Mansour: Neubürger müssen Existenzrecht Israels anerkennen

In einem Vortrag über den politischen Islam hat der Islamexperte Mansour über Muslime in Europa als „strategische Kraft der Hamas“ gesprochen. Kritik äußert er am Umgang der Kirchen mit dem Massaker.
Von Elisabeth Hausen
Ahmad Mansour lebt seit 2004 in Deutschland

Vor dem Terrorangriff vom 7. Oktober setzte die Hamas darauf, dass im Falle einer Militäroperation die westlichen Länder Israel zu einem baldigen Waffenstillstand bewegen würden. Diese Ansicht äußerte der israelisch-deutsche Psychologe Ahmad Mansour am Samstag beim Neujahrsempfang der Bürgerinitiative „Pro Polizei“ im mittelhessischen Wetzlar.

„Die Hamas-Führer saßen in ihren Tunneln und planten den 7. Oktober“, sagte Mansour in seinem Vortrag. „Sie wussten: Israel hat keine andere Alternative als eine Bodenoffensive und die Zerstörung der Hamas.“ Als strategische Kraft habe die Hamas die Muslime in Europa gehabt. Diese würden gegen die israelische Militäroperation protestieren. „Je mehr Menschen auf die Straße gehen, desto schneller steigt der Druck.“ Das habe bei früheren Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas funktioniert.

Als aktuelles Beispiel nannte Mansour den französischen Staatspräsidenten Emanuel Macron: Dieser habe nach dem Terrorangriff eine militärische Allianz gegen die Hamas gefordert, ähnlich wie gegen den Islamischen Staat. Doch zwei Wochen danach habe er seine Meinung geändert und die israelischen Militäroperationen im Gazastreifen massiv kritisiert.

Grund dafür sei nach Einschätzung von Journalisten, die sich auskennen, die Angst vor einer Reaktion der Parallelgesellschaften in den Vorstädten. So hätten bereits vor dem 7. Oktober Studien den riesigen Einfluss der dortigen Migranten gezeigt: Wenn Lokalpolitiker Aspekte des Islam kritisierten, seien sie einen Tag später „islamophob“ und damit politisch erledigt.

Der Vortrag hatte das Thema „Politischer Islam“. Das bedeute nicht, dass sich Muslime in Deutschland nicht politisch engagieren sollten. Auch sei nicht der Islam als solcher gemeint, führte der Psychologe aus. Es gehe vielmehr um einen Islam mit gewissen politischen Zielen, der in Teilen demokratiefeindlich sei. Die problematischen Verbände wie DITIB oder Milli Görüs machten allerdings nicht einmal 20 Prozent der hiesigen Muslime aus.

Entstehung des politischen Islam

Mansour zeigte auf, wie nach dem Ersten Weltkrieg zum ersten Mal in der Geschichte des Islam Muslime nicht unter islamischer Herrschaft gelebt hätten. Denn im Gebiet des bisherigen Osmanischen Reiches hätten nun Engländer und Franzosen das Sagen gehabt. In dieser Zeit seien zwei Ideen entstanden.

Die erste Idee, der Panarabismus, sehe das, was Europa mit sich bringt, positiv. „Wir sollten versuchen, neue Wege zu gehen“, laute die Devise. „Der Islam ist gescheitert.“ Dieses Denken habe zu Säkularisierung und Nationalstaaten geführt, die es vorher nicht gab. Wegen des Strebens nach Wohlstand und Fortschritt hätten sie sich um einen Anschluss an Europa bemüht.

Bei der zweiten Idee gehöre zum Sieg des Panarabismus der Sieg gegen Israel. „Juden haben kein Recht, in einem arabischen Land zu leben“, sei hier eine Handlungsgrundlage. „Es gilt, dieses Land zu bekämpfen, bis alle Menschen ins Meer geschmissen sind und es nicht mehr existiert.“

Das erste Trauma dieser Ideologie sei gewesen, dass die Araber Israel und seine paar hunderttausend Soldaten nicht besiegten – die sogenannte „Nakba“. „Warum war es so wichtig, Israel zu besiegen?“, fragte Mansour. Ganz viele andere Nationalstaaten seien in dieser Zeit auch gegründet worden.

Seine Antwort: Diese Araber empfanden die Nähe zu einem demokratischen, westlich orientierten Staat als Bedrohung. Denn dann könne jeder sehen, wie ein demokratischer Staat funktioniert – im Gegensatz zu einem panarabischen Staat. In mehreren Kriegen hätten die arabischen Staaten die Möglichkeit verpasst, Israel zu besiegen.

Besonders traumatisch sei hier der Sechs-Tage-Krieg: Der Vater des Referenten habe 1967 darauf gewartet, dass ägyptische und syrische Soldaten in seinem Dorf ankämen, um sie zu begrüßen. „Doch sie kamen nicht, wie wir wissen.“ Die Araber hätten ganz viel verloren: die Sinaihalbinsel, den Gazastreifen, die Westbank, den Golan.

