Kommission empfiehlt Legalisierung von Abtreibung

Noch ist Abtreibung in Deutschland in der Regel illegal. Eine Kommission empfiehlt nun jedoch die Legalisierung. Die zuständigen Minister warnen derweil vor Spaltung der Gesellschaft.
Von Martin Schlorke
Lisa Paus, Karl Lauterbach, Marco Buschmann

Bisher sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland grundsätzlich nicht legal und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Das soll nun jedoch geändert werden – jedenfalls empfiehlt das eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission. Am Montag stellte die „Expertenkommission zur reproduktiven Selbstbestimmung“ ihren Bericht in Berlin vor.

Die Experten fordern „einstimmig“ eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zur zwölften Woche. Darüber hinaus sprechen sie sich für die Option auf eine Verlängerung dieser Frist bis zur 22. Woche aus.

Das sagt die Kommission

Konkret heißt es: „In der Frühphase der Schwangerschaft (bis zur zwölften Woche) sollte der Gesetzgeber den Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Frau erlauben“ – sprich legalisieren.

In der mittleren Phase der Schwangerschaft, also bis zur Lebensfähigkeit des Fötus außerhalb des Mutterleibes, habe der Gesetzgeber „Gestaltungsspielraum“, heißt es in dem Bericht. Er müsse festlegen, bis zu welchem Zeitraum er einen Schwangerschaftsabbruch erlaubt und ab welchen Zeitpunkt nicht mehr. Außerdem stehe es dem Gesetzgeber frei, an der derzeitigen Beratungspflicht festzuhalten. Die Experten definieren diesen Zeitraum bis zur 22. Schwangerschaftswoche.

In der Spätphase der Schwangerschaft sollen Schwangerschaftsabbrüche „grundsätzlich nicht erlaubt“ sein, plädiert die Kommission. Sollte die Gesundheit der Mutter gefährdet sein oder die Schwangerschaft Resultat einer Vergewaltigung sein, sollten Ausnahmen möglich sein. Ab Woche 22 gilt der Embryo auch außerhalb des Körpers der Mutter als lebensfähig.

Grundsätzlich sagt die Kommission: „Belange“ des Ungeborenen und die „Belange“ der Schwangeren seien je nach Phase der Schwangerschaft anders zu gewichten. Das Lebensrecht von Ungeborenen habe beispielsweise in der Frühphase der Schwangerschaft nicht das gleiche Gewicht wie in der Spätphase.

Müssen Krankenversicherungen die Kosten übernehmen?

Sollte der Gesetzgeber auf eine Beratungspflicht verzichten, empfehlen die Experten dennoch „ein flächendeckendes, niedrigschwelliges, barrierearmes und vielsprachiges Beratungsangebot“, das Frauen kostenlos zur Verfügung steht. Schreibt der Gesetzgeber dagegen eine Beratungspflicht vor, muss er sicherstellen, dass es bei der Terminvergabe zu keiner Verzögerung kommt.

Weiter heißt es in dem Bericht, dass die Regelung der Schwangerschaftsabbrüche „auch in anderen Bereichen der Rechtsordnung“ umgesetzt werden sollen. Das gelte insbesondere für das Leistungsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung. Bisher tragen Schwangere die Kosten eines Abbruchs meist selbst. Ausnahmen sind medizinische oder kriminologische Gründe oder ein zu geringes Einkommen der Frau. Das könnte sich nun ändern.

Minister betonen Gefahr der gesellschaftlichen Spaltung

Am Montag reagierten die Minister der drei beteiligten Ministerien der Justiz, der Familie und der Gesundheit auf den Bericht der Kommission. Im Rahmen einer Pressekonferenz lobten alle drei Minister zwar die „wichtige“ Arbeit der Kommission, betonten aber auch die Brisanz, die in den Empfehlungen stecke. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dankte für die „gute und wissenschaftliche Arbeit“ der Kommission. Ziel sei es jetzt, keine spalterische und ideologische Debatte zu führen. Vielmehr müsse es jetzt Aufgabe der Bundesregierung sein, einen geordneten Prozess vorzuschlagen, wie mit dem Bericht der Kommission umzugehen ist – auch im Parlament. Mit Blick auf eine mögliche Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse im Falle einer Legalisierung sagte Lauterbach, es sei „schwer begründbar“ daraus keine Kassenleistung zu machen.

Justizminister Marco Buschmann (FDP) stimmte Lauterbach zu. Solche Debatten könnten die Gesellschaft in Flammen setzen und die politischen Ränder stärken. Zudem deutete er an, dass im Rahmen einer möglichen gesetzgebenden Debatte im Bundestag die Fraktionszwänge aufgehoben werden könnten, weil es sich dabei um eine Gewissensentscheidung handele. Zudem betonte Buschmann die juristischen Herausforderungen und verwies auf bereits getroffene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.

Wie es weiter geht

Familienministerin Lisa Paus (Grüne) stimmte ihren Ministerkollegen zu und sprach von „emotionalen Themen“, die einer respektvoll geführten Debatte bedürfen. Zu Details über Inhalte eines möglichen Gesetzvorschlags wollte sie sich – wie ihre Vorredner – nicht äußern.

Lauterbach kündigte an, dass der Bericht zunächst an die Regierungsparteien geht. Dort wird es zu ersten Beratungen über den weiteren Fortgang geben. Anschließend soll das Parlament den Bericht erhalten und Gespräche mit den Bundestagsfraktionen stattfinden. Der Gesundheitsminister kündigte an, dass der Vorgang „beschleunigt“ vonstattengehen soll.

Eizellenspende und Leihmutterschaft

Für den Bericht hat sich die Expertenkommission auch mit der Liberalisierung von Eizellenspenden und der Leihmutterschaft beschäftigt. Für erstere empfiehlt die Kommission eine Legalisierung. Diese ist – anders als die männliche Samenspende – bisher verboten. Zu beachten sei im Rahmen einer gesetzlichen Regelung jedoch der Schutz der Spenderinnen und die Gewährleistung des Kinderwohls, heißt es im Bericht.

In Bezug auf Leihmutterschaft sieht die Kommission das gegenwärtige Verbot als begründet, aber nicht zwingend geboten an. In manchen Fällen könnte die sogenannte altruistische Leihmutterschaft zulässig sein, beispielsweise wenn Eltern und Leihmutter sich durch ein freundschaftliches oder familiäres Verhältnis kennen. In jedem Fall sollte jedoch die ökonomische Ausbeutung verhindert werden.

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