Meinung

Kinder als Zeichen der Gegenwart Gottes

Die Montessori-Pädagogik ist weltbekannt. Mit der Begründerin Maria Montessori befasst sich nun ein Spielfilm. Wenig bekannt ist, dass die Pädagogin gläubige Katholikin war. Sie sah in Kindern vor allem ein Zeichen für Gottes Schöpfungsplan.
Von Jörn Schumacher
Maria Montessori

Die 1870 in Italien geborene Ärztin Maria Montessori hat eine für die damalige Zeit revolutionäre Lern-Methode für behinderte Kinder ins Leben gerufen. Sie schuf ein eigenes Institut und dozierte an Hochschulen. Heute ist die „Montessori-Methode“ weltbekannt. Sie ist von dem zentralen Gedanken getrieben: Solange man die Kinder liebt, können sie alles lernen. Nicht Disziplinierung, sondern ihre Freiheit werde zeigen, welche Schätze in den Kindern verborgen sind.

Ein Spielfilm widmet sich nun der berühmten Pädagogin: „Maria Montessori“ ist 100 Minuten lang und läuft ab dem 7. März in den Kinos – anlässlich des internationalen Frauentages am 8. März. In eleganten, farbenfrohen Bildern bringt die französische Regisseurin Léa Todorov in ihrem Debüt-Spielfilm sowohl die bahnbrechende Lehre Maria Montessoris als auch den Menschen den Zuschauern näher. Das Biopic passt sich in eine Reihe von vielen aktuellen Filmen über starke Frauen, die Geschichte schrieben, ein. Auch in „Maria Montessori“ muss sich die italienische Ärztin in einer Welt durchsetzen, die von Männern dominiert wird. Im Original heißt der Film übrigens „La nouvelle femme“ – Die neue Frau. Eines lässt der Film allerdings außer Acht: Dass Maria Montessori gläubig war und sich ihr Menschenbild wesentlich daraus ableitet.

Kinder im Schöpfungsplan Gottes

Das pädagogische Bildungskonzept Montessoris beruht auf dem Bild des Kindes, das in seiner freien Entfaltung beobachtet werden sollte. So sollten geeignete didaktische Techniken gefunden werden, um den Lern- und Entwicklungsprozess zu fördern. Montessori-Pädagogen sind der Meinung, dass Kinder am besten in ihrem eigenen Rhythmus lernen. Kinder werden daher dazu ermutigt, das Tempo, das Thema und die Wiederholung der Lektionen selbstständig zu steuern.

Bei der „Kosmischen Erziehung“ Montessoris ging es ihr um die Vorstellung, dass jeder Mensch als Teil des Kosmos seine „Schöpfungsaufgabe“ finden solle. Diese bestehe darin, an der Realisierung eines universellen „kosmischen Plans“ mitzuwirken. Das solle nicht auf Kosten anderer geschehen, sondern als Teil der Schöpfung und verantwortlich.

In einer ihrer Schriften schrieb Maria Montessori: „Wir dürfen nicht nur das Kind sehen, sondern Gott in ihm. Wir müssen die Gesetze der Schöpfung in ihm achten. Wir dürfen nicht denken, wir könnten das Kind machen; wenn wir das tun, verderben wir das göttliche Werk.“ Bereits ab 1913 artikulierte sie ihren dann 1939 ausformulierten Glauben an „Gott im Kind“. Sie betrachtet jede Kinderseele als Gottesoffenbarung und Zeichen der Gegenwart Gottes. Auch im Religionsunterricht kann „nach Montessori“ unterrichtet werden, doch nicht jede Montessori-Schule ist deswegen religiös.

