Menschenrechtler kritisieren Willkür von Behörden gegenüber Konvertiten

Asylanträge zum Christentum konvertierter Iraner werden in Deutschland immer häufiger abgelehnt. Menschenrechtler üben deshalb Kritik am Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Verwaltungsgerichten.
Von Norbert Schäfer
Menschen hinter einem Zaun

Asylanträge von zum Christentum konvertierten Iranern haben nach Auffassung von Menschenrechtlern in Deutschland immer weniger Aussicht auf Erfolg. Die von Abschiebung betroffenen Menschen hätte hier keine Lobby. Im Iran würden christliche Konvertiten, Bahai und Sufi häufig festgenommen, verurteilt und drangsaliert. „Menschenrechtsverletzungen aus religiösen Gründen stehen in dem Land auf der Tagesordnung“, erklärt Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) am Donnerstag zur Situation christlicher Konvertiten aus dem Iran in Deutschland.

Pfarrer Gottfried Martens nannte bei der Online-Pressekonferenz der IGFM am Donnerstag das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) „eine politische Behörde“, der es nicht um den Einzelfall bei einem Asylantrag gehe. Das BAMF gebe „Weisungen von oben weiter, dass nämlich christliche Konvertiten erst einmal regelhaft abgelehnt werden sollen“. Dies geschehe oftmals in einer geradezu zynischen Weise, sagte Martens und zitierte aus einem BAMF-Protokoll.

Darin laute es: „Sie sagen, dass Sie an ein ewiges Leben glauben. Dann sollte es für Sie kein Problem sein, wenn Sie in den Iran zurückgehen werden und tatsächlich zur Todesstrafe verurteilt werden, denn so werden sie ein ewiges Leben bekommen, was sie auch bestreben.“ Der Antrag auf Asyl in dem genannten Fall sei abgelehnt worden. Die Anerkennungsquote von Asylanträgen christlicher Konvertiten ist nach Martens Angaben von nahezu 100 Prozent vor einigen Jahren auf nun „nahe an den einstelligen Bereich“ gesunken.

Martens ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz. Zu seiner Gemeinde gehören eigenen Angaben zufolge insgesamt etwa 1.200 Konvertiten aus dem Iran und aus Afghanistan. Der Geistliche hat viele Asylsuchende bei ihren Anträgen und Verfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und vor Verwaltungsgerichten begleitet.

Kirchen sollen sich für Konvertiten einsetzen

Die Aufgabe von IGFM bestehe darin, Schicksale von Abschiebung bedrohter Konvertiten öffentlich zu machen und damit Politik und Behörden „zu einer Verhaltensverbesserung zu bewegen“. Es sei noch zu wenig bekannt, dass der Iran ein Terrorstaat sei und daher konvertierte Christen in dem Land um ihr eigenes Leben und dem ihrer Angehörigen fürchten müssten. Bei Politikern sei eine „gewisse Beliebigkeit“ und „Schulterzucken“ festzustellen, wenn Christen von aus dem Iran von Abschiebung wegen ihres Glaubens betroffen seien.

Lessenthin appelliert auch an die Kirchen, klar für die Belange ihrer Glaubensgeschwister einzutreten. „Ich wünsche mir von den Kirchen – gerade von den großen Kirchen in Deutschland – dass sie ihre Stimme lauter erheben, wenn es um das Schicksal von Schwestern und Brüdern geht, denen ihr Glaubenswechsel, ihre christliche Erweckung, abgesprochen wird.“ Platte Urteile verdienten zudem den aktiven Widerspruch von „Leitungspersonen“ der Kirchen. „Hier müsste sich die Kirchenführung deutlicher positionieren“, forderte Lessenthin.

Wie Martens bei der Pressekonferenz sagte, bleibe den Asylsuchenden nichts anderes übrig, als vor die Verwaltungsgerichte zu ziehen. Die Prozesse, die er dort erlebe, seien oft „ein reines Glücksspiel“. Er frage sich, wie das mit dem Rechtsstaat zu vereinbaren sei. Ein entscheidende Faktor für die Aussicht auf Erfolg für die Asylsuchenden vor einem Verwaltungsgericht, sei der Wohnort. „Man weiß von vornherein: In diesem Verwaltungsgericht hat man eine gewisse Chance. In jedem Verwaltungsgericht hat man überhaupt keine Chance“, erklärte Martens.

Seiner Einschätzung nach geht es bei den Verhandlungen „weniger um die Ernsthaftigkeit der Konversion“, sondern viel mehr um die „persönliche Einstellung des Richters“ zum Thema. „In vielen Fällen ist es so, dass diese Verwaltungsrichter sich in einer Art und Weise anmaßen, Experten in Fragen des Glaubens zu sein, dass man einfach nur noch fassungslos ist“, sagte der Pfarrer. Richter würden mitunter offen sagen, dass sie über die Ernsthaftigkeit einer Konversion besser Bescheid wüssten, als ein Pfarrer.