Kognitive Dissonanz als Problem für islamische Organisationen

Ebenfalls direkt nach dem Ersten Weltkrieg sei die Ideologie der Muslimbrüder enstanden, ergänzte Mansour. Sie betrachte den Islam als von Gott gewollte Wahrheit. Demnach werde sich irgendwann weltweit eine islamische Herrschaft etablieren. Aber andere Ideen hätten das Sagen.

Dieser Widerspruch führe zu einer kognitiven Dissonanz, erläuterte der Psychologe. Sie bereite allen islamischen Organisationen Kopfschmerzen. Eine kognitive Dissonanz entstehe etwa, wenn jemand mit einer 1 in einer Prüfung rechne – und eine 5 bekomme. Ein psychologischer Mechanismus als Antwort auf eine kognitive Dissonanz sei eine Verschwörungstheorie. Die modernste und älteste laute: „Die Juden sind schuld. Sie beherrschen die Welt, haben einflussreiche Organisationen. Dadurch kann der Islam nicht herrschen.“

Die Muslimbrüder hätten diesen Slogan: „Islam ist die Lösung“. Das sei auch das Motto der Terroristen vom 7. Oktober gewesen, als sie in Häuser eindrangen und Menschen töteten, weil sie Juden sind, sagte Mansour weiter. Die Hamas sei aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen.

Nach ihrer Gründung wollten die Muslimbrüder zunächst abwarten, bis sie im Westen eine Mehrheit hätten und einen islamischen Staat gründen könnten. Doch später habe die Organisation Gewalt als legitimes Mittel benannt, um dieses Ziel zu erreichen. So habe die Hamas nicht warten wollen, bis sie an die Macht kommt. Stattdessen habe sie 2007 gegen die Regierung der „Palästina-Befreiungsbewegung“ (PLO) geputscht – und über 1.000 Palästinenser umgebracht.

Gesellschaft von innen destabilisieren

Mit Blick auf die Lage in Europa sagte der Referent, der politische Islam wolle die Gesellschaft von innen destabilisieren. Ziel sei es, dass Muslime irgendwann Druck auf europäische Regierungen ausüben könnten im Sinne ihrer Ideologie. Das sei lange ein Traum gewesen, doch mittlerweile hätten wir eine andere Realität. Es sei ein Fehler gewesen, der Türkei und Saudi-Arabien den islamischen Unterricht zu überlassen in der Annahme, die Muslime würden ohnehin zurückkehren.

Dass Deutschland keine Strukturen aufgebaut habe, damit sie sich heimisch fühlten, habe die Türen geöffnet für DITIB, Milli Görüs und andere extreme Organisationen. Deshalb gewinne Recep Tayyip Erdogan Wahlen, weil genügend Exil-Türken für ihn stimmten. Die Deutsche Islamkonferenz habe mit denen verhandelt, die kein Interesse an Integration hätten und nur 20 Prozent der Muslime ausmachten. Diese Methode spiele dem politischen Islam in die Hände.

Auf die Frage aus dem Plenum, wie die anderen 80 Prozent, die sich nicht organisierten, erreicht werden könnten, antwortete Mansour: Dies sei an Schulen und auf lokaler Ebene möglich. Wenn etwa Abendveranstaltungen für Migranten zu Themen wie Gesundheit oder Medienkonsum angeboten würden, dann entstehe eine Gelegenheit, demokratische Werte zu vermitteln.

„Digitale Sozialarbeit“

Mansour sprach auch die sozialen Medien an: Die junge Generation „hört mehr auf TikTok-Imame als auf Lehrer“. Nur 26 Minuten nach der Meldung bei „Al-Dschasira“ über einen angeblichen israelischen Angriff auf ein Krankenhaus in Gaza habe es Proteste in der Berliner Sonnenallee gegeben.

Auf die Frage, wie es zu dieser Situation gekommen sei, antwortete er: „Weil wir es zugelassen haben. Weil wir nicht in der Lage waren, diese Generation zu erreichen.“ Trotz Grundgesetz, Freiheit und der Möglichkeit des kritischen Denkens habe man die jungen Muslime nicht so angesprochen, dass einzelne einen Gewinn darin sehen konnten. Bei sozialen Medien gelte es, Gegennarrative zu finden. Eine „digitale Sozialarbeit“ sei nötig.