Weltweites Vorbild

Montessori wuchs in einem christlichen Elternhaus auf. Sie selbst war zeit ihres Lebens gläubige Katholikin. Aufgrund persönlicher Erlebnisse wendete sie sich sogar noch intensiver der Religion zu, dabei spielten ihre uneheliche Mutterschaft (1898) und der Tod ihrer Mutter (1912) jeweils eine Rolle. Montessori besuchte in dieser Zeit regelmäßig eine Ordensfrau, nahm an Exerzitien teil und studierte theologische Schriften. Zwischenzeitlich hatte sie auch Kontakt zur Theosophischen Vereinigung, zu deren Bestrebungen eine Synthese zwischen Wissenschaften und Religionen war. Ab 1922 schrieb sie explizite religionspädagogische Texte.

Montessoris Großonkel war katholischer Priester, Theologe und bekannter Geologe. Dessen Ansicht, man könnte Theologie und Naturwissenschaften miteinander verbinden, hatte sicherlich starken Einfluss auf Montessoris Bestreben, Pädagogik wissenschaftlich zu betreiben. Sie setzte sich gegen den Willen ihres Vaters und die gesellschaftliche Ablehnung durch und studierte als eine der ersten Frauen Medizin. 1899 erhielt sie vom italienischen Erziehungsministerium den Auftrag, eine Vortragsreihe über die Erziehung geistig behinderter Kinder zu halten. Daraus ging die „Scuola magistrale ortofrenica“ („Heilpädagogisches Institut“) hervor, die sie als Direktorin zwei Jahre leitete. 1901 verließ Montessori das Institut und studierte Anthropologie, Psychologie und Erziehungsphilosophie.

Montessori verließ 1939 Italien. Auf der ganzen Welt begann man sich für die pädagogische Methode der Italienerin zu interessieren. In Österreich eröffneten 1917 Ordensschwestern der Franziskanerinnen in Wien den ersten nach Montessori-Prinzipien geführten Kindergarten. 1938 wurden alle Montessori-Institutionen in Österreich (Kinderhäuser und Schulen) und auch Montessoris Schriften von den Nationalsozialisten verboten.

Bis zu ihrem Tod 1952 lebte Montessori in den Niederlanden. Dort befindet sich heute auch der Hauptsitz der „Association Montessori Internationale“ (AMI) und des Nienhuis-Verlags, der bis heute die originalen Montessori-Materialien vertreibt. Sie ist auf dem katholischen Friedhof in Noordwijk begraben. Ihre auf italienisch verfasste Grabinschrift lautet: „Ich bitte die lieben Kinder, die alles können, mit mir zusammen für den Aufbau des Friedens zwischen den Menschen und in der Welt zu arbeiten.“

Das Geheimnis um ihren unehelichen Sohn

Der Film „Maria Montessori“ konzentriert sich auf die Zeit, als die Pädagogin versuchte, zusammen mit ihrem Kollegen Giuseppe Montesano ihr gemeinsames Institut zu leiten. Mit Montesano hatte sie ein Liebesverhältnis, im Alter von 28 Jahren bekam sie einen Sohn von ihm, den sie geheim hielt. Später arbeitete der Sohn Mario für seine Mutter als Sekretär. Erst als er über 40 Jahre alt war, bekannte Maria Montessori sich zu ihm als seine Mutter.

Im Film freundet sich Montessori mit der Prostituierten Lili an, die ihrerseits ein uneheliches Kind hat, das von Montessori unterrichtet werden soll. Die behinderten Kinder – damals sprach man von „Idioten“ – sollten nicht der Gesellschaft zur Last liegen und möglichst etwas Brauchbares lernen. Erst Montessoris Ansatz macht Lili klar, dass ihr Kind geliebt werden sollte – auch wenn es anders ist als andere Kinder. Da die vorbildliche Pädagogin selbst das Geheimnis um ihren unehelichen Sohn hütete, verband sie und Lili eine Freundschaft. Auch das vermag der Film gekonnt darzustellen.

In schönen Bildern und mit ausgezeichneten Schauspielern bringt der Film die Person Montessori dem Zuschauer näher – vor allem ihren emanzipatorischen Kampf gegen eine von Männern dominierte akademische Welt. Dass die berühmte Pädagogin ihren Ansatz aber zu einem großen Teil aus ihrem christlichen Menschenbild bezog, verschweigt der Film aber leider.

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