Kirchentag diskutiert über Waffenlieferungen und Frieden

Gäste aus Kirche, Politik und Militär haben auf dem Kirchentag über die Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine diskutiert. Dabei ging es um die deutsche Geschichte, Friedensverhandlungen – und ukrainische Menschenrechtsverletzungen.
Von Martin Schlorke
Podiumsdiskussion

Am Donnerstag hat der Kirchentag kontrovers über Waffenlieferungen an die Ukraine diskutiert. Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, sprach sich gegen eine solche Unterstützung der Ukraine aus.

Waffen würden den Krieg nur verstärken. Zudem habe Jesus ein gewalt- und waffenloses Leben vorgelebt und sogar seinen Jüngern die Waffen weggenommen. Auch könne er aufgrund der deutschen Geschichte Waffenlieferungen nicht unterstützen.

Dem widersprach der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer. Als er kürzlich in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem stand, habe er die deutsche Verantwortung spüren können. Diese gelte auch gegenüber der Ukraine.

Der für Rüstungsimporte verantwortliche Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Sven Giegold (Grüne), sprach sich ebenfalls für Waffenlieferungen aus: „Wir als Christinnen und Christen sind verpflichtet, auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit hinzuwirken“, sagte er. „Im konkreten Fall ist es aber richtig, die Opfer zu unterstützen.“

Dem stimmte auch die badische Landesbischöfin Heike Springhart zu, wenngleich parallel Friedenskräfte gefördert werden müssen. Neben Verhandlungen auf politischer Ebene könne auch auf einer kirchlichen Ebene verhandelt werden, sagte Springhart.

Dies sei beispielsweise im Rahmen des ökumenischen Rates im vergangenen Jahr in Karlsruhe geschehen. Schließlich kämpften im Ukraine-Krieg Christen gegen Christen. Dass allerdings der Krieg von der orthodoxen Kirche in Russland mit christlichen Argumenten gerechtfertigt werde, „ist Sünde“.

Signal an Osteuropa

Als Argument für Waffenlieferungen führte Giegold auch die Verpflichtung gegenüber den osteuropäischen Partnern an. Zu oft habe Deutschland nicht auf sie gehört, etwa wenn sie vor einer zu großen Abhängigkeit in Bezug zu Gaslieferungen gewarnt hätten. Eine Niederlage der Ukraine würde die Osteuropäer ebenfalls in eine Bedrohungssituation durch Russland bringen und die europäische Friedensordnung noch weiter zerstören.

Kramer sieht diesbezüglich jedoch die Gefahr, dass der Krieg weitere Jahre andauern könnte. Zudem bemängelte er, dass die Lieferungen an keinerlei Bedingungen gekoppelt seien. So verstoße die Ukraine gegen fundamentale Menschenrechte, etwa wenn sie es ihren Bürgern versage, den Kriegsdienst zu verweigern.

Auch müsse diskutiert werden, inwiefern in der Ukraine Religionsfreiheit eingeschränkt sei. Giegold verwies auf die EU-Beitrittsverhandlungen, die sich auch um diese Fragen kümmern würden.

Auf welcher Seite steht Jesus?

Aus Sicht von Breuer, Giegold und Springhart sei es nicht die Aufgabe Deutschlands zu diskutieren, ob oder wann die Ukraine den Krieg beenden solle. Als Opfer des russischen Angriffs habe sie das Recht, sich so lange zu verteidigen, wie sie es für richtig halte. Springhart erklärte, dass Jesus am Kreuz selbst Opfer geworden sei und daher auf der Seite der Opfer stehe.

Dem widersprach Kramer vehement. Denn Jesus stehe auf der Seite aller Opfer. Auch auf russischer Seite verlören tausende Soldaten ihr Leben. Daher könne die Opferperspektive nicht als Argument für Waffenlieferungen herhalten.

Der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) findet noch bis Sonntag in und um Nürnberg statt. Bei dem Treffen protestantischer Christen werden aktuelle Themen aus Kirche und Gesellschaft in Vorträgen, Gottesdiensten und Diskussionsveranstaltungen beleuchtet. Der DEKT steht in diesem Jahr unter dem Motto „Jetzt ist die Zeit“. Bis zum Schlussgottesdienst am Sonntag rechnen die Veranstalter mit rund 100.000 Besuchern.

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