Den Gegnern von 219a fehlen die Argumente

Der Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen endet vorläufig da, wo er begonnen hat: in einem Scheingefecht. Das zeigt auch ein wenig beachteter Satz im Entwurf des Justizministeriums. Ein Kommentar von Nicolai Franz
Von Nicolai Franz
Die Bundesregierung hat sich beim Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen auf einen Kompromiss geeinigt

Die Bundesregierung hat in dem lange währenden Streit um das Werbeverbot für Abtreibungen einen brauchbaren Kompromiss gefunden. Dass die Gegner des Paragrafen trotzdem protestieren, offenbart, dass es ihnen in Wahrheit um etwas anderes geht.

Laut dem Entwurf des Justizministeriums dürfen Ärzte auf ihren Internetseiten künftig angeben, dass sie Schwangerschaftsabbrüche „unter den Voraussetzungen des § 218a Absatz 1 bis 3“ vornehmen. Darin ist geregelt, unter welchen Umständen Schwangerschaftsabbrüche nicht strafbar sind. Bisher war diese Information verboten, da schon die bloße Nennung dieser Leistung juristisch als Werbung ausgelegt wurde. Weiterhin verboten bliebe den Ärzten, zusätzliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche anzubieten, etwa über Methoden oder Folgen des Eingriffs. Sie dürfen aber auf neutrale staatliche Stellen verweisen, die genau diese Informationen bereitstellen: die Bundesärztekammer, zuständige Landes- oder Bundesbehörden.

Gegner des Paragrafen klagen nun in Parteien und den Kommentarspalten einiger Medien, es finde „Zensur“ statt, Frauen würden Informationen vorenthalten. Die Regierung sei „selbsternannten Lebensschützern“ auf den Leim gegangen. Diese würden ein rückständiges Frauenbild verbreiten, nach dem ungewollt schwangere Frauen selbst nicht in der Lage seien, mit sachlichen Informationen umzugehen. Das Werbeverbot für Abtreibungen ist nach dieser Lesart ein Relikt des Patriarchats.

Kompromiss schafft Informationsdefizit ab

Mit „sachlichen Informationen“ haben diese Argumente wenig zu tun. Denn mit der neuen Regelung ist gewährleistet, dass Frauen Informationen sogar von amtlicher Qualität und staatlichem Prüfsiegel erhalten, wenn sie über einen Schwangerschaftsabbruch nachdenken – und nicht von denen, die damit Geld verdienen. Ärzte, die Abbrüche anbieten, können sich in eine monatlich aktualisierte zentrale Liste der Bundesärztekammer eintragen, die für jeden einsehbar ist.

Mit dieser besonderen Regelung ist zudem gewahrt, dass es sich bei einer Abtreibung nicht um einen gewöhnlichen medizinischen Eingriff handelt. Niemand, auch nicht die abschätzig so bezeichneten „selbsternannten Lebensschützer“, wollen Frauen vorschreiben, was sie mit ihren Körpern machen. Doch der Eingriff betrifft eben auch das ungeborene menschliche Leben, in welchem Stadium seiner Entwicklung auch immer. „Menschenwürde kommt schon dem ungeborenen menschlichen Leben zu“, entschied das Bundesverfassungsgericht 1993.

Um dieser Erkenntnis Rechnung zu tragen, muss man weder konservativer Christ noch „selbsternannter Lebensschützer“ sein. Auch jeder Humanist sollte sich fragen, ob es nicht doch Aufgabe des Staates ist, das Lebensrecht eines menschlichen Embryos zu schützen und durch gesetzliche Schranken zu markieren.

In den USA gibt es bereits säkulare Gruppen wie „Secular Pro-Life“, die genau dies vertreten: „Menschliches Leben beginnt in dem Moment der Befruchtung – denn das Embryologie-Buch lehrt es so“, spielen sie etwa auf die Predigtsprache an, in denen es bisweilen heißt „because the bible tells us so“ – „denn so lehrt die Bibel“.

Die Forderung nach einer Streichung des Paragrafen, wie sie von der SPD, der Linkspartei, den Grünen und der FDP gefordert wird, würde dies ignorieren. Im Referententwurf des SPD-geführten Justizministeriums wird daher auch diese Option diskutiert: „Eine Folge wäre allerdings, dass auch das Anpreisen oder die grob anstößige Werbung für Schwangerschaftsabbrüche straffrei gestellt wäre“, lautet die logische Schlussfolgerung. Weiter heißt es sehr zurückhaltend: „Dies würde Fragen zum gesetzgeberischen Schutzkonzept für das ungeborene Leben aufwerfen.“ Anders gesagt: Aus Sicht des Justizministeriums wäre nicht die Beibehaltung des Werbeverbots möglicherweise verfassungswidrig, sondern dessen Abschaffung.

Das so empfundene Informationsdefizit wird durch den Kompromiss der Regierung also – man muss es deutlich sagen – abgeschafft. Durch die zentrale Ärzteliste gälte dies auch dann, wenn Ärzte weiterhin nicht auf ihrer Internetseite angeben dürften, Abbrüche durchzuführen. Dass sich trotzdem Aktivisten wie die Gießener Ärztin Kristina Hänel darüber empören, kann demnach nur einen Grund haben: Der eigentliche Dorn im Auge ist, dass der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen überhaupt reglementiert wird. Das einflussreiche „Aktionsbündnis für sexuelle Selbstbestimmung“, zu dem mehrere politische Parteien und Verbände gehören, will die Abschaffung von 219 und von 218, ebenso wie die Linkspartei oder die Jusos, die Nachwuchsorganisation der SPD. In diesem Zusammenhang ist es gut, dass das Werbeverbot beibehalten wird.

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