Golden-Globe-Gewinner Ted Neeley: „Jesus ist für mich vom Tod auferstanden“

Ted Neeley ist der Jesus-Darsteller in der Rockoper „Jesus Christ Superstar“ und im gleichnamigen Film. Damit wird er von einem generationenübergreifenden Millionen-Publikum enthusiastisch gefeiert. Für ihn persönlich zählt seine Liebe zu Jesus Christus. Autor Günther Klempnauer erinnert sich an besondere Begegnungen mit ihm
Von PRO
Schauspieler Ted Neeley (r.) in seinem Kostüm für die Rock-Oper „Jesus Christ Superstar“, in der er die Hauptrolle spielt, gemeinsam mit Buchautor Günther Klempnauer (l.)

Seit fast einem halben Jahrhundert ist Ted Neeley in der Musik- und Filmbranche tätig. Auf seinen Welttourneen als Jesus-Darsteller in der Rockoper „Jesus Christ Superstar“ und dem gleichnamigen Film wird er von einem generationenübergreifenden Millionen-Publikum enthusiastisch gefeiert. Für seine schauspielerische Leistung in diversen Inszenierungen erhielt er 1974 den begehrten „Golden Globe Award“ als „Bester Hauptdarsteller Komödie oder Musical“ sowie als „Bester Nachwuchsdarsteller“.

Rolle als eine Art Lebensaufgabe: Der 29-jährige Ted Neeley spielte die Hauptrolle bei der Uraufführung des Musicals „Jesus Christ Superstar“ 1971 am Broadway in New York. Den Jesus spielt er bis heute auf der Bühne. Foto: Günther Klempnauer
Rolle als eine Art Lebensaufgabe: Der 29-jährige Ted Neeley spielte die Hauptrolle bei der Uraufführung des Musicals „Jesus Christ Superstar“ 1971 am Broadway in New York. Den Jesus spielt er bis heute auf der Bühne.

Anlässlich einer vierjährigen Europa-Tournee, auf der das „Jesus Christ Superstar“-Ensemble mit Liveorchester und über 50 Darstellern seit 2014 in ausverkauften Konzerthallen spielte, wurde die legendäre Rockoper im April 2019 erstmals in Deutschland im Musical Dome Köln vor begeistertem Publikum aufgeführt. Der 75-jährige US-Schauspieler Neeley glänzte immer noch in seiner Titelrolle als „Jesus Christ Superstar“. Wir feierten ein emotionales Wiedersehen nach 47 Jahren. Damals trafen wir uns in Israel.

An einem Herbsttag 1972 entdeckte ich mitten in der trostlosen Negev-Wüste im südlichen Israel auf einem vor mir liegenden Bergrücken eine wild tanzende Schar buntgekleideter junger Leute, die meine Neugier weckten. „Da muss ich hin“, sagte ich zu dem israelischen Busfahrer. Kaum war ich ausgestiegen, nahmen mich melodische Klänge westlicher Rockmusik gefangen. Hastig eilte ich den Berg hinauf. Oben angekommen, traute ich meinen Augen und Ohren nicht; denn die Rockrhythmen waren verstummt und das Plateau menschenleer.

„Jesus Christ Superstar“ in der Negev-Wüste

Als ich dort einen Beduinenhirten, der Schafe und Kamele bewachte, fragte, wo denn die soeben noch agierenden Menschen geblieben seien, führte er mich zu einem Zelt, in dem junge Amerikaner wegen der brütenden Mittagshitze eine zweistündige Pause eingelegt hatten. Hier würde ein Jesus-Film gedreht, aber unter strengster Geheimhaltung, sagte die Film-Crew. Trotzdem machten sie mich mit dem Jesus-Darsteller in einem schmuddeligen Leinengewand bekannt, der hockend an einer fetttriefenden Hammelkeule knabberte. Über das Drehbuch und seine Jesus-Rolle durfte er nichts sagen. Aber er begeisterte sich für seinen Erlöser Jesus Christus, der sein Leben von Schuld und Angst befreit habe. Der US-amerikanische Schauspieler sprach von einer menschenwürdigen Christusbotschaft, die nicht nur für die suchende, orientierungslose Jugend eine erlösende Wohltat sei. Unser Gespräch kreiste um brisante existenzielle Fragen, die Jesus als Mensch auf dieser Erde mit seinem vorbildlichen Leben beantwortet hatte. Doch wir konnten nur kurz reden. Der Jesus-Darsteller begleitete mich nach draußen und lächelte wohlwollend in meine Kamera.

