Immer so negativ

Wenn Medien über den Islam berichten, zeichnen sie ein vorwiegend negatives Bild von der Religion. Das belegen Studien schon seit Jahren. Christliche Medien machen es kaum anders.
Von Jonathan Steinert
Ein Moslem bei seinen religiösen Ritualen

Er passt nicht zur Demokratie, er ist rückschrittlich, unterdrückt Frauen, seine Anhänger sind tendenziell gewaltbereit. Diese pauschalen Urteile gegenüber dem Islam sind bei den Deutschen weit verbreitet. Mehr als die Hälfte der deutschen Bevölkerung empfindet ihn als Bedrohung, ergab der Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung 2019.

Viele Menschen nähmen den Islam heute gar nicht mehr als Religion wahr, „sondern als tendenziell demokratiefeindliche und extremistische Ideologie“, heißt es weiter. Forscher gehen davon aus, dass die Berichterstattung über Muslime und den Islam einen entscheidenden Anteil daran hat. Besonders seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 fällt der größte Teil der Berichterstattung über den Islam negativ aus.

Der Kommunikationswissenschaftler Kai Hafez sagt: Problematisch sei weniger, was berichtet wird, sondern dass vieles nicht vorkomme. Eine Langzeitauswertung des Instituts „Media Tenor“ zeigt, dass der Islam in den vergangenen zehn Jahren die Religion war, über die deutsche Medien am häufigsten berichteten – vorwiegend im Zusammenhang mit Terrorismus und Fragen der inneren Sicherheit.

Islam wird schlechter bewertet als Katholische Kirche

Seit der Macht­übernahme der Taliban in Afghanistan und den Protesten im Iran nehmen Medien in den vergangenen zwei Jahren auch Frauenrechte stärker in den Blick. In diesem Zeitraum hat zwar die Katholische Kirche – vor allem wegen der Missbrauchsfälle – den größeren Anteil an der Religionsberichterstattung abbekommen inklusive eines negativen Medienimages. Doch der Islam wird von den Medien nach wie vor noch deutlich schlechter bewertet.

Im Auftrag des „Unabhängigen Expertenkreises Muslimfeindlichkeit“, den das Bundesinnenministerium vor drei Jahren eingesetzt hat, untersuchte eine Studie nun auch, inwiefern christliche Medien muslimfeindlich berichten. Katholische Medien wie die „Tagespost“, „Domradio“ und „katholisch.de“ wurden ebenso ausgewertet wie „chrismon“, „idea“ oder auch PRO. Die Forscher von der Universität Bremen haben allerdings keine umfassende, standardisierte Inhaltsanalyse durchgeführt, sondern mit einer qualitativen, stärker interpretierenden Analyse nach potenziell problematischen Darstellungen gesucht. Dabei sind sie – wenig überraschend – fündig geworden.

Das Team um die Religionswissenschaftlerin Gritt Klinkhammer differenziert dabei zwischen inhaltlichen Aussagen über den Islam und Techniken, wie über den Islam und Muslime gesprochen wird. Zu diesen Techniken gehört etwa die Auswahl derjenigen, die zu Wort kommen: Wenn Muslime in den untersuchten christlichen Medien selbst zu Wort kommen, dann meist Vertreter eines säkularen oder liberalen Islams. Die würden dann quasi als Kronzeugen angeführt, um den Islam zu kritisieren. Darauf baue teilweise eine grundsätzliche Ablehnung von Muslimen anderer Strömungen auf.

Tendenz, den Islam in negativen Kontexten zu erwähnen

Durchschnittliche Muslime und ihr Glaube kämen jedoch nicht vor. Ähnlich sei es auch bei der Auswahl der Themen: Hier gebe es, ähnlich wie auch in säkularen Medien, eine Tendenz dazu, den Islam vor allem in negativen Kontexten zu erwähnen wie Ex­tremismus oder Problemen bei der Integration. Die Forscher betonen, dass dies nicht unbedingt Ausdruck von bewusster Islamfeindlichkeit und „antimuslimischem Rassismus“ sein müsse, aber sie zumindest befördern könne.

Thematisch identifiziert die Studie islamfeindliche Muster etwa dort, wo der Islam als Bedrohung für die westliche Welt, Muslime als Gefahr für die Gesellschaft dargestellt werden – insbesondere wenn dies in Verbindung mit Verschwörungserzählungen von einer Islamisierung und einem gesteuerten „Bevölkerungsaustausch“ einhergeht. Problematisch sehen die Forscher aber auch, wenn der Islam verantwortlich gemacht wird für Probleme, die auch andere Bereiche der Gesellschaft betreffen und zum Teil komplexe Ursachen haben: zum Beispiel Probleme bei der Schulbildung von Migranten, Sexismus gegenüber Frauen oder Antisemitismus.

