Im Dienst der Schöpfung

Die Auswirkungen des globalen Klimawandels werden auch hierzulande immer deutlicher. Christen haben eine Verantwortung für diese Erde und sie können etwas tun zum Erhalt der Umwelt. Das gibt Hoffnung.
Von PRO
Gläubige verschiedener Religionen sehen die Schöpfung als ein Geschenk von Gott an

Im Sommer 2022 führte ein außergewöhnlich starker Mon­sunregen zu großflächigen Überschwemmungen in Pakistan. Mehr als 33 Millionen Menschen waren durch die Flut gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Das Hochwasser verschlang etwa 1.700 Menschen, Hab und Gut, sowie das Vieh. Im gesamten Süden des Landes mangelt es seitdem an Nahrungsmitteln, sauberem Trinkwasser und Unterkünften. Bis heute.

An anderen Orten der Erde werden Mensch und Nutztiere zu Opfern jahrelanger Dürre. Kevin Ouma dokumentiert als Autor und Fotograf für das christliche humanitäre Hilfswerk Compassion die Dürrekatastrophe in Kenia. Seit etwa fünf Jahren hat es in dem Land kaum noch geregnet. Weil Flüsse und Wasserstellen austrockneten, sind die Ernten der Kleinbauern ausgefallen.

Wegen der Wasserknappheit verendet auch das Vieh. „Tiere sind alles für uns“, erklärt die Witwe Eunice gegenüber Ouma. „Wir bekommen von ihnen Milch und Fleisch für den Eigenbedarf und für den Verkauf, um unseren täglichen Bedarf zu decken.“ Aber ihre Familie in Kimanjo in Zentral-Kenia hat durch die Dürre bereits zwölf Schafe und drei Ziegen verloren, mehr als ein Drittel der ursprünglichen Herde mit 40 Tieren. In Laikipia hat es seit 17 Monaten nicht mehr geregnet.

Im September 2021 erklärte der kenianische Präsident die Dürre, von der die Hälfte des Landes betroffen ist, zur nationalen Katastrophe. Millionen Kenianer sind vom Hunger bedroht oder auf Hilfe angewiesen.

Europa hat im zurückliegenden Sommer ebenfalls eine außerordentliche Dürre und Hitze erlebt. 2022 war der erwiesenermaßen heißeste Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland und Europa – mit heftigen Folgewirkungen und Schäden. „Wenn Ressourcen knapp werden, entstehen Konflikte und Kriege. Gerade am Thema Wasser lässt sich das weltweit schon aufzeigen“, erklärt Elisabeth Naurath, Vorstand von „Religions for Peace Deutschland“.

Die Professorin für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts der Universität Augsburg sieht daher den Schutz der Umwelt und der natürlichen Ressourcen als ein grundlegendes Anliegen aller Religionen: Engagement für Umweltschutz dient aus Sicht der Theologin letztlich dem Frieden.

Naurath betont, dass die abrahamitischen Religionen ein schöpfungstheologisches Fundament teilten, auch in allen anderen Religionen gebe es eine Schöpfungsspiritualität. Das sei ein verbindendes Glied beim Umweltschutz. „Wir haben eine Verantwortung für die Schöpfung, die uns als Geschenk und Aufgabe von Gott gegeben ist.“ Die Gottesbeziehung habe Konsequenzen für die Beziehung zum Nächsten, aber eben auch zur Umwelt. Die Weltreligionen begegneten sich trotz unterschiedlicher Theologien in dem Wissen um die Natur als Mit-Welt, für die der Mensch in der Verantwortung stehe.

Menschen haben Einfluss auf das Klima

„Klimagerechtigkeit ist aus christlicher Perspektive ein sehr wichtiger Punkt“, sagt Naurath. Dass die Industrienationen am meisten CO₂ ausstießen, aber noch relativ wenig betroffen seien von den Folgeschäden des Klimawandels, sei den meisten mittlerweile bekannt. „Länder und Kontinente, die massiv betroffen sind, obwohl sie weniger Schäden verursacht haben und sie damit weniger Schuld trifft, sollten aus christlicher Verantwortung heraus auch stärkere Unterstützung bekommen.“

Die Klimaveränderungen werden immer sichtbarer und können zweifelsohne auf menschliche Einflüsse zurückgeführt werden, erklärt der Deutsche Wetterdienst. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts haben sich die oberflächennahen Luftschichten der Erde deutlich erwärmt. Folge sind weltweit steigende Temperaturen und Meeresspiegel sowie extreme Wetterereignisse.

