Jürgen Werth ist 70

Der Liedermacher und frühere Direktor von ERF-Medien Jürgen Werth feiert am 14. Mai seinen 70. Geburtstag. Gemeinsam mit PRO blickt er zurück auf etliche Lebensstationen in den sieben Jahrzehnten, auf vermeintliche Sackgassen und Mutmacher.
Von Johannes Blöcher-Weil
Jürgen Werth bei einem seiner zahlreichen Auftritte

PRO: Wie viele Wortspiele mit Ihrem Namen haben Sie sich in 70 Jahren anhören müssen?
Jürgen Werth: Unendlich viele. Eigentlich werde ich bei jeder Veranstaltung mit einem Wortspiel begrüßt. Die Moderatoren denken dann immer, dass sie die ersten gewesen sind, denen das Wortspiel eingefallen ist. Ich lächele dann immer höflich. Ich habe aber auch selbst bei Buch- oder Musiktiteln und Fernsehsendungen mit meinem Namen gespielt. Da gibt es Namen, die eignen sich deutlich schlechter.

Ab wann hat der christliche Glaube in Ihrem Leben eine Rolle gespielt?
Da gibt es kein genaues Datum. Meine Eltern haben an Gott geglaubt, aber sie sind nicht in die Kirche gegangen. Ich habe dann als Siebenjähriger eine Veranstaltung im CVJM Lüdenscheid besucht. Hier habe ich nicht nur tolle Menschen und Angebote kennengelernt, sondern später auch meine ersten Auftritte und Leitungserfahrungen gemacht. Und ich bin Gott begegnet.

Das hat Sie für den Rest ihres Lebens geprägt …
Ja. Für mich war die Konfirmation ein Punkt, an dem ich das festgemacht habe. Gott und ich – das ist ja ein Beziehungsprozess, der ständig erneuert werden muss.

Welche Menschen haben Sie im Glauben geprägt?
Vor allem mein Jungscharleiter Herbert Dawin. Er hatte ein Herz für uns. Er konnte Geschichten erzählen, war unglaublich witzig, kreativ und hat mir den Glauben nahe gebracht. Später bin ich bei Klaus-Jürgen Diehl, dem späteren Generalsekretär im CVJM-Westbund, zur Jungschar gegangen. Wir sind bis heute befreundet. Zudem fallen mir noch Jugendwart Fritz Krämer und Pfarrer Heinrich Schoenenberg ein. Er hat mir für mein Theologiestudium Latein und Hebräisch beigebracht.

Das Studium haben Sie nie begonnen …
In meinem Leben verliefen etliche Dinge anders, als sie eigentlich geplant waren. Ich bin zunächst auf die Realschule gegangen, weil meine Eltern ein Studium nicht hätten finanzieren können. Später bin ich doch aufs Gymnasium gewechselt, weil ich unbedingt Theologie studieren wollte.

Foto: ERF
Jürgen Werth im Einsatz für e.r.f. junge welle

Wie ging es weiter?
Ich hatte schon einen Studienplatz in Wuppertal. Irgendwann kam mir der Gedanke, dass ich als Christ eigentlich nicht zwangsläufig Theologie studieren muss. Ich habe dann ein Volontariat bei der Westfälischen Rundschau gemacht. Dinge, Ereignisse und Menschen zu beschreiben und zu analysieren, hat mich fasziniert und bis heute geprägt.

Ihr Weg führte von einem säkularen Medienunternehmen in den christlichen Journalismus. War das ein Vor- oder ein Nachteil?
Für mich war es eher eine Berufungsgeschichte. Ich hatte auch andere berufliche Optionen. Ich wollte zunächst als Redakteur zur Zeitschrift „Unsere Kirche“ in Bielefeld. Dann gab es dort einen Einstellungsstopp. Am selben Tag habe ich einen Brief vom damaligen ERF-Programmdirektor Horst Marquardt bekommen, ob ich nicht zum ERF wechseln wollte.

Was haben Sie darüber gedacht?
Der ERF war nicht meine erste Adresse. Für mich war das ein Sender für alte und ausgesprochen  konservative Leute. Meine Frau und ich haben uns dann mit Horst Marquardt getroffen und hatten den Eindruck, es könnte passen. Ich bin geblieben, obwohl es zwischendurch immer wieder andere berufliche Optionen gab. Der Lüdenscheider Pfarrer Paul Deitenbeck hat mir gegenüber immer von einer Platzanweisung Gottes gesprochen. Das war es dann wohl bis zum Eintritt in den Ruhestand.

Was empfiehlt der Familienvater Jürgen Werth jungen Menschen, die sich im Leben orientieren möchten?
Man muss immer wieder herausfinden, wo der richtige Platz ist. Dabei sollte man seine Begabungen kennen. Man muss wissen, wofür man geschaffen ist. Das kann sich ändern. Leben bedeutet, unterwegs zu sein und nicht irgendwann im Status quo zu verharren. Menschen sollten immer offen sein für neue Begegnungen, Gedanken und Berufungen.

