Meinung

Mit Gott im Boot

Ein Schiffsunglück und ein Überlebender, der behauptet Gott zu sein: Mitch Alboms neuer Roman befasst sich mit den großen Glaubensfragen und ist gleichzeitig spannend geschrieben.
Von PRO
Meer, Gewitter, Sonnenuntergang, Boot

Zehn Schiffbrüchige befinden sich in einem Rettungsboot, nachdem sie eine Explosion auf einer Jacht überlebt haben. Sie entdecken einen Mann, der mitten im offenen Meer treibt. Er behauptet Gott zu sein. Dies ist knapp zusammengefasst die Handlung des neuen Romans von Mitch Albom. Der US-amerikanische Autor ist hierzulande nicht besonders bekannt, aber hat in seiner Heimat bereits zwei New-York-Times-Beststeller geschrieben.

Seine Bücher handeln oft vom Übernatürlichen und den großen Fragen des Lebens. So auch sein neuer Roman. Denn die Protagonisten des Romans sind zum Großteil Zweifelnde, die den Glauben verloren haben oder ihn nie hatten. Daher auch der passende alternative Titel des Romans: „Die Macht des Glaubens“.

Erzählt wird abwechselnd aus drei Perspektiven und auf unterschiedlichen Zeitebenen. Zuerst wird aus der Sicht eines der Überlebenden erzählt: Benji, ein Mitarbeiter auf der Jacht. Die anderen Überlebenden sind teilweise wie er Arbeiter, teilweise reiche und einflussreiche Gäste, die auf die Jacht von einem Milliardär eingeladen wurden. Benjis Erzählung wird dem Leser durch sein Tagebuch offenbart.

Die zweite Sichtweise wird dem Leser durch Nachrichten beschrieben. Die Reporter berichten sachlich und neutral und der Leser bekommt hier Einblick über die Hintergründe des Bootsunglücks. Die dritte Perspektive nimmt Inspektor LeFleur ein. Wochen später ist das Rettungsboot – scheinbar ohne Überlebende – an Strand gespült worden, lediglich das Tagebuch von Benji befindet sich darin. Der Inspektor ermittelt und versucht mithilfe des Tagebuchs herauszufinden, was passiert ist.

Herausfordernde Fragen an Gott

Die verschiedenen Perspektiven helfen dem Leser zunächst nicht herauszufinden, was wirklich passiert ist, sondern werfen mehr Fragen auf: Ist der Mann wirklich Gott? Wie kam es zu dem Unglück? Wer hat überlebt oder hat überhaupt jemand überlebt?

Der Fremde, der Gott sein soll, wirkt nicht so, wie sich die anderen Überlebenden Gott vorstellen. Er hat Hunger und Durst, wie sie alle und sieht auch nicht besonders eindrücklich aus. Die Überlebenden teilen sich in zwei Lager. Die einen glauben fest an ihn und finden Trost in seiner Anwesenheit. Die anderen sind wütend, zweifelnd. Warum hilft ihnen Gott nicht in ihrer Lage?

Der Fremde aus dem Meer, Cover, Mitch Albom

Mitch Albom: „Der Fremde aus dem Meer oder Die Macht des Glaubens“ (Original: The Stranger in the lifeboat), allegria, 320 Seiten, 19,99 Euro

Es ist ein Buch, in dem verschiedene Überlebende Gott begegnen und sich selbst und ihm herausfordernde Fragen stellen. Es geht im Roman um Glauben und darum, wie verschiedene Menschen, die unterschiedliche Schicksale erlitten haben, durch den Glauben Trost finden – oder sich gerade durch ihr Schicksal von ihm abgewandt haben.

Parallelen zu Jesus

Auch häufen sich biblischen Vergleiche. Der Mann, der vorgibt Gott zu sein, hat beispielsweise drei Tage im Wasser überlebt – genauso wie Jesus am dritten Tag auferstanden ist. Gott erscheint im Roman unauffällig, so wie Jesus unauffällig in einer Krippe zur Welt kam. Als ein Sturm auf dem Meer wütet, bleibt der Fremde ruhig inmitten des Sturms, so wie Jesus auch inmitten des Sturms ruhig blieb.

Das Kind vertraut ihm und der Fremde lässt den Sturm abebben. Das erinnert an Jesus, der inmitten des Sturms dem Wind und den Wellen befiehlt, sich zu legen, und daran, dass Jesus davon spricht, alle Menschen sollen wie Kinder glauben.

Die Überlebenden, die ihn anzweifeln, verhöhnen ihn genauso, wie auch Jesus damals am Kreuz verhöhnt wurde. Der „Herr“, wie Gott im Buch genannt wird, vollbringt auch Wunder. So lässt er es regnen, als die Überlebenden dringend Wasser benötigen. Das Buch spielt also mit einigen christlichen und biblischen Motiven. Um den Glauben Jesus geht es im Buch jedoch nicht ausdrücklich, sondern letztendlich um Glauben im Allgemeinen und wie Menschen dadurch Halt und Frieden finden können.

Die Kapitel sind kurz, aber inhaltsstark. Die Sprache ist leicht und zugänglich. Die Rahmenhandlung – das Bootsunglück und das Überleben im Rettungsboot – ist spannend geschrieben, während die großen Lebensfragen in der Handlung immer mitschwingen und angerissen werden.

Ein Buch, das Hoffnung macht

Der Autor möchte mit seinem Buch recht viel. Es findet sich daran Kritik an der Klassengesellschaft, aber auch Kritik am Menschen selbst, der sich mit Gott auf eine Ebene stellt. Auch dass der Mensch kaum noch Glauben an etwas Höheres hat, schwingt hier als Kritik mit.

An einer Stelle im Buch sagt der „Herr“: „Die Wissenschaft hat eure Existenz bis zu primitiven Lebensformen zurückverfolgt, dann weiter zu noch ursprünglicheren Formen. Doch nie wird sie in der Lage sein, die letzte Frage zu beantworten. […] Wo hat alles begonnen?“

Nicht immer gelingt es dem Autor allen Themen, die er ansprechen möchte, die Tiefe zu verleihen, die es verlangt hätte. Die Antwort auf die Frage, ob der Mann im Boot wirklich Gott ist, entpuppt sich am Ende als etwas enttäuschend. Das Buch ist dennoch zu empfehlen, denn die Handlung ist spannend und die angerissenen tiefgründigen Themen regen zum Nachdenken an.

Auch wenn das Buch nicht explizit vom christlichen Glauben handelt, so ist es gerade denen zu empfehlen, die sich gerne mit spirituellen Themen auseinandersetzen, vielleicht selbst oft zweifeln oder ganz am Anfang des Glaubens stehen. Oder auch für Menschen, die Trost suchen und ein Buch lesen möchten, das Hoffnung macht.

Von: Anne Heidler

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