Was vor den Verwaltungsgerichten abgefragt oder untersucht werde, nannte Martens „willkürlich“. Martens kritisierte, dass de facto Gerichte und Behörden entschieden, was für den Glauben eines Christen richtig und wichtig sei. Wegen der Ablehnung von Asylanträgen und der drohenden Abschiebung würden viele Asylsuchende keinen Ausweg mehr sehen und sich daher mit Suizidgedanken tragen.

„Es geht um Menschenleben“

Pfarrer Martens berichtete von einer Gerichtsverhandlung, bei der der Betreffende „noch nicht einmal die Gelegenheit bekam, zu erklären, warum er eigentlich Christ geworden ist“. Seiner Einschätzung nach hätten in verschiedenen Fällen Richter ihr Urteil bereits vor der Gerichtsverhandlung getroffen. Es gebe aber auch Verwaltungsrichter, die sich ernsthaft bemühten und ganz wesentlich auf das Wort derer hörten, die die Konvertiten über Jahre hinweg begleitet und deren Glaubenspraxis miterlebt hätten.

„Wir nehmen Menschen den Glauben an unseren Rechtsstaat“, erklärte Sasan Harum-Mahdavi, Vorstandsmitglied des Vereins „Leben und Leben Lassen – zur Verwirklichung der Menschenrechte“ mit Sitz in München. Man müsse dafür sorgen, dass der Rechtsstaat wieder die Augen öffne: „Es geht hier um Menschenleben, um Schicksale“, sagte Harum-Mahdavi.

Der Menschenrechtler schilderte das Schicksal vieler zum Christentum konvertierter Iraner am Beispiel von Mohammad Reza. Der Iraner sei 2015 nach Deutschland gekommen und hier zum Christentum konvertiert. Der junge Mann habe sich in der Gemeinde und im Sport engagiert, eine Lehre zum Bademeister abgeschlossen. Weil er wegen eines Jobs nach Bayern gezogen war und bei einer Behörde auf Drängen hin seinen Paß abgegeben habe, habe der junge Mann schließlich seinen Aufenthaltstitel verloren.

Vor Gericht hätten sein Seelsorger oder der Gemeindevorsteher bestätigt, dass der Mann „wirklich ein christliches Leben geführt“ habe, dennoch habe der Richter dem keinen Glauben geschenkt. „Der Richter sieht sich in der Lage eher zu erkennen, ob er christlich lebt oder nicht wie seine Gemeinde. Das kann es ja gar nicht geben“, sagte Harum-Mahdavi. Die drohende Abschiebung habe dem jungen Mann alle Kraft geraubt.

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6 Antworten

  1. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.

    Viele Iraner haben tatsächlich damit ihren Asylstatus erschlichen. Manchmal kommen Lügen ans Licht. Damit ist natürlich den echten Konvertiten ein großer Schaden entstanden. Auch wenn viele Konvertiten sich später bekehrt haben.(Von denen habe ich das). Aber beim Asyl wird sowieso gelogen, dass sich die Balken biegen.
    Nicht mehr ganz so streng mit meinem Urteil bin ich, seitdem ich weiss, dass meine Großeltern, als sie aus der Verbannung nach Sibirien in ihre Heimat zurückkehrten, dies unter falschem Namen taten. Und meine Mutter äußerte mal die Vermutung, dass mein Vater in seinem Papier wohl jünger gemacht wurde als er tatsächlich war.

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  2. Konvertiten nicht zu schützen ist ein Verbrechen. Die Verfolgung von Christen sollte uns allen so bewusst sein, dass niemand diese ihren Peinigern ausliefern darf.
    https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/iran

    Unser Staat muss aber endlich weg von einem „blinden“ Formalismus bei Einreise/ Asyl/ Aufenthaltsstatus/ Abschiebung und sich endlich die Mühe machen, herauszufinden, wer da gekommen ist, aus welchen Motiven, mit welchen Zielen.
    Und alle Lügner, Sozialgeld-Erschleicher, Kriminelle und Gewalttäter sofort in Gewahrsam nehmen bis eine umgehende Abschiebung durchgesetzt ist.

