Angesichts von immer mehr Kirchenaustritten empfiehlt der frühere Chef der Bertelsmann Stiftung, Heribert Meffert, den Geistlichen ein stärkeres Zugehen auch auf kirchenferne Menschen. „Die Kirche muss kritische, konstruktive Dialoge mit den Gläubigen suchen“, sagte der ehemalige Marketingprofessor der Bistumspresse in Osnabrück. „Nur im Dialog kann sie klären, ob die Leute zu Recht unzufrieden sind – oder ob sie vielleicht falsche Vorstellungen und Erwartungen haben.“ Die Kirche sollte sich nicht schmollend zurückziehen, wenn jemand etwas gegen sie sage.
Meffert hatte 2015 für das Bistum Münster untersucht, was die Katholiken zufrieden oder unzufrieden macht. Nach den in der vergangenen Woche veröffentlichten Zahlen traten im vergangenen Jahr 216.000 Menschen aus der katholischen und 220.000 Menschen aus der evangelischen Kirche aus, deutlich mehr als 2017.
Es muss ja nicht immer gleich eine Jahrmarktrutsche sein: Eine solche soll ab 8. August für zehn Tage in der Kathedrale von Norwich in England stehen. Sie soll für einen neuen Blick auf die Kirche sorgen.
Profil positiv schärfen
Meffert riet den Kirchen, risikobereit zu sein, neue Themen zu diskutieren und dabei auch Fehler zuzulassen. „Und die Kirche sollte alle Gläubigen stärker einbinden und ihnen die Haltung vermitteln: Lass uns doch mal gemeinsam etwas schaffen!“ Die Gläubigen müssten frühzeitig und geschickt eingebunden werden. „Die Menschen sollten ihre Ideen einbringen können – auch wenn diese Ideen anders sind als die, die der Pfarrer im Dorf hat, der vielleicht schon 65 ist“, sagte Meffert der Bistumspresse. Kirchliche Mitarbeiter dürften nicht in traditionellen Mustern verhaftet bleiben, sondern müssten sich den Erwartungen stellen, die es heute gibt.
Auch ihr Engagement an der Nahtstelle zwischen Glauben und Gesellschaft könne die Kirche weiter ausbauen, empfahl der Marketingexperte. „Sie könnte zum Beispiel noch mehr Projekte für Flüchtlinge ins Leben rufen. Oder soziale Projekte für alte Menschen. Und so auf positive Weise ihr Profil schärfen.“
Von: dpa/Jonathan Steinert