Mansour sprach sich dafür aus, dass Deutschland Flüchtlinge aufnehme – aber ihnen vom ersten Tag in aller Deutlichkeit sage, wie das Zusammenleben in dieser Gesellschaft funktioniere. Dazu gehörten drei Grundwerte: Die Ablehnung von patriarchalischen Strukturen – Individualität und Gleichberechtigung. Die Meinungsfreiheit – „nicht nur, wenn ich Israel kritisieren will, sondern auch bei Kritik am Islam“. Die historische Verantwortung dieses Landes: „Keiner kann dazugehören, wenn er das Existenzrecht Israels ablehnt.“

Dies konkretisierte der Araber aus Israel: Es gehe um Aufrufe zum Ende des jüdischen Staates, zur Vernichtung Israels. Er prangerte auch doppelte Standards an – wenn etwa nicht auch der Konflikt zwischen Türken und Kurden kritisiert werde. Zudem müsse Terror als Terror bezeichnet werden. Es gebe keinen Kontext für den Terror vom 7. Oktober. „Das sind keine Freiheitskämpfer.“ Sie seien in Häuser eingedrungen und hätten Babys ermordet.

Wer antisemitische Parolen ruft, muss Deutschland verlassen

Integration ende nicht nach der Einwanderung, betonte der Referent. Deutschland könne 200.000 statt 1 Million Migranten aufnehmen und sie begleiten. „Wer schreit: ‚Wir haben Platz‘, ist rassistisch.“ In Berlin lebten manche Migranten seit neun Jahren im Asylheim ohne Deutschkurs. Das seien vorprogrammierte Parallelgesellschaften. Und: Wer Grundwerte abwerte, antisemitische Parolen rufe, der habe die Chance verpasst und müsse das Land verlassen.

Auf die Frage eines Zuhörers, wie sich die Kirchen einbringen könnten, entgegnete Mansour: „Ich bin wütend auf die Kirchen, weil sie zu wenig tun, weil sie Trends folgen. Seit dem 7. Oktober sind sie nicht in der Lage, Terror als solchen zu verurteilen und klare Worte zu finden. Sie folgen blind der integrationspolitischen Linken.“ (Die katholische und die evangelische Kirche haben direkt nach dem Massaker vom 7. Oktober die Gräuel der Hamas verurteilt. Zudem riefen die Kirchen zu Solidaritätskundgebungen auf., Anm. d. Red.)

Der Vatikan verdränge: „Israel ist nur der erste Schritt, das erste Ziel.“ Kirchengebäude würden in Frankreich zerstört. Es handele sich auch um einen Kampf gegen Christen, gegen andere Religionen. „Christen haben im Nahen Osten keine Zukunft. Minderheiten haben im Nahen Osten keine Zukunft.“ Die Zahl der Christen in Gaza, der Westbank, dem Irak, Syrien werde von Jahr zu Jahr weniger. „Das einzige Land, wo die christliche Community wächst, ist Israel. Da können Sie Ihre Schlussfolgerungen allein ziehen.“

Polizeipräsident: Entsetzt über Judenhass nach Hamas-Terrorangriff

Der Präsident des Polizeipräsidiums Mittelhessen, Torsten Krückemeier, erinnerte daran, dass in diesem Jahr das deutsche Grundgesetz seit 75 Jahren besteht. Die Demokratie lebe davon, dass die Gesellschaft sich aktiv für die Grundrechte einsetze. „Das Grundgesetz ist unser Gesellschaftsvertrag.“ Es gewähre das Recht, die eigene Religion zu praktizieren oder eine eigene Meinung zu vertreten. Die Mehrheit der Muslime in Deutschland sei friedlich gesinnt. Ein kleiner Teil lehne die freiheitliche Art zu leben ab.

Es sei Deutschlands Verpflichtung als wehrhafte Demokratie, Aktivitäten gegen das Grundgesetz entschieden und konsequent entgegenzutreten. Nach dem unmenschlichen Überfall der Hamas auf Israel und der israelischen Verteidigungsreaktion sei er entsetzt gewesen, „dass auf unseren Straßen Juden diffamiert werden und zum Hass aufgerufen wird“.

Referent dankt für Polizeischutz

Mansour dankte der Polizei dafür, „dass ich den Vortrag halten und unterwegs sein und von der Meinungsfreiheit Gebrauch machen kann“. Das könne er nur tun, weil er von Personenschützern begleitet sei. Viele sähen darin den negativen Aspekt – er sei gefährdet und bedroht. Doch er selbst sehe das positiv: „In einem Land zu leben, wo die Polizei dafür sorgt, dass ich meine Meinung sagen kann, ist etwas, wofür ich mein Leben lang dankbar sein werde.“

Der Verein „Pro Polizei Wetzlar“ hat derzeit 940 Mitglieder. Er unterstützt die Polizei moralisch und auch materiell. Vorsitzender ist der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Hans-Jürgen Irmer. Beim Neujahrsempfang in der Wetzlarer Stadthalle musizierte die Vierercombo des Landespolizeiorchesters Hessen.

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