Die Studie findet verschiedene Beispiele dafür, wie durch Formulierungen oder einen bestimmten inhaltlichen Fokus Gegensätze aufgebaut werden: „Wir“ und „Die“. Das Eigene werde dabei aufgewertet, während das Andere, der Islam, eine Herabsetzung erfahre. So ist es nach dem Konzept des „antimuslimischen Rassismus“ zu verstehen. Zugleich würden Muslime teilweise als eine einheitliche, klar abgrenzbare Gruppe gesehen, ohne die vielfältigen Ausprägungen und individuellen Formen des Glaubens zu berücksichtigen.

Differenzierte Kritik und Lösungen im Blick

Ein besonderes Augenmerk legt die Studie in dem Zusammenhang auch auf die Berichterstattung über verfolgte Christen. Ein Thema, das auch für PRO eine wichtige Rolle spielt, wie die Forscher feststellten. Kritisch sehen sie, dass hierbei Muslime allgemein als „böse“, als potenzielle Täter, Christen als friedlich und als Opfer überbetont würden. Andere Gruppen, die ebenfalls diskriminiert werden, oder Muslime, die friedlich mit Christen zusammenleben, kämen hingegen nur am Rande vor.

Die „sehr ausgeprägte Betonung“ einer zunehmenden Christenverfolgung in islamischen Ländern schließe „implizit an Islamisierungsnarrative“ an. Die Forscher mahnen an, mehr zu differenzieren, den Kontext von Diskriminierung genauer zu beleuchten und Täter konkret zu benennen, statt verallgemeinernd Muslime verantwortlich zu machen.

Die Studie wirft ein an vielen Stellen erhellendes Licht auf Muster in der Berichterstattung, die Stereotype bedienen, Aussagen über Muslime unzutreffend verallgemeinern oder komplexere Probleme auf wenige Aspekte zuspitzen. Hier müssen Journalisten sensibel bleiben – auch in Bezug auf andere Gruppen.

Unklar bleibt jedoch, wo genau Muslimfeindlichkeit oder „antimuslimischer Rassismus“ beginnt und wo Berichte durch ihre Sprache oder ihren Fokus „nur“ mögliche Anknüpfungspunkte dafür bieten. Diese grundsätzliche Möglichkeit lässt sich kaum völlig ausschließen. Die Studienautoren betonen, dass legitime Kritik an Sachverhalten nicht infrage steht, sofern dies differenziert geschieht, genügend Kontext einbindet und auch Lösungen im Blick hat.

Der Diskurs leidet

Aber fördert es automatisch eine abwertende Haltung gegenüber Muslimen, wenn die Lösungsperspektive fehlt oder wenn ausgewiesene Islamkenner sich zu problematischen Erscheinungsformen der Religion äußern? Ist es tatsächlich potenziell antimuslimisch, wenn christliche Medien ihren Fokus auf diskriminierte Christen richten, ohne über andere unterdrückte Minderheiten zu schreiben oder die problematischen Aspekte von Missionierung zu beleuchten? Schließlich hat jeder journalistische Beitrag einen inhaltlichen Fokus und kann nur Ausschnitte der Welt zeigen.

Die theoretisch gezogene Schwelle zu „antimuslimischem Rassismus“ ist so niedrig, dass es schwer ist, nicht an der einen oder anderen Stelle darüberzufallen. Insofern ist fraglich, wie hilfreich dieses Konzept in der Praxis ist. Zugleich erleben Publizisten und Wissenschaftler, die sich kritisch mit islambezogenen Themen auseinandersetzen, persönliche Anfeindungen. Im September teilte der ARD-Journalist Constantin Schreiber mit, sich aus diesen Gründen nicht mehr zu Islam-Themen äußern zu wollen. Zuvor war er bei einer Lesung mit einer Torte beworfen und als Rassist beschimpft worden.

Schreiber hatte unter anderem Sendungen wie „Inside Islam“ produziert und einen Roman geschrieben, in dem eine Muslima Bundeskanzlerin werden will. Die „Spiegel“-Journalistin Katrin Elger beklagte jüngst, dass sich jeder Artikel über den Islam „wie ein Gang über ein Minenfeld“ anfühle, „egal, wie man ihn intoniert“. Wenn sich Menschen mit streitbaren Positionen aus dem Diskurs zurückziehen oder Journalisten, die sich erkennbar um differenzierte Darstellung bemühen, davor sind, sich selbst zu zensieren, ist das ebenso problematisch.

Übrigens: Der Bertelsmann-Religionsmonitor ermittelte, dass gut 90 Prozent der Muslime in Deutschland die Demokratie für eine gute Regierungsform halten. Damit unterscheiden sie sich kaum von Christen, allerdings leicht von religiös Ungebundenen: Von denen stimmten dem nur 83 Prozent zu.

Der Artikel ist erstmals in der Ausgabe 5/2023 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen.

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