Kretschmann: Kirchensteuer bleibt erhalten

Die katholische und die evangelische Kirche haben im vorigen Jahr etwa zwölf Milliarden Euro Kirchensteuer erhalten. Der Staat hilft ihnen dabei, sie zu erheben. Nach Überzeugung des Grünen-Politikers Winfried Kretschmann wird das auch so bleiben.
Baden Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann

Eine Abschaffung der Kirchensteuer ist nach Angaben des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann kein Thema für die geplante Ampelkoalition. „Natürlich gibt es Laizisten, die sich über die Kirchensteuer aufregen, die sie selbst gar nicht bezahlen müssen“, sagte der Grünen-Politiker der Herder Korrespondenz (Novemberausgabe). „Wir haben aber wirklich andere Probleme, als uns an solchen Fragen abzuarbeiten. Das werden wir nicht machen. Außerdem sind dafür die Länder zuständig.“ Die Kirchensteuer sei eine Dienstleistung des Staates – „und die wird auch bleiben“.

SPD, Grüne und FDP wollen Mitte Dezember eine gemeinsame Bundesregierung bilden. Kretschmann ist Mitglied der Hauptverhandlungsgruppe mit den Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck. Die Kirchensteuer wird über das Finanzamt von berufstätigen Kirchenmitgliedern eingezogen und an die Kirchen weitergeleitet. Sie beträgt in der Regel neun Prozent der Lohn- und Einkommenssteuer, in einigen Bundesländern acht Prozent.

Als Katholik hoffe er, dass es in der Kirche zu Reformen komme, sagte Kretschmann der Monatszeitschrift des Herder-Verlags in Freiburg. Er könne sich zwar nicht vorstellen, in die evangelische Kirche überzutreten, freue sich aber, „dass wir als Katholiken sehr viel evangelischer geworden sind. Das sollten wir auch durchaus ein Stück weitertreiben, etwa damit Frauen auch Weiheämter innehaben können.“

Kretschmann äußerte Zweifel, ob der Synodale Weg in der katholischen Kirche zu Veränderungen führen wird. Bei dem Reformprozess geht es bis voraussichtlich 2023 um die Position der Frauen in der Kirche, den Umgang mit Macht, die katholische Sexualmoral und die priesterliche Ehelosigkeit. „Ich habe in diesen Fragen so viel gekämpft und bin müde geworden. Das müssen Jüngere machen“, sagte Kretschmann. Daher habe er auch nicht mehr für das Zentralkomitee der deutschen Katholiken kandidiert.

Islam muss sich reformieren

Die heutige Vielfalt der Glaubenslandschaft in Deutschland ist nach Ansicht von Kretschmann außerdem eine große Herausforderung für die künftige Koalition im Bund. Man sehe einen „Aderlass der Kirchen“, sagte er mit Blick auf die sinkende Mitgliederzahl. Auf der anderen Seite pluralisiere sich das Feld. „Das zusammenzuhalten ist sehr schwierig“, sagte der Regierungschef.

Kretschmann sagte, der Islam sei in Deutschland „nicht wirklich integriert“ und müsse sich an manchen Stellen reformieren. Dabei verwies er auf die Trennung von Staat und Kirche, ohne die Glaubens- und Religionsfreiheit nicht existiere. „Einzusehen, dass die Ordnung der politischen Angelegenheiten Menschenwerk ist und nicht von Gott gemacht wird, war ein epochaler Fortschritt“, sagte er. Es bedeute, dass man selbst verantwortlich sei und nicht „hinter dem lieben Gott verstecken könne. „Im Islam gibt es dieses Denken überhaupt nicht – und das ist eines seiner großen Probleme“, sagte der Grünen-Politiker.

epd
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4 Antworten

  1. Es ist schlimm, dass die Kirchensteuer immer noch nicht verschwindet und damit einfach Einwohnermeldeämter Menschen einer Kirchengemeinde zuordnen, zu der diese vielleicht überhaupt keinen Bezug haben, deren Pfarrer sie nie gesehen, deren Lehre sie gar nicht kennen. Das ist einfach skandalös, umso mehr, als dadurch Organisationen bevorzugt werden, die Welten von Schrift und Bekenntnis entfernt sind. Es wäre an der Zeit, die Sache endlich den Kirchen selbst zu überlassen und so auch jedem Bürger, selbst zu entscheiden, ob er wirklich einer Kirche – und welcher – angehören will. Denn vor die Entscheidung wird er damit gestellt.

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  2. Man kann an vielen Punkten an einem steuerfinanzierten Landeskirchentum leiden, ich tue das täglich (und das nicht zuletzt ob der wirklich praktisch wie theologisch mehr als dürftigen Reflektion auf die künftigen Aufgaben und Möglichkeiten der Kirchen angesichts demographischer und sozio-kultureller Verschiebungen und Veränderungen …das spiegelt sich bspw. im Zukunftspapier der EKD….)
    Aber eine Zukunft der Kirche, wie Lutheranus sie sich offenbar vorstellt, ist eine Horrorvorstellung:
    fundamentalistische Freikirchengemeinden als bildungsresistente, wissenschaftfeindliche und antiintellektuelle Konventikel in Sonderblasen, Kirchengemeinden ohne jede Anschluss- und Sprachfähigkeit im Hinblick auf die relevanten Themen der Gegenwart, Kirchengemeinden, die separatistisch einzig dem letzten Paukenschlag der Endzeit entgegenhecheln…
    Das ist keine Alternative…
    P.S. Gottes Weg ist ein Weg zu den Menschen hin….

