Johnny Cash: Held der Underdogs

Johnny Cash verband Countrymusik mit politischem Einsatz für Außenseiter, spielte in Gefängnissen und für Indigene. Außerdem war er gläubig und mit dem Evangelisten Billy Graham befreundet. Er würde am 26. Februar 90 Jahre.

Seine letzten Songs sang er unter Schmerzen, halbblind, im Rollstuhl sitzend ein. „Ich will nichts mehr von dieser
Welt. Ich will nur noch Musik machen und arbeiten, so gut ich kann“, sagte Johnny Cash wenige Wochen vor seinem Tod im Jahr 2003. Er litt an einer fortschreitenden Nervenkrankheit. Der US-Musiker, der Hits wie „I Walk the Line“ oder „Folsom Prison Blues“ schrieb, wurde weit über den Kreis des Country-Publikums hinaus verehrt. Am 26. Februar würde er 90 Jahre alt.

„Er engagierte sich politisch, spielte in Gefängnissen oder für indigene Völker der USA, was für die unkritische Country-Szene ein Novum darstellte“, erklärt der Kurator des Gronauer Rock‘n‘Popmuseums, Thomas Mania. „Cash zählt zweifellos zu den ganz Großen der Country- und auch der Popmusik.“ Er wurde mit 13 Grammys ausgezeichnet und sowohl in die „Country Music Hall of Fame“ (1980) als auch in die „Rock and Roll Hall of Fame“ (1992) aufgenommen.

„Bei Cash gab es einen mitfühlenden Konservativismus auf christlicher Grundlage und zugleich die Parteinahme für Menschen, denen Ungerechtigkeit oder Unterdrückung widerfährt“, sagte der Rektor der Essener Folkwang Universität der Künste, Andreas Jacob, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Damit sei es ihm gelungen, die traditionellen, eher konservativen Country-Hörer in den USA genauso zu erreichen wie auch die junge Generation, die für Bürgerrechte der Afroamerikaner oder gegen den Vietnam-Krieg demonstrierte.

Foto: xero79/Wikimedia Commons
Johnny Cashs Stern auf dem „Hollywood Walk of Fame“

„Er steht meilenweit über allen“, schrieb Bob Dylan nach dem Tod seines Freundes Cash: „Johnny war und ist der Polarstern, du konntest deinen Kurs nach ihm ausrichten.“ Und „Rolling Stones“-Gitarrist Keith Richards bekannte: „Ich war immer ein Johnny-Cash-Freak.“

„Hello, I‘m Johnny Cash“, so begrüßte der Musiker die Fans in seiner unverwechselbar tiefen Stimme. Auf der Bühne trug er immer Schwarz. In „Man in Black“ (1971) erhob er das zum Programm: Schwarz trage er für die Armen, die Hunger, aber keine Hoffnung mehr hätten, für die Gefangenen, die für ihre Verbrechen längst gebüßt hätten. Und für die Hunderte von jungen Männern, „die wir jede Woche verlieren“, sang er mit Blick auf den Vietnam-Krieg.

Seine besten Live-Alben sind Konzertmitschnitte aus den berüchtigten Strafanstalten Folsom (1968) und San Quentin (1969). „Jeder von den Gefangenen wusste, dass John ein Held der Underdogs war“, sagt Cash-Kollege und Freund Willie Nelson in der Doku „I‘m Johnny Cash“.

Die „Faszination Cash“ rührt auch daher, dass er wusste, wovon er sang: Hunger und Armut hatte er am eigenen Leib erlebt. Am 26. Februar 1932 kam J. R. Cash als Farmerssohn zur Welt. Er wuchs in der Depressionszeit in Dyess/Arkansas auf, wo seine Geschwister und er schon früh auf den Baumwollfeldern des Vaters arbeiten mussten.

Befreundet mit Billy Graham

Den Tod seines zwei Jahre älteren Lieblingsbruders Jack, der mit 14 Jahren bei einem Unfall an einer Kreissäge starb, hat er nie verwunden. Seine Schuldgefühle wurden durch einen strengen Vater noch verstärkt, der ihm eine Mitschuld daran gab.

Zur Musik kam er über die Gospels, die seine Mutter während der Feldarbeit sang, und über die Country-Musik aus dem Radio. Bis zu seinem Tod nahm Cash auch immer wieder Gospel-Songs auf. Zu seinen Freunden gehörte der Baptistenprediger Billy Graham, den er auf dessen Großveranstaltungen unterstützte. Einen Song nahmen sie zusammen auf.

