutet Nächstenliebe, wenn wir sie nur geben können, wenn wir ohne Angst sind?“ Kaum ahnend, dass genau diese Fragen in wenigen Stunden ihn selbst und seine Familie existenziell beschäftigen werden, predigt er – theologisch nicht ganz sauber: „Nächstenliebe ist der Schlüssel unseres Glaubens. Sie ist das, was uns Christen ausmacht.“

„Sie haben sich für ein Leben ohne Glauben entschieden“

Während man diese Worte hört, sieht man, was zur gleichen Zeit in einer Justizvollzugsanstalt in der Nähe passiert: Vier Männer nehmen Angestellte der JVA als Geisel, schlagen sie zusammen und pressen sich den Weg nach draußen frei. Sie kommen zur Kirche Bahnerts und nehmen den Pastor und seine Familie gefangen. Sie sollen den Kidnappern helfen, in der Kirche vor langer Zeit versteckte Diamanten zu finden, mit der die Kriminellen flüchten wollen.

Einer der Gangster provoziert den Pastor besonders wegen dessen Glaubens. „Deine Religion ist scheiße“, schleudert er dem Pastor ins Gesicht, sowie: „Wo ist dein Gott? Warum ist er nicht hier und hilft dir?“ Zu einem theologischen Disput kommt es nicht weiter, der Pastor stellt aber fest: „Ich verstehe, Sie haben sich für ein Leben ohne Glauben entschieden.“

Der vom ZDF als „Psychothriller“ deklarierte Film kann filmisch nicht mit einem Hollywood-Blockbuster mithalten, die Charaktere gehen nicht sehr über übliche Klischees hinaus; dennoch ist die Frage interessant, was ein Pastor, oder auch nur ein ganz normaler Christ wohl im echten Leben tut, wenn er mit Gewalt zu etwas gezwungen wird. Hält sein Glaube, sein Ideal der Nächstenliebe, oder brechen aus ihm auch Gewalt und Hass heraus, wehrt er sich mit Gewalt gegen Gangster, die ihn mit einer Waffe bedrohen?

Pastor Bahnert findet eine Zwischenlösung. Allerdings sind in diesem Film die theologischen Vorzeichen eben nicht ganz richtig: Christ ist man vielleicht nicht deswegen, weil man die Nächstenliebe befürwortet; die kann man auch befürworten, ohne Christ zu sein. Zum Christsein gehört auch, dass man an einen lebendigen Gott glaubt, der nicht nur hilft, wann und wie er es für richtig hält, sondern auch gerecht und gütig zugleich ist.

Die etwas naive Dorfbevölkerung ahnt bei alledem, was in der Kirche passiert, rein gar nichts, obwohl sie eigentlich mit zahlreichen Hinweisen auf die Geiselnahme im Pfarrhaus bedacht wird. Am Ende versöhnen sich die grummeligen Gemeindemitglieder auf einmal sogar mit dem neuen Pastor, der ein bisschen zum Held wurde. Besonderen Tiefgang darf man bei „Tödliche Gier“ nicht erwarten, die Mischung aus „Neues aus Büttenwarder“ und „Tatort“ tut niemandem weh. Ein bisschen schade ist es dann aber schon, dass ein Pastor hier reduziert wird auf den Vertreter einer pazifistischen Philosophie, die sich im Augenblick der Bedrohung beweisen muss.

„Tödliche Gier“, 24. Februar 2021, 20.15 Uhr im ZDF, 87 Minuten, in der ZDFmediathek schon ab Dienstag, 23. Februar, 10 Uhr

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