Meinung

Jetzt werben die Christen auch noch für Feindesliebe

Ein christlicher Werbeclip während des Super Bowls sorgt für Kritik. Zu Recht?
Von Nicolai Franz

Der Super Bowl ist nicht nur das größte Football-Event der Welt, sondern auch eine gigantische Marketingplattform. Montagnacht war es wieder so weit. Als Sieger vom Platz gingen die Kansas City Chiefs.

Doch auch andere Ereignisse sorgten für Schlagzeilen, zum Beispiel ein christlicher Werbespot einer Aktion, die „He Gets Us“ heißt. Ein Clip zeigt zum Beispiel den Hass von Menschen aufeinander, am Ende heißt es: „Jesus liebte die Menschen, die wir hassen.“ Oder ein Video, in dem Kinder liebevoll miteinander umgehen: Ein schwarzes Kind umarmt ein weißes, ein Kind wischt einem Mann im Fernsehbildschirm eine Träne weg – entzückend – gefolgt vom Spruch: „Jesus wollte nicht, dass wir uns wie Erwachsene verhalten“.

Feindesliebe, einander helfen, nett zueinander sein, viel harmloser geht es eigentlich nicht. Doch natürlich klingt das alles irgendwie evangelikal, und das ist für manche Kritiker wohl Grund genug, besonders genau hinzuschauen. 

Und so zitiert der Spiegel das linke US-Magazin Jacobin (der Name hat angeblich nicht wirklich etwas mit den radikalen Jakobinern der Französischen Revolution zu tun) mit der Recherche, die Organisation hinter He Gets Us, nämlich die Servant Foundation, habe einer anderen Organisation, nämlich dem Alliance Defending Freedom (ADF), die beträchtliche Menge von 50 Millionen Dollar gespendet. Und ADF, das sei „eine der größten rechten christlichen Gruppen“, schreibt der Spiegel, die sich gegen LGBT-Rechte und Abtreibung einsetze.

Macht das die Aktion falsch oder verwerflich? Tatsächlich finden sich etwa in dem ersten Videoclip, der Feindesliebe propagiert, auch eindeutig als Trump-Unterstützer erkennbare Amerikaner. Auch ihnen gilt die Botschaft: Liebt eure Feinde. Und da He Gets Us die erwartbare Welle an Kritik für ihre Jesus-Liebe-Aktion erhielt, gehen die Organisatoren auch auf den Vorwurf ein, sie verfolge in Wahrheit eine Agenda. Deren Antwort: Ja, natürlich. „Unsere Agenda ist, die Liebesgeschichte von Jesus neu zu entdecken. Christen, Nicht-Christen und alle dazwischen. Wir alle.“

Der Grund dafür sei, so die Initiatoren, die tiefe Spaltung, die die USA gerade erleben. He Gets Us habe sich sehr mit der Gesellschaft beschäftigt und dem Bild, das von Jesus und dem Christentum gezeichnet würde. „Von der Politik über Sexualität bis zu Religion haben viele von uns das Gefühl, dass unsere Werte, Überzeugungen und Identitäten von den ideologisch ‚Anderen‘ um uns herum angegriffen werden.“ Mit „uns“ sind mitnichten nur Christen gemeint, sondern alle Menschen. Auch die, die sich als Christen bezeichnen und doch Hass säen.

Den millionenteuren Werbeclips der Christen kann man also als Appell verstehen, sich auf die Liebe von Jesus Christus einzulassen. Und zwar auch und gerade die, die sich als Christen verstehen. Schließlich sollte es ihnen doch am wichtigsten sein. Die Aktion hat damit ganz offenbar in ein Wespennest gestochen. Die scharfen Reaktionen beweisen nur, dass ihr Aufruf umso wichtiger ist. 

Denn das Christentum wird spätestens seit den Trump-Jahren von vielen Amerikanern als heuchlerisch, sogar rassistisch und nationalistisch wahrgenommen. 

Was Jesus dazu wohl sagen würde? Genau diese Frage stellen die Clips von He Gets Us. Und deswegen ist es gut, dass sie auf dem Super Bowl gelaufen sind.

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3 Antworten

  1. Netter Versuch, aber warum haben wir dann in den USA nicht eine andere Politik, wenn das viele dort so sehen? Vom Umgang miteinander im Netz angefangen bis zu America first geht doch alles in den Staaten in eine andere schlechte Richtung. Der Grund ist ganz einfach ähnlich wie hier in Deutschland. Die Amerikaner haben die Verknüpfung derGrundlagen ihres Staates mit dem biblischen Ursprung verloren. Wenn Demokratien diesen Zusammenhang verlieren und sich in dem Umfang Individualisierung breit macht und keine übergeordnete Ordnung mehr akzeptiert wird ist das eine massive Schädigung von demokratischen Staaten. In Asien hat man das schon lange erkannt. Dort ist bei vielen Analysten das westliche System dem Niedergang geweiht. Wir erkennen das im Westen nicht und wundern uns dann wenn uns so wenige Staaten im Ukrainekrieg vorbehaltlos beispringen. Wir sind im Westen leider als Falschfahrer unterwegs und merken es nicht einmal….

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  2. @Matze
    Sie schaffen es immer und immer wieder mit perfider Nonchalance die westlich-liberalen Demokratien madig zu machen.
    Aber auch dieses Mal gebricht es an logischer Konsistenz.
    Es sind doch gerade diejenigen, die so vehement ihre fundamentalistische Ideologie als biblische Wahrheit ausloben, die dann massiv antidemokratische Tendenzen unterstützen: in den USA, in Basilien. in Polen (in reaktionär katholisch-traditionalistischer Variante), in Russland (im Verbund mit der Orthodoxie) u.a.m. Sind dann am Ende die nichtreligiös-liberalen Bürger schuld, dass sich christliche Reaktionäre in faschistoide und antidemokratische Gedankensphären verabschieden?
    In der westlichen Außenpolitik ist ziemlich vieles schlecht gelaufen und wirtschaftliche Interessen haben in der Nachkriegsordnung enorm viel Vertrauen versehrt. Alledings sind die westlichen Demokratien nicht „als Falschfahrer unteregs“, aber in westlichen Demokratien gibt es zahlreiche Falschfahrer, die das demokratische Modell immer und immer wieder madig zu machen suchen. Sie gehören dazu!
    Zum Beitrag: Die Video-Clips sind ganz hervorragend, sowohl ästhetisch als auch inhaltlich – ganz egal, wer sie auch finanziert haben mag!

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  3. Ich würde es so sehen. In der USA geht so etwas ein Werbespot für Jesus bei der EM in Deutschland wird es das so eher nicht geben. Es ist immer gut für Jesus Christus zu werben genau das ist der Auftrag an uns Christen. Was mich immer wundert ist unsere deutsche Besserwisserei gegenüber der USA. Immerhin die längste Demokratie der Welt mit allen Problemen die es dort gibt. Wenn man sich das Geschichtsbuch der letzten 100 Jahre von Oldgermany ansieht sollte man da lieber still werden. Prüft alles das Gute behaltet.

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