NDR fühlt Abtreibungsgegnern auf den Zahn

In einem NDR-Beitrag für den Jugendkanal Funk wollen zwei junge Journalistinnen herausfinden, wie Abtreibungsgegner und Lebensschützer ticken. Auch die christliche Beratungsstelle Pro Femina kommt darin vor. Sie fühlt sich bei der Recherche hintergangen und hat den Mailverlauf veröffentlicht. Eine Kritik von Jonathan Steinert
Von PRO
Die Ziele von Lebensschützern stehen denjenigen von Feministen und Frauenrechtlern entgegen

Abtreibungsgegner oder Lebensschützer sind Feministen und Frauenrechtlerinnen oft ein Dorn im Auge. Denn während die einen in Abtreibungsfragen auf das Selbstbestimmungsrecht der Frau pochen, wollen die anderen ungeborenes Leben schützen und retten. Die Spannung wird auch in einem Beitrag des NDR für das öffentlich-rechtliche Jugendangebot funk deutlich. „Abtreibungsgegner – So üben sie Druck auf Schwangere aus“ heißt es im Titel dieser Folge des Formats „strg_F“. Und damit wird schon die Stoßrichtung deutlich, wer hier tendenziell als die „Bösen“ angesehen wird.

Die zwei Autorinnen des Beitrag scheuen die Auseinandersetzung nicht und versuchen mit Abtreibungsgegnern ins Gespräch zu kommen, um ihre Ziele und Motivation zu erfahren. Das erweist sich nicht immer als einfach, da manche nur bedingt bereit sind, Auskunft zu geben. Sie suchen unter anderem Demonstranten auf, die mit Gebeten eine Mahnwache vor einer Beratungsstelle des Vereins Pro Familia abhalten. Der macht sich nach eigenen Angaben „für eigenverantwortliche Familienplanung und selbstbestimmte Sexualität“ stark. Eine Mitarbeiterin des Vereins kritisiert an der Bet-Aktion, diese mache den Frauen ein schlechtes Gewissen und werde sie nicht von einem Schwangerschaftsabbruch abhalten. Die Beter betonen, ein Embryo sei ab seiner Zeugung ein Mensch und habe Rechte und Würde. Die Politik solle mehr zu seinem Schutze tun.

Die Journalistinnen stoßen bei ihrer Recherche auch auf die Webseite babycaust.de, die ein radikaler Abtreibungsgegner betreibt. Mit drastischen Bildern zerstückelter Föten, Listen von Ärzten, die Abtreibungen vornehmen, und Holocaust-Vergleichen giftet er gegen Schwangerschaftsabbrüche und diejenigen, die sie durchführen. Für ihren Beitrag wollen die Autorinnen Kontakt mit dem Betreiber der Seite aufnehmen, aber er ist weder telefonisch, noch per E-Mail oder persönlich zu Hause erreichbar.

„Rechte von Kind und Frau nicht gegeneinander ausspielen“

Angelika Doose von „Jugend für das Leben“ erklärt einer der Journalistinnen ebenfalls ihre Überzeugung, dass menschliches Leben mit der Befruchtung beginne. Das Recht der Frauen und das der Kinder dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es gebe viele Hilfsangebote für Frauen, um einen Schwangerschaftsabbruch zu vermeiden.

Um herauszufinden, wie eine Beratung von dem Lebensschutz verpflichteten Organisationen aussieht, täuscht Kristina Weitkamp, eine der Journalistinnen, eine Beratungsanfrage bei Pro Femina vor. Dieser Verein bietet Hilfe bei Schwangerschaftskonflikten an. Die Antwort auf eine Online-Anfrage analysiert sie und stellt fest: Es wird nicht ausdrücklich von einer Abtreibung abgeraten, aber subtil, durch emotionale Formulierungen und rhetorische Fragen würden Zweifel hinsichtlich einer Abtreibung gesät und ein schlechtes Gewissen gemacht. Auf eine Presseanfrage habe der Verein nicht geantwortet, heißt es.