Gab es im Rückblick Wege, die sich als Sackgasse erwiesen haben?
Ich würde nicht von Sackgassen sprechen. Ich glaube, dass es auf jedem Lebensweg Umwege gibt. Ich glaube nicht, dass Gott schon im Voraus für uns Menschen Schienen verlegt wie bei einer Märklin-Eisenbahn. Gott macht sich mit uns auf den Weg und entwickelt mit uns neue Ideen.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Ich habe mit 50 Jahren überlegt, ob ich zum SCM-Verlag wechseln soll. Wir haben mit Familie und Freunden viel diskutiert und gebetet. Ich habe mich an einen Satz erinnert, den ich als junger Mensch gelernt habe: „Geh einfach los. Wenn Gott das nicht will, wird er dir das schon deutlich machen.“ Ich habe den Vertrag dann unterschrieben. In dieser Zeit gingen beim ERF mehrere Menschen weg. Auch unser Chefredakteur Peter Fischer starb völlig unerwartet. In dieser Zeit war ich in Paraguay. Der Chef der dortigen Bibelgesellschaft hat mir die Bibelstelle gesagt: „Bleibe im Land und nähre dich redlich.“ Dann haben mich viele Menschen angesprochen, ob ich nicht doch bleiben wollte. Der Aufsichtsrat hat mich schließlich noch einmal neu berufen. Mit SCM wurde alles rückabgewickelt. Ich würde im Nachhinein nicht sagen, dass das eine Sackgasse war. Vielleicht hat Gott gesagt: „Ich brauche dich jetzt noch ein bisschen dringender beim ERF.“

Sie haben vor Millionen Menschen das „Wort zum Sonntag“ gesprochen: Chance oder Bürde?
Beides. Ich muss immer an die Zuschrift einer Zuschauerin denken. Sie schrieb mir: „Meine Söhne gehen beim ‚Wort zum Sonntag‘ immer in den Keller Bier holen. Dieses Mal blieben sie beide ‚unter der Tür‘ stehen.“ Diese Sätze hatte ich immer im Hinterkopf, wenn ich das „Wort zum Sonntag“ geschrieben habe. Ich wollte den Menschen etwas sagen, die unter der Tür stehen. Die schon draußen stehen, hören dir sowieso nicht zu, die Andächtigen auf dem Sofa haben viele andere Quellen. Für die Sprecher beim „Wort zum Sonntag“ gab es immer Schulungen. Der Theologe Jörg Zink hat uns immer empfohlen, bei unseren Betrachtungen den theologischen Grund eines Themas zu finden und zu benennen. Alles andere können auch Menschen sagen, die nicht glauben. Das war herausfordernd, hat aber auch Spaß gemacht.

Als kreativer Mensch spielen Sie mit Worten. Wo müssen Christen kreativer werden?
Christen haben lange Zeit den künstlerischen Bereich vernachlässigt. Ich war noch Redakteur bei der Westfälischen Rundschau und hatte mit meiner Band einen Auftritt im Ruhrgebiet. Ulrich Parzany hat mir bei dem Auftritt die provokante Frage gestellt, wie ich als Christ darauf gekommen wäre, ausgerechnet Journalist zu werden. Viele Christen konnten sich damals nicht vorstellen, dass Christen in den Medien arbeiten, im Theater oder Filme machen. Diesen Bereich haben die Christen lange den Nichtchristen überlassen und sich hinterher beklagt, dass alles so gottlos ist. Hier hat sich Vieles zum Guten geändert. Ein zweites Beispiel. Als ich meine erste Schallplatte bei Hermann Schulte in Wetzlar aufgenommen habe, war fast keiner der anderen Musiker Christ. Es gab – mit wenigen Ausnahmen – einfach keine Christen, die so gut Gitarre oder Schlagzeug spielen konnten, dass das für ein Album reicht. Auch das ist heute zum Glück anders. Aber jetzt habe ich gar nicht auf Ihre Frage geantwortet.

Dann bitte …
Wir müssen definitiv kreativer werden im natürlichen Umgang mit den Menschen um uns herum. Das Problem ist ja schon lange nicht mehr, dass viele Menschen nicht an Gott glauben, sondern sie können es sich schon gar nicht mehr vorstellen. Das ist für sie so weit weg. Um das zu verändern, sollten wir deutlich kreativer werden.

Wie wichtig sind für Sie die Sozialen Medien wie Facebook, Twitter, Instagram?
Facebook habe ich verlassen. Hier habe ich zu viele unnötige Informationen bekommen. Außerdem hat es viel Zeit gekostet. Der Nachteil ist, dass so unfassbar viele Belanglosigkeiten in die Welt gesendet werden. Das möchte ich nicht vermehren. Auf Twitter war ich nie. Auf Instagram bin ich noch. Christen sollten sich nicht aus den sozialen Medien rausziehen. Die Kunst ist aber, nicht zu sehr von ihnen fremdbestimmt zu werden. Diese Netzwerke haben eine unglaubliche Sogwirkung. Jeder kann hier basisdemokratisch sagen, was er denkt. Das macht es spannend und problematisch zugleich. Ich kann von meinem Computer aus leicht anonym Sätze schreiben, die ich niemandem ins Gesicht sagen würde. Menschen sollten sorgfältig überlegen, was ihre Worte anrichten, und das im Gebet vorher prüfen.