Ted Neeley 1972 in der Negev-Wüste Foto: Günther Klempnauer
Ted Neeley 1972 in der Negev-Wüste

Als ich ein Jahr später den „Piccadilly Circus“ in London überquerte, fiel mein Blick auf die Leuchtschriftreklame: „… and now the film ‚Jesus Christ Superstar‘“. Das Filmtheater war übersät mit Aushangfotos, auf denen mich der Jesus-Darsteller aus der Negev-Wüste anstrahlte. Jetzt war das Geheimnis gelüftet. Es war der 29-jährige Superstar Neeley, der auch die Hauptrolle bei der Uraufführung des Musicals „Jesus Christ Superstar“ 1971 am Broadway in New York spielte. Neeley reist seit fast einem halben Jahrhundert mit diesem Musical um die Welt.

Die letzten sieben Tage im Leben Jesu

Was ist die Botschaft von „Jesus Christ Superstar“? Mit packenden Rhythmen und berührenden Melodien erzählt die Rockoper die letzten sieben Tage des Lebens Jesu von Nazareth. Keine Theologen, sondern ziemlich unbekümmerte junge Leute, der 21-jährige Andrew Lloyd Webber (Komponist) und der drei Jahre ältere Tim Rice (Texter), erkannten 1970 die Zeichen der Zeit: Die revolutionäre Jugend in den westlichen Ländern protestierte gegen die konsumorientierte Leistungsgesellschaft und war auf der Suche nach neuen Leitbildern. Neben den rebellierenden Studenten propagierten die „Hippies“ „Make love, not war“. Diese Bewegung endete im Drogenrausch. Hinter jeder Sucht steckt eine ungestillte religiöse Sehnsucht. So wurden in den 70er Jahren Hunderttausende von ihnen gläubige Christen („Jesus ist besser als Hasch“), die sich „Jesus-People“ nannten. In Los Angeles erzählte mir Pastor Chuck Smith, er habe über 20.000 gläubig gewordene Hippies am Strand der Pazifikküste getauft.

Diese Jesus-Revolution inspirierte Webber und Rice zu ihrem Werk, dem die biblische Vorlage der Passionsgeschichte zugrunde liegt. Dabei bevorzugten sie eine sehr menschliche Version von Jesus, die seine Größe nicht leugnet, aber seine Wunder und Auferstehung nicht berücksichtigt. Umgedeutet wird die Rolle des Judas, der Jesu göttliche Berufung infrage stellt und ihn vor seinem Tod bewahren möchte. Alle Beteiligten sind letztlich an Jesus wahnsinnig geworden: Judas, die anderen Jünger ebenso wie die geistlichen und weltlichen Machthaber, die auf ihre Privilegien nicht verzichten wollten. So endet der „Superstar“ am Kreuz.

„Ich gehe im Paradies spazieren“

Vor meiner Begegnung mit Neely im Musical Dome Köln im April 2019 hatte ich ihm ein Foto zukommen lassen, das ich von ihm 1972 im Jesus-Gewand in der Negev-Wüste gemacht hatte. Gleich nach der ersten von fünf ausverkauften Vorstellungen mit 10.000 begeisterten Zuschauern trafen wir uns backstage. Es gab viel zu erzählen. Hier leider nur ein kurzer Ausschnitt unseres Gesprächs.

Der vielseitige US-amerikanische Künstler, der als Schauspieler, Sänger, Songwriter und Produzent weltbekannt geworden ist, hat 5.000 Mal die Hauptrolle in „Jesus Christ Superstar“ gespielt. Und wie verstand der Jesus-Darsteller selbst seine Titelrolle? Jede Vorstellung sei für ihn eine brandneue Erfahrung, die seine Seele berühre und ihn mit dem Publikum verbinde. Wie im Paradies gehe er auf der Bühne spazieren und werde therapiert.

Auf seine Glaubensbeziehung zu Jesus Christus angesprochen, bekannte Ted: „Mein Verhältnis zu ihm ist noch intensiver und tiefgründiger geworden. Jesus ist für mich nicht nur am Kreuz gestorben, sondern auch vom Tode auferstanden, auch wenn seine Auferstehung in der Rockoper nur angedeutet wird.“

Ted Neeley im Jahr 2008 (Archivbild) Foto: Phil Konstantin/Public Domain
Ted Neeley im Jahr 2008 (Archivbild)

Zu den ergreifendsten Szenen gehört die Geißlung Jesu mit 39 Peitschenhieben, eingerahmt von Schreckensbildern der Menschheitsgeschichte, die im Hintergrund auf einer Maxi-Leinwand liefen: von Auschwitz bis zur Tragödie des 11. September, von den Verbrechen der Mafia bis zu grausamen Gewalttaten und Hungerkatastrophen. Jeder Peitschenhieb, jeder Schmerz Jesu, wird durch solch ein Bild für uns lebendig und nachvollziehbar gemacht. Wo war Gott? Am Kreuz! Aber es gibt Hoffnung durch seine Auferstehung.