Was im Beitrag nicht vorkommt: Die fingierte Beratungsanfrage erstreckte sich nach Angaben von Pro Femina über einen längeren Austausch per E-Mail und schließlich ein Beratungsgespräch. Dort wurden Weitkamp und ihr Kollege, der ihren Partner spielte, aber als Journalisten „enttarnt“. Pro Femina hat deswegen den gesamten Mailwechsel veröffentlicht. Auch eine offizielle Presseanfrage der Journalistinnen, die aber erst kurz vor Veröffentlichung des Videos bei 1000plus, einem Projekt des Vereins, einging. Darin fragt Weitkamp nach, warum die Formulierungen in der Beratungsmail emotional und suggestiv seien.

„Nachdem Kristina Weitkamp und ihre Kollegen mindestens zwei Monate recherchiert und an ihrer Reportage gearbeitet haben, räumen sie 1000plus eine Frist von anderthalb Werktagen ein, um zu ihren Ergebnissen Stellung zu nehmen“, stellt der Verein auf seiner Webseite klar. Die Fragen beantwortet er schließlich öffentlich in einem Blogbeitrag – offenbar gut eine halbe Stunde, bevor das Video online ging. Eingang in den Bericht fanden die Antworten nicht mehr. In einem Kommentar unter dem Video vermerken die Autorinnen, der Verein habe sich nicht rechtzeitig zurückgemeldet. Die öffentliche Antwort ist verlinkt.

Warum kein Selbstversuch bei Pro Familia?

Die vielen Szenen, wo die Journalistinnen mit den Abtreibungsgegnern und Lebensschützern ins Gespräch kommen – oder es zumindest versuchen –, zeichnen den Beitrag aus. So bekommen diese die Chance, sich zu erklären. Beim Zuschauen stellt sich zuweilen die Frage, ob manche Methode wie Mahnwachen und das Gerede von „Mord“ das Anliegen, ungeborenes Leben zu schützen, eher konterkariert, weil sie nicht den Menschen sieht, sondern das Prinzip. Gerade die Webseite babycaust.de ist so radikal, dass man sie nur ablehnen kann. Der Selbstversuch Weitkamps in Form einer fingierten Beratungsanfrage bei Pro Femina ist im Kontext der Sendung stimmig – auch wenn der Verein es zu Recht als Vertrauensbruch ansieht. Dennoch war es ein Weg, um die Art und Weise der Beratung kennenzulernen. Dass die Presseanfrage dazu so viel später und mit viel zu knapper Frist gestellt wurde, ist jedoch journalistisch nicht professionell, der Hinweis, dass der Verein nicht rechtzeitig geantwortet habe, nicht aufrichtig.

Der Beitrag hat den Anspruch, eine Antwort darauf zu geben, wie Abtreibungsgegner Schwangere beeinflussen. Eine Frage von Weitkamp an Pro Femina war, ob der Verein eine Schwangere „neutral“ berate. Dazu Geschäftsführer Kristijan Aufiero: „Wir werden uns an ihre Seite stellen und alles dafür tun, damit sie all den widrigen Umständen zum Trotz ihrem Herzen folgen und eine Entscheidung für das Leben treffen kann!“ Neutralität sei „unterlassene Hilfeleistung“. Das ist im Übrigen ganz auf der Linie der Gesetzgebung. Demnach sollen Beratungsstellen „für das Leben“ beraten und Schwangere dazu ermutigen, ihre Schwangerschaft fortzusetzen.

Aufschlussreich wäre es gewesen, wenn die Autorinnen diese Frage auch bei Pro Familia gestellt und einen Selbstversuch mit der dortigen Beratung unternommen hätten. Der direkte Vergleich hätte das Bild abgerundet. Der Zuschauer wüsste, ob nur Lebensschützer ihrer Beratung eine Richtung geben – oder ob Frauen an anderer Stelle auch zu einer bestimmten Entscheidung hingelenkt werden.

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