Er habe einen großen unerschütterlichen Glauben, sagte Cash in einem seiner letzten Interviews vor seinem Tod über sich. 2014, elf Jahre nach seinem Tod erschien das Album „Out Among The Stars“ mit bis dahin unveröffentlichten Liedern. In einem singt Cash unter anderem davon, Probleme nicht allein schultern zu können und Hilfe im Glauben gefunden zu haben: „Ich bin dazu gekommen, an eine Macht zu glauben, die viel größer ist als ich. In kindlichem Glauben habe ich es auf einen Versuch ankommen lassen.“

Der Evangelist Billy Graham zitiert in Johnny Cashs Lied „The preacher said, Jesus said“ aus der Bibel

Seine ersten Erfolge „Folsom Prison Blues“, „Get Rhythm“ und „Walk The Line“ nahm er ab Mitte der 50er Jahre im legendären „Sun“-Studio in Memphis auf. Dessen Chef Sam Phillips hatte bereits den jungen Elvis Presley, Jerry Lee Lewis und Carl Perkins verpflichtet. Von dieser Zeit an konnte Cash – der nach der Militärzeit erfolglos versuchte hatte, sich als Vertreter von Küchengeräten durchzuschlagen – sich ganz der Musik widmen.

Ab Ende der 60er genoss Cash dann das Leben eines Superstars: Die Aufnahmen in den Gefängnissen brachen alle Rekorde. In seiner TV-Show versammelte er alles, was in der Musikwelt Rang und Namen hatte: von Bob Dylan, Roy Orbison, Eric Clapton, Stevie Wonder und Ray Charles bis zu Neil Young und Louis Armstrong. Zudem war er auf der Kinoleinwand mit Stars wie Kirk Douglas („Rivalen des Todes“, 1971) oder in populären TV-Serien wie „Columbo“ zu sehen.

Lange Jahre allerdings war er abhängig von Medikamenten und Aufputschmitteln. Aus seiner Sucht half ihm seine zweite Frau June Carter, mit der er über 35 Jahre verheiratet war. „Sie ist mein Fels in der Brandung“, schrieb er über sie.

In seinen letzten Jahren erlebte Cash dann noch einmal ein beispielloses Comeback: Die unter der Regie von Produzentenlegende Rick Rubin entstandene Reihe „American Recordings“, in der er neben Country- und Gospelstücken auch aktuelle Rock- und Punksongs interpretierte, halten viele für das Beste, was er seit seinen ersten Hits aufgenommen hat. Cash starb am 12. September 2003, wenige Monate nach dem Tod seiner Frau June.

epd
Helfen Sie PRO mit einer Spende
Bei PRO sind alle Artikel frei zugänglich und kostenlos - und das soll auch so bleiben. PRO finanziert sich durch freiwillige Spenden. Unterstützen Sie jetzt PRO mit Ihrer Spende.

Ihre Nachricht an die Redaktion

Sie haben Fragen, Kritik, Lob oder Anregungen? Dann schreiben Sie gerne eine Nachricht direkt an die PRO-Redaktion.

5 Antworten

  1. Johnny Cash hat in seiner Karriere immer wieder Alben mit christlichen Songs veröffentlicht. Diese gehören für mich neben den Live-Aufnahmen aus Folsom und St. Quentin zu den besten seiner Lieder. Unübertroffen: „My mother’s Hymnbook“. Hier singt der hörbar gealterte Johnny Cash, nur von seiner Gitarre begleitet die alten Evangeliumslieder seiner Mutter, die zum großen Teil auf der Beerdigung seines Bruders gesungen wurden. Es scheint dass er am Ende seines Lebens dieses tragische Erlebnis verarbeitet hat und Trost und Hoffnung aus diesen Liedern schöpft und dies auch durch seinen wundervollen Gesang dem Hörer vermittelt.

    1
    0
  2. Ich höre Cash seit frühehster Jugend und habe seine religiösen Lieder auch schon immer gerne gehört – kein Wunder, schließlich bin ich eine lauwarme evangelische Christin. Allerdings finde ich „My Mother’s Hymnbook“ nur grauenvoll langweilig. Mein Lieblingslied unter den frommen Gesängen ist „The Man in White.“ Aber eigentlich stehe ich als Krimi-Fan doch eher auf die murder ballads. Da sieht man mal wieder, dass bei Cash für jede/n was dabei ist. 😉

    1
    0
  3. ehrliche Musik und ein Mann der Größenwahn und Zerbruch vereinte.
    “ zwei Herzen schlagen in meiner Brust“ das schien über seinem Leben zu stehen.

    1
    0

Offline, Inhalt evtl. nicht aktuell

PRO-App installieren
und nichts mehr verpassen

So geht's:

1.  Auf „Teilen“ tippen
2. „Zum Home-Bildschirm“ wählen