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  3. Kirchensteuer widerspricht Gleichheitsgebot.

    So sehr ich meinen Parteifreund Winfried Kretschmann wegen seines energischen Eintretens für erneuerbare Energien schätze, so sehr bin ich entsetzt und ärgerlich, wenn er meint, dass die Kirchensteuer erhalten bliebe. Bei den anstehenden Verhandlungen für eine geplante Ampelkoalition wird wohl in wenigstens einer der 22 Arbeitsgruppen auch intensiv über das Verhältnis von Staat und Kirchen bzw. den vielen anderen religiösen und nichtreligiösen Weltanschauungsgruppen gestritten und dann schließlich geeinigt (ich verwende hier den Begriff „Weltanschauung“ als „Oberbegriff“, so wie er heutzutage wissenschaftlich definiert wird). Bei diesen Koalitionsverhandlungen im Weltanschauungsbereich vertraue ich darauf, dass zumindest die große Mehrheit der GRÜNEN-Vertreter sich an unser „Bundestagswahlprogramm 2021“ halten. In ihm steht im Abschnitt „Wir treten ein für Vielfalt, Anerkennung und gleiche Rechte“ ein Extra-Kapitel „Verhältnis Staat und Kirchen weiterentwickeln“ – also das Gegenteil von alles beim Alten belassen. Und weiter heißt es dort: „Auch Konfessionsfreie haben einen Anspruch auf umfassende Berücksichtigung ihrer Belange und auf gleichberechtigte Teilhabe.“ Diese Gleichberechtigung zwischen religiösen und nichtreligiösen Menschen kann aber nur gelingen, wenn schon im Grundgesetz jegliche Ungleichbehandlung vermieden wird. Folglich müssen dort sämtliche Bevorzugungen von religiösen Menschen hinsichtlich ihrer Weltanschauung gestrichen werden, zum Beispiel Gottesbezug in der Präambel, Religionsunterricht an öffentlichen Schulen und eben auch die sogenannte Kirchensteuer, bei welcher der Staat für die Kirchenmitglieder deren Mitgliedsbeiträge einzieht bzw. sogar eintreiben kann.
    Diese – wie ich finde höchst wichtige – Grundgesetzänderung würde auch dem Gleichbehandlungsartikel 3.3 Grundgesetz entsprechen:
    „Niemand darf wegen…seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
    Und nur bei strikter Gleichbehandlung würde es stimmen, wenn der langjährige Bundesvorsitzender Cem Özdemir feststellt: „Wir Grünen sind eine strikte Menschenrechtspartei“.
    Außerdem sind bei den Koalitionsverhandlungen ja noch die FDP und SPD mitentscheidende Partner.
    Die FDP tritt schon seit sehr vielen Jahren für den Wegfall aller der sehr vielen Kirchenprivilegien ein, speziell der alte und neue Vize-Bundestagspräsident Wolfgang Kubicki.
    (Außerdem hoffe ich sehr, dass die speziell von der FDP geforderte verstärkte Digitalisierung dazu führt, dass es recht bald möglich ist, über einen Klick im Internet kostenlos aus der Kirche auszutreten.)
    Und wenn die SPD ihre „Respekt!“-Wahlkampagne ernst nimmt, muss sie auch diesen Respekt gleichermaßen gegenüber religiösen wie nichtreligiösen Menschen zeigen und jegliche Ungleichbehandlung bekämpfen.
    Sehr viele andere Länder beweisen, dass es den Kirchen ohne größere Not oder Schwierigkeiten möglich ist, über ein kircheneigenes Beitragssystem die Mitgliedsbeiträge selbst einzuziehen.
    Schließlich: Wenn nun hoffentlich bald endlich die Kirchensteuer wegfällt, würde es sehr helfen, dass sich die Hoffnung von Winfried Kretschmann nach Reformen speziell in der katholischen Kirche erfüllt. Denn dann müssten die Kirchen weit mehr auf die Forderungen ihrer Mitglieder Rücksicht nehmen und tief greifende Änderungen vornehmen. Hierzu Kirchenmitglied und -kritiker Eugen Drewermann: „Eine Abschaffung der Kirchensteuer würde dazu führen, dass wir sofort eine andere Kirche hätten“.

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  4. In dem Artikel wird zwar erwähnt, dass es sich um eine Dienstleistung des Staates handelt. Es fehlt aber die Information, dass der Staat dafür eine Gebühr erhebt bzw. vor Weiterleitung des Geldes einbehält. Bei einem durchschnittlichen Satz von 3 % über alle Bundesländer sind das 360 Millionen.
    Den Steuersatz wiederum legen die Kirchen fest.
    Zudem ordnen nicht die Einwohnermeldeämter Menschen einer Kirche zu, sondern das machen die Bürger selbst.
    Da sich hier einige über eine „Verquickung von Staat und Kirche“ aufregen, sollte das der Klarheit halber erwähnt werden.

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