Rezension

Leihmutterschaft: „Von der Gebärmutter zur Gebärnutte“

Leihmutterschaft wird, wo sie erlaubt ist, immer mehr zum Geschäftsmodell. Die Akteure spielen mit der Gesundheit der Frauen und Kinder und zersetzen das traditionelle Familienbild. Birgit Kelle prangert das in einem neuen Buch an.
Von Johannes Blöcher-Weil
Das neue Buch von Birgit Kelle beschäftigt sich mit dem Thema Leihmutterschaft

Das perfekte und gesunde Kind wird eine Frage des Geldes. Zumindest ist die Autorin Birgit Kelle davon überzeugt. Ihr neues Buch „Ich kauf’ mir ein Kind“, das im Finanzbuch-Verlag erschienen ist, beleuchtet genau diese Problematik. Dabei ist Kelle, die in ihren Büchern selten ein Blatt vor den Mund nimmt, klar in der Sache und deutlich in der Wortwahl.

Bei der Leihmutterschaft trägt eine Leihmutter ein Kind für eine andere Frau aus und überlässt es dann nach der Geburt der Familie beziehungsweise der Frau, für die sie die Schwangerschaft übernommen hat. In einigen Ländern wird mit der kommerziellen Variante richtig viel Geld verdient. Die Leihmutter stellt sich den Bestellern gegen ein Entgelt zur Verfügung.

Aus ihrer Sicht wird mit der Leihmutterschaft die „Büchse der Pandora“ geöffnet: im Namen von Toleranz und Antidiskriminierung. Dabei gebe es bei dem Thema nichts schönzureden. Die einzige Antwort auf die Entwicklung müsse sein, sie gesetzlich zu unterbinden: „Nicht zuletzt servieren wir sogar Pädophilen Kinder inklusive Sorgerecht auf einem Silbertab­lett.“ Sie meint damit, dass sich die Missbrauchsgefahr der Kinder mit dem Geschäftsmodell der Mietmutterschaft massiv erhöhe. Kelle befürchtet, dass die Kinder dadurch sogar extra für Missbrauch produziert würden. 

Kelles Buch ist dafür, die Leihmutterschaft weltweit zu verbieten. Sie selbst bezeichnet diese als „Prostitution 2.0“. Sei die Büchse einmal geöffnet, bringe diese viele ethische, moralische und juristische Probleme mit sich. Während der Kampf gegen Sklavenhandel unumstritten sei, spielten die Menschen bei der Optimierung des Lebens längst Gott.

Mitten in Europa ein Eldorado des Menschenhandels

Mit Geld sei hier alles möglich. Eine Mitschuld sieht Kelle auch bei den Medien, die durch eine freundliche und unkritische Berichterstattung dabei helfen, das Thema salonfähig zu machen. Kelle nennt es eine „Propagandamaschinerie der glücklichen Leihmutter“. Ihre Beschreibungen zeugen vom Gegenteil. Bis zu 60.000 Euro koste ein Kind auf dem asiatischen Markt, aber auch in der Ukraine gebe es ein „Eldorado des Menschenhandels“.

Kelle bezeichnet das Phänomen als „Tinder, nur mit guten Genen“. In Großbritannien etwa könnte eine Leihmutter fast ein Jahresgehalt verdienen, wenn sie ein Kind austrage. Auch hierfür findet Kelle drastische Worte: „Von der Gebärmutter zur Gebärnutte sind nur zwei Buchstaben Unterschied.“ Die Mutter werde von der Person zur Funktion degradiert, ohne dass gesundheitliche Risiken eine Rolle spielten.

Kelle warnt, alles das umzusetzen, was technisch möglich ist. Ihr Schrei nach Menschenrechten für menschliche Zellen droht jedoch zu verhallen. Bisher stehe dieses so wichtige Thema nur auf der Agenda christlicher Lebensschützer und linker Feministinnen. Der Politik sei es fast egal, wie der Mensch zum Produkt werde.

Alles wird dem Wahn der Machbarkeit geopfert

Wer ständig über Kinderrechte rede, müsse auch bei der Diskussion um Leihmutterschaft dafür einstehen. Das Thema dürfe man nämlich auch aus Sicht der Kinder betrachten. Diese sollten nicht ohne Not abseits ihrer richtigen Eltern groß und zum Objekt degradiert werden. Zugleich greife das Modell der Leihmutterschaft die natürliche Struktur der Familie an.

Autorin Birgit Kelle kritisiert, dass Vieles dem Machbarkeitswahn geopfert wird (Foto: Kerstin Pukall)
Autorin Birgit Kelle kritisiert, dass vieles dem Machbarkeitswahn geopfert wird (Foto: Kerstin Pukall)

Kinder dürfen nicht wie Sachen behandelt werden, nur um Erwachsene glücklich zu machen. Auf dem Weg zum perfekten Menschen werde fast alles dem Wahn der Machbarkeit geopfert und dabei anerkannte, ethisch-moralische Grenzen überschritten. Jeder empöre sich über Organhandel, aber sich ein Kind für bis zu 100.000 Euro zu kaufen, sei in Ordnung.

Strafbare Handlungen werden hingenommen

Kelle äußert in dem Buch auch rechtliche Bedenken zur Leihmutterschaft. Vieles finde in rechtlichen Grauzonen statt. Ausländer könnten auf deutschem Boden relativ einfach strafbare Dienstleistungen anbieten: etwa auf Kinderwunsch-Messen in Berlin und Köln. Kelle fordert Leihmutterschaft als das zu benennen, was es ist: Kinderhandel. Auch die Leihmutter selbst gehe ein körperliches und seelisches Risiko ein, während die Kliniken den großen Reibach machen würden. Gerade in ärmeren Ländern floriere der Markt. Regulieren durch Gesetze helfe wenig. Es braucht ein Verbot, argumentiert Kelle in ihrem Buch.

Feinfühligen Lesern mag die drastische Wortwahl im Buch sauer aufstoßen. Aber die Beispiele, die Kelle bringt und behandelt, zeigen, wie bitter ernst die Lage ist und warum sie das Thema bearbeitet. Birgit Kelle ist nicht nur eine Anwältin für die Rechte von Kindern, sondern auch die treibende Kraft, um das Thema in der gesellschaftlichen Debatte zu befeuern. Ob das mit vielen Vorwürfen gelingt, sei einmal dahingestellt.

Sie hat sich der Thematik angenommen, weil sie Angst davor hat, dass die Entwicklung, die jetzt angestoßen wird, uns in wenigen Jahren einholt. Vermutlich wird der wenig bekannte Verlag nur eine sehr kleine Zielgruppe der „christlichen Blase“ erreichen. Kelle hat Koch und Kellner benannt, ob sie etwas verändern kann, sei dahin gestellt. Etwas schade ist, dass Kelle wenig Mitgefühl für die Menschen hat, die sich durch eine Leihmutterschaft auch ihren lange gehegten Kinderwunsch erfüllen könnten.

Birgit Kelle: „Ich kauf’ mir ein Kind“, Finanzbuch-Verlag, 256 Seiten, 18 Euro, ISBN 9783959727709

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