Leopoldina: Forschung an Embryonen erlauben

In Deutschland verbietet ein Gesetz die Forschung an frühen Embryonen. Wissenschaftsakademien fordern jetzt Lockerungen in Richtung internationaler Standards.
Von Norbert Schäfer
Dürfen Embryonen mit Gendefekten aussortiert werden? Diese Frage steht hinter einem seit Jahren währenden Streit um die Präimplantationsdiagnostik.

In Deutschland soll das strikte Verbot für Forschung an menschlichen Embryonen gelockert werden. Das haben die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften in einer gemeinsamen Erklärung gefordert. Im Einklang mit internationalen Standards sollen Wissenschaftler auch in Deutschland „hochrangige Forschungsziele“ mit der Forschung an menschlichen Embryonen verfolgen dürfen.

„Die Forschung an frühen Embryonen in vitro, also außerhalb des menschlichen Körpers, die für Fortpfanzungszwecke erzeugt wurden, aber dafür keine Verwendung mehr finden […], sollte im Einklang mit internationalen Standards erlaubt werden“, lautet es in der Stellungnahme.

Forschung an Embryonen soll für „hochrangige“ Forschungsziele erlaubt werden, wenn diese „dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung und der Erweiterung medizinischer Kenntnisse bei der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren“ dient. Über die „Hochrangigkeit“ von Forschungsprojekten soll ein eigens geschaffenes Gremium befinden.

Embryonen zur Erforschung von Diabetes und Arthrose

Die Stellungnahme vom Mittwoch geht davon aus, dass eine Reihe medizinischer und biologischer Fragen, etwa zu Volkskrankheiten wie Diabetes, Arthrose, Herzinfarkt oder Schlaganfall, nur mit der Forschung an Embryonen gelöst werden können. „Neben Grundfragen der Embryonalentwicklung und der frühen Krankheitsentstehung kann diese Art der Forschung auch bei der Beantwortung wichtiger Fragen der Fortpflanzungsmedizin helfen“, heißt es in der Stellungnahme.

Derzeit verbietet das 1990 verabschiedete Embryonenschutzgesetz (ESchG) in Deutschland Wissenschaftlern die Forschung mit frühen menschlichen Embryonen. Statt des generellen Verbotes fordern die Herausgeber ein „Konzept eines abgestuften Embryonenschutzes, nach dem der Schutz des Embryos mit dem Grad seiner Entwicklung zunimmt.“ Für die Verwendung überzähliger Embryonen für Forschungsprojekte wird empfohlen, ein gesetzliches Regelwerk zu entwickeln.

„Dreißig Jahre nach Inkrafttreten des ESchG ist es nach Auffassung der Akademien an der Zeit, den rechtlich zulässigen und ethisch vertretbaren Umgang mit frühen menschlichen Embryonen neu zu bewerten“, lautet es in der Stellungnahme. Dabei müssten der Veröffentlichung zufolge berechtigte Forschungsinteressen sowie ethische und verfassungsrechtliche Aspekte in den Blick genommen werden.

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2 Antworten

  1. Schlimm, wie der Mensch sich anmaßt über das Menschsein zu entscheiden.
    Menschliche Embryos werden Ersatz- und Versatzstücke? – Es darf doch nicht um den Preis der Menschenwürde geforscht werden, und sei das Ziel angeblich auch noch so edel.
    Wenn Embryonen als medizinischer Rohstoff verbraucht werden, ist dies ein Verstoß gegen die Menschenwürde und das Gebot des Lebensschutzes.

    Ganz abgesehen davon, dass es zuverlässigere Alternativen zur verbrauchenden Embryonenforschung gibt:

    „Wiener Genetiker haben Stammzellen im Fruchtwasser gefunden, die bisher nur in Embryonen entdeckt worden sind. Mit diesen Stammzellen sollen sich Haut- und Nervengewebe herstellen lassen. Die Entdeckung könnte die ethisch umstrittene Forschung mit embryonalen Stammzellen ersetzen.“
    https://sciencev1.orf.at/news/79865.html

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