Kirchenasyl: Zwischen christlicher Nächstenliebe und Rechtsbruch

Am Pfingstmontag widmet das ZDF eine Reportage dem Kirchenasyl. „Letzte Hoffnung Kirchenasyl“ dokumentiert die Früchte dieses ehrenamtlichen Engagements der Kirchen und die Probleme der Asylsuchenden.
Von Jörn Schumacher
Kirchenasyl


Kirchenasyl ist politisch und rechtlich umstritten. Für die einen ist es Gesetzesbruch, für die anderen ein Akt der christlichen Nächstenliebe. Die ZDF-Dokumentation „Letzte Hoffnung Kirchenasyl“ stellt drei Fälle des Kirchenasyls vor und lässt auch einen Vertreter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu Wort kommen.

Der junge Iraker Mujtaba Ali lebt in einem kleinen Raum neben der Orgel in der evangelisch-lutherischen Johanneskirche im bayerischen Marktoberdorf. Ohne diese Zuflucht wäre Ali bereits abgeschoben worden. Als Homosexueller in seiner Heimat verfolgt, floh er nach Europa. Doch auch im EU-Land Bulgarien wurde er Opfer von staatlicher Gewalt und floh weiter nach Deutschland, um hier seinen Asylantrag zu stellen. Doch nach geltendem EU-Recht muss in dem Land ein Asylverfahren bearbeitet werden, in dem jemand zuerst erfasst wurde. Alis letzte Hoffnung auf ein Asylverfahren in Deutschland ist das Kirchenasyl.

Der 23-jährige Mujtaba nutzt das Bad und die Küche des Gemeindehauses. Das Kirchengelände darf er allerdings nicht verlassen. Ali selbst fühlt sich „wie in einer Familie“, aber auch eingesperrt, sagt er. Er ist sichtlich beeindruckt davon, so versorgt zu werden, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Besonders nach Monaten der Flucht ist das für ihn eine völlig neue Erfahrung. In Bulgarien sei er verprügelt worden, berichtet er, Hunde hatten ihn attackiert, die Narben sind noch zu sehen. Für vier Wochen kam er in eine überfüllte Gefängniszelle, wo er ebenfalls geschlagen wurde.

„Ich lebe aus einer besonderen Beziehung zu Jesus Christus“

In Haltern am See gewährt der katholische Pfarrer Michael Ostholthoff seit 2020 Menschen Kirchenasyl. Derzeit hat er fünf Geflüchteten Zimmer in seiner Wohnung zur Verfügung gestellt. Seine katholische Sankt Sixtus-Pfarrei sei eine von rund 400 Gemeinden in Deutschland, die im Jahr 2023 etwa 2.700 Personen Kirchenasyl gewährten, klärt der Film auf. Ostholthoff erklärt: „Es geht nicht darum, dass Menschen ein Bleiberecht hier in Deutschland bekommen, sondern darum, Menschen in das deutsche Asylverfahren zu überführen.“ Der Glaube sei für ihn eine Motivationsquelle für sein Handeln. „Ich lebe aus einer besonderen Beziehung zu Jesus Christus. Wir glauben, dass in ihm Gott Mensch geworden ist. Und dieses Wunder, das in jedem Menschen anwesend ist, gerade in jenen Menschen, die in größer Sorge und Not zu uns kommen. Jesus hat sich bedingungslos auf diese Seite der Entrechteten gestellt.“ Neben den normalen Problemen einer WG gäb es natürlich auch Sprachbarrieren. Ostholthoff sagt schmunzelnd: „Ich behaupte nicht, dass hier nur Heilige durch die Tür kommen. Ich möchte nur nicht das Risiko eingehen, einen Heiligen übersehen zu haben.“

In Berlin bekommt die Flüchtlingsberaterin Cecilia Juretzka jeden Tag bis zu 20 Nachrichten von verzweifelten Menschen, die Kirchenasyl suchen. Die Arbeit belastet, nicht allen kann sie helfen. Angesichts der immer schärferen öffentlichen Debatte über Geflüchtete wird die Verunsicherung von Gemeinden stetig größer, ob sie Kirchenasyl gewähren sollen. Die Zahl der Kirchenasylplätze ist begrenzt. In Gesprächen versucht Juretzka auszuloten, wer für ein Kirchenasyl geeignet ist und wer nicht. Doch wie kann sie individuelles Leid objektiv bewerten?

Frank Schimmelpfennig vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gibt Auskunft über die Rechtslage. Die Behörde mit über 8.000 Mitarbeitenden prüft alle in Deutschland gestellten Asylanträge. Schimmelpfennig betont, das BAMF toleriere Kirchenasyl nur als Notlösung für einzelne Härtefälle, es bereit jedoch Sorge, dass das Kirchenasyl zunehme.

Die ZDF-Reportage zeigt, welche Herausforderungen das Leben im Kirchenasyl mit sich bringt – für den Betroffenen und für die Gemeinde. Die Flüchtlinge lernen hier aber nicht nur, was christliche Nächstenliebe bedeuten kann, sondern auch deutsche Sprache und Kultur. Die Dokumentation schildert, dass Kirchenasyl ohne eine breite Unterstützung in der Gemeinde und viele ehrenamtliche Helfer nicht möglich wäre.

„Letzte Hoffnung Kirchenasyl“, Reportage, 43 Minuten, Pfingstmontag, 20. Mai 2024, 17.30 Uhr, im ZDF, ab 8.00 Uhr abrufbar in der ZDFmediathek

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