    Ansonsten – Zustände wie in Frankfurt:
    >“Einem jungen Algerier macht die Prozedur sichtlich Spaß, er weiß, was der Computer sagen wird. Dass er schon einmal abgeschoben, nach seiner Rückkehr nach Frankfurt wegen Ladendiebstahls festgenommen wurde, die Ausländerbehörde seine abermalige Ausweisung betreibt und er sich eigentlich regelmäßig bei Gericht melden soll.
    Was er aber nicht macht.
    Alles vergleichsweise harmlos, kein Grund, ihn vorläufig festzunehmen, sagt Einsatzleiter Matthias Block-Löwer: Drogen wurden bei ihm nicht gefunden, und „die anderen Sachen laufen ja“.
    Als er seine Zettel zurückbekommt, verabschiedet sich der Algerier mit einem „Na dann, tschüs, bis zum nächsten Mal“.<

    https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/frankfurter-bahnhofsviertel-tschues-bis-zum-naechsten-mal-14471225.html

    https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/drogen-dealer-am-frankfurter-hauptbahnhof-werden-aggressiver-14509824.html

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  3. Es könnte schon formale Kriterien geben:

    — Ernsthafte Vorbereitung auf eine Taufe, zu bestätigen durch den jeweiligen Pfarrer, die Pastorin, etc.
    — Die Taufe selbst, zu bestätigen durch dieselbe Person
    — Engagement in einer Gemeinde, zu bestätigen durch Gremien dieser Gemeinde

    Diese Kriterien sind überprüfbar, und sie sollten dem Staat reichen. Bibelquiz ist Quatsch. Auswendiglernen können alle alles.

    Kurt Bunke (Cölber Arbeitskreis Flüchtlinge, Hessen)

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  4. Als Problem nehmen viele vielleicht die erschlichenen Aufenthaltstitel wahr.
    Nur entscheidet die Geheimpolizei nicht ob er ein echter oder falscher Konvertit ist. Ein Apostat (abgefallen Moslem) muss nach Mohammed getötet werden. Die fragen im Iran noch danach, ob er die Taufe ernst gemeint hat.
    Die christliche Gemeinden müssen halt genau prüfen, was der Migrant bezeugt, bevor die ihn taufen. – nur das ich bei manchen Pfarrern nicht weiß, ob sie das selber genau definieren können. Christlich aber ohne Christus!

    Dass ein Richter sich darüber ein Urteil erlaubt, ohne die Gemeinde und den Konvertiten zu hören, ist ein zusätzliches Problem. Hieß es nicht früher einmal, im Zweifel für den Angeklagten (In dubio pro reo)

    Daran sieht man den geistlich-moralischen Verfall. Nur eine Umkehr zu Gott (und zwar von jedem einzelnen) kann uns noch retten!
    Es geht bergab

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    1. Es ist ja toll, daß z.B. in PRO darüber ein Artikel steht.
      Doch wie viele Menschen erreicht PRO??
      Was ich schmerzlich vermissen sind eindeutige Stellungnahmen der beiden großen Amtskirchen.
      Doch weder von der Ratsvorsitzenden der EKD noch vom Vorsitzender der Deutschen
      Bischofskonferenz sind mir bewußte und eindeutige Stellungnahmen zu Ohren gekommen. Es entsteht der Eindruck, die Kirchen blenden sich hier, bei ihnen unangenehmen Themen, aus. Wo bleibt das klare Wort, für diese Menschen einzutreten? Es scheint einfacher zu sein im Mainstream mitzuschwimmen und ROT-GRÜNE IDEOLOGIE und deren Politik zu verbreiten. Merkt diese Kirche eigentlich nicht, wie überflüssig sie sich mittlerweile dadurch macht? Die Kirche ist für Verkündigung und Seelenheil da und kein verlängerter Arm von Weltlichkeit und Politik. Oder ist dies alles so gewollt?

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  5. @G.S. et al.
    Wenn ich ins NT schaue, finde ich dort neben dem Gebot der Gottesliebe auch das der Nächsten- und dieses überbietend das der Feindesliebe.
    Und wenn ich mir hier einschlägige Kommentare anschaue, kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass man immer das je Eigene in den Vordergrund rücken möchte, also eine Art Identitäts- oder Klientelpolitik in christlicher Sache. Psychologisch ist eine solche Haltung vollauf verständlich, ethisch aber ist sie defizient! Die Schutzwürdigkeit darf eben nicht von Identitätsmarkern bestimmt werden, sondern von der Bedrohungssituation, in der sich jemand befindet.
    Ja, das Thema Christenverfolgung und der Schutz von Konvertiten ist ein wichtiges und oft vernachlässigtes Thema, allerdings nicht von den Kirchen! Das ist schlicht unzutreffend, bietet aber eine wohlfeile Startrampe für die üblichen stereotypen Nonsense-Aussagen vom Mainstream und der rot-grünen Ideologie, der die Kirchen angeblich willfährig anhingen.

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