Foto: ERF
Jürgen Werth bei seiner Entpflichtung als Direktor von ERF Medien im Wetzlarer Dom

Welche Gedanken kommen Ihnen, wenn Sie an Ihren 70. Geburtstag denken?
Sehr viele. Jeder Eintritt in ein neues Lebensjahrzehnt war für mich mit Schmerzen verbunden. Älter zu werden ist schon gewöhnungsbedürftig. Ich freue mich aber auch an meinem Leben. Ich kann Dinge entspannter und ausführlicher tun als in meinem Berufsleben. Ich schreibe, solange mir Gedanken kommen und es jemand lesen möchte. Da spielt es keine Rolle, ob ich 69 oder 70 oder noch ein bisschen älter bin. Und irgendwann bin ich auch wieder zum Singen und Predigen unterwegs.

Welche Projekte stehen literarisch oder musikalisch noch auf Ihrer Agenda?
Es gibt ein konkretes Buchprojekt, das im Herbst 2022 erscheinen wird. Für 2023 hab ich schon einen Vertrag auf dem Schreibtisch liegen. Ich hoffe außerdem, dass ich bald mit Siegfried Fietz unser Musical „Heimat ist“ aufführen kann. Hier hat uns die Pandemie ausgebremst. Ansonsten schreibe ich Lieder und Artikel oder predige und begleite Freizeiten. Der Kalender ist ganz gut gefüllt.

Was sind für Sie die wichtigsten Themen und Aufgaben, wenn nicht gerade Pandemie ist?
Ich habe mir vorgenommen, jeden Tag mindestens einen Menschen zu ermutigen. Das kann man bis ins hohe Alter machen. Durch Corona sind viele Termine weggefallen und es gab neue Freiräume für die Familie. Das war, das ist ein Geschenk und gleichzeitig eine Vorbereitung auf das, was kommt. Der amerikanische Pastor Gordon McDonald hat mir einmal gesagt, dass wir alle irgendwann ein Leben im Verborgenen führen. Da fragen dann die Leute vielleicht hin und wieder: „Lebt der eigentlich noch?“ Und trotzdem kann man ein Mutmacher bleiben bis zum letzten Atemzug. Das habe ich meinem Lied „Der Alte“ thematisiert. Der Protagonist ist Ansprechpartner für die Sorgen und Nöte der Menschen. Als im Alter seine Kraft nachlässt und er nach und nach gar nichts mehr kann, nicht mal mehr sprechen, kommen die Menschen trotzdem weiter zu ihm. Sie legen ihr Ohr an sein Herz. Und dort begegnen sie der Barmherzigkeit Gottes. Das wünsche ich mir für mich und uns alle. Dass Menschen Gottes Barmherzigkeit begegnen, wenn sie ihr Ohr an unser Herz legen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person

Jürgen Werth wurde am 14. Mai 1951 geboren. Von 1994 bis 2014 leitete er ERF Medien, von 1995 bis 1997 war er zudem Vorstandsvorsitzender des Christlichen Medienverbundes KEP (heute: Christliche Medieninitiative pro). Von 2007 bis 2011 war er Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz und arbeite lange im Vorstand von proChrist mit. Zudem wurde er als Schriftsteller und Liedermacher bekannt.

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3 Antworten

  1. Lieber Jürgen ich wünsche Dir alles Gute und Gottes Segen ,Sei Gesegnet
    Herzliche Grüße Helmut Schreiber geb. Haake

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  2. Herzliche Glück- und Segenswünsche aus Mutterstadt/Pfalz. Ihre menschenzugewandte Art, ihre ProChristModerationen und einige ihrer „lauten leise Lieder“ haben mich besonders inspiriert.

    Ciao und Shalom von Stefan J. Köhler

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  3. Lieber Johannes Blöcher—Weil,
    ganz herzlichen Dank für das wunderbar authentische Interview mit Jürgen Werth !
    Die Lipper würden sagen: „da chet einem das Herz auf“.
    Mir hat es gefallen, früheren Lebensgefährten von mir ( z.B. Paul Deitenbeck und Klaus Jürgen Diel, der in den sechziger Jahren mal als Praktikant in „meiner Gruppe“ im Kinderheim in Rönsahl, mit arbeitete, die ich als Diakonenschüler leitete.).
    Besonders angesprochen hat mich Ihre Frage und Werths Antwort zu „Sackgasse…. Umwege.“
    Dank und Gruß ! Johannes Schumacher

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