Voller Bewunderung sprach Ted von seinem Besuch im Kölner Dom. Ich gab ihm zu bedenken, dass der Dom von den meisten Besuchern wohl mehr als Museum und weniger als Gotteshaus angesehen wird. Was würde er als Erzbischof von Köln den Christen in den Pfarreien raten, damit die Menschen wieder für die Christusbotschaft gewonnen werden? „Die Menschen müssen uns Christen wahrnehmen als Lichtträger und Vorbilder, die von der Liebe Jesu ergriffen sind und diese Liebe auch untereinander praktizieren“, sagte der Jesus-Darsteller.

Papst Franziskus: „Macht weiter so!“

Neely erinnerte sich an die erste Aufführung der Rockoper im September 2014 in Europa im „Teatro Sistina“ in Rom: „Papst Franziskus hat die Proben spontan besucht und war so ergriffen, dass er uns anschließend gesegnet hat. Mich ermutigte er, indem er sagte: ,Macht weiter so, ihr verkündigt dieselbe Jesus-Botschaft wie wir in der Kirche.‘“ Als der gleichnamige Film „Jesus Christ Superstar“ in die Kinos kam, sagte der damalige Papst Paul VI: „Ich glaube, dieser Film wird mehr Menschen in der ganzen Welt mit dem Evangelium bekanntmachen als irgendein anderes Medium.“

Verfilmung von „Jesus Christ Superstar“: Ted Neeley als Jesus und Yvonne Elliman in der Rolle der Maria Magdalena Foto: Public Domain
Verfilmung von „Jesus Christ Superstar“: Ted Neeley als Jesus und Yvonne Elliman in der Rolle der Maria Magdalena

Trotz wiederholter bis heute andauernder Proteste, die Rockoper sei ein gotteslästerliches Werk, betonten die Repräsentanten der Kirchen stets: „Das Musical ist nicht nur eine monströse Show, sondern auch ein christliches Glaubensbekenntnis im Rhythmus unserer Zeit.“ Missverständnisse sind nicht ausgeschlossen, wie Neely beklagte. Mit zwiespältigen Gefühlen habe er zu kämpfen, wenn er an manche Fans denke, die ihn abgöttisch verehren: „Mütter bringen ihre Kinder zu mir, um ihnen die Hände aufzulegen und sie zu segnen. Manche Zuschauer umarmen mich mit den Worten: ,Du bist mein Jesus geworden.‘ Es ist schwer, ihnen begreiflich zu machen, dass ich nur ein Rock‘n‘Roller bin, mehr nicht. Ich will nur Jesus groß machen.“

In der Rockoper protestiert Judas, dass Jesus die verachtete Prostituierte Maria Magdalena in seinen Jüngerkreis aufnimmt. Von der fürsorgenden Liebe Jesu überwältigt, die sie nicht verstehen kann, singt sie „I don´t know how to love him“. Ich fragte Ted, ob er wisse, wie man Jesus lieben kann. Spontan antwortete er: „Er beschenkt mich mit seinem Frieden und mit seiner Liebe, die ich an andere Menschen weitergeben möchte. Es ist so schön, jeden Tag ihm zu danken für meine schauspielerische Aufgabe, Jesus zu verherrlichen. Mein größter Wunsch wäre, noch einmal 5.000 Mal die Jesus-Rolle spielen zu dürfen.“

Günther Klempnauer: „The Show Must Go On – Legenden und Idole entdecken Gott“, St. Benno Verlag, 232 Seiten, 19,95 Euro, ISBN: 9783746255798 Foto: St. Benno Verlag
Günther Klempnauer: „The Show Must Go On – Legenden und Idole entdecken Gott“, St. Benno Verlag, 232 Seiten, 19,95 Euro, ISBN: 9783746255798

Von: Günther Klempnauer

Dieser Text (leicht gekürzte Version) stammt aus dem neuen Buch „The Show Must Go On“ (St. Benno Verlag) vom Buchautor, Theologen und TV-Moderator Günther Klempnauer. Darin berichtet er, was sich hinter den Kulissen der Showbühne abspielt. Er zieht Bilanz aus in fünf Jahrzehnten geführten Gesprächen mit Rockidolen, Film- und Theaterdarstellern, Models, Popstars und Moderatoren wie Thomas Gottschalk, Johnny Cash, Peter Maffay, Johannes Heesters, Ursula Buchfellner oder Udo Lindenberg. Wir danken dem Autor für die freundliche Abdruckgenehmigung.

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