Auswirkungen des weltweiten Klimawandels waren im Sommer 2021 hierzulande auf schmerzliche Weise zu spüren. Das Tiefdruckgebiet „Bernd“ überzog mit schweren Regenfällen Teile Mitteleuropas. In mehreren Flussgebieten rissen Sturzfluten Menschen in den Tod und verursachten Überschwemmungen mit Schäden in Milliardenhöhe. Alleine im rheinland-pfälzischen Landkreis Ahrweiler an der Ahr – in der Region waren 150 bis 200 Liter Regen pro Quadratmeter binnen 48 Stunden gefallen – forderte das Hochwasser 133 Menschenleben.

Experten bekräftigen: Wetterextreme werden durch den Klimawandel wahrscheinlicher. Die globale Erderwärmung liegt laut dem Weltklimarat im vergangenen Jahr bei 1,2 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Bei der UN-Klimakonferenz 2015 in Frankreich haben sich 195 Staaten auf das Pariser Klimaabkommen geeinigt. Sie beschlossen, alle politischen Anstrengungen unternehmen zu wollen, um die Erderwärmung bis 2100 auf 1,5 Grad zu halten. Diese Erklärung galt als Durchbruch der internationalen Klimapolitik. Klimawissenschaftler mahnen jedoch an, dass das 1,5-Grad-Ziel bereits im Jahr 2026 überschritten werden könnte.

Der Klimawissenschaftler und Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, Mojib Latif, fordert in einem Interview des Deutschlandfunks alle Religionen zum Klimaschutz auf. „Die Kirchen müssen an der Spitze der Bewegung stehen. Wenn die vielen Anhänger der Weltreligionen versuchen etwas zu verändern, werden wir die gewaltigen Aufgaben bewältigen.“ Latif betont, dass eine globale Lösung gefunden werden müsse, denn der Klimawandel sei nur global zu lösen. Er fordert daher: „Es braucht eine Massenbewegung.“

Klimaschutz ist keine Ideologie

Warum sperren sich manche Christen beim Thema Klimaschutz? Eine Ursache sieht der evangelische Theologe Heinrich Christian Rust in der Tradition der Reformatoren, die daran glaubten, dass diese Erde vergeht, bevor die neue Schöpfung kommt. Diese Ansicht gebe es nach wie vor, anders als in der orthodoxen Frömmigkeit, die ebenso wie die Katholische Kirche eine These der Verwandlung vertrete.

„Wenn Jesus sagt, dass die Welt untergeht, deute ich das so, dass das Diabolische, das Teuflische dieser Welt untergeht – nicht die ganze Schöpfung. Das Reich Gottes, das in Christus da ist, wird Bestand haben. Alles, was Gott gut gemacht hat, wird verwandelt werden in dieser neuen Schöpfung.“ Die Texte der Bibel einmal anders zu lesen und wie ein Großteil der Christenheit als Verwandlung zu deuten und nicht als einen radikalen Bruch, stelle viele protestantische Christen vor Herausforderungen.

Interpretationen, nach denen Gott letztlich die bereits wankende Erde zerstören wird, wertet Rust für biblisch nicht haltbar. „Gott hat uns Menschen eine Mitverantwortung für diese Erde gegeben“, sagt Rust. Die Texte der Genesis wiesen auf eine Schöpfungsverantwortung hin. „Ich verstehe das ‚Herrschen‘ im Schöpfungsbericht im Sinne Jesu als ein Dienen.“ Es liege zudem nahe, die Erde zu pflegen. „In der Bibel steht nicht, dass der Mensch die Erde ausnehmen soll oder gar kaputtmachen.“

Christen stünden in der Solidarität mit der Menschheit, sich um diese Erde zu kümmern – „solange wir leben. Gott hat diesen Auftrag nie zurückgenommen“, sagt Rust. Im Gegenteil: „Er hat etwa im Bund mit Noah bestätigt, dass er selber seinen Teil zum Erhalt der Erde beiträgt, solange die Erde steht.“ Sich als Christ für Klimaschutz zu engagieren, bedeute nicht, irgendeine Ideologie zu teilen oder religiöse, pantheistische Sichtweisen, die die Natur als Gottheit ansehen. 



Tipps für ein klimafreundlicheres Leben:

  1. Mit Fahrrad, Bus oder Bahn zur Arbeit: Wer fünf Kilometer Arbeitsweg mit dem Fahrrad zurücklegt, spart rund 310 Kilogramm CO₂ im Jahr. Gerade bei kurzen Wegen in der Stadt ist man mit dem Rad oder zu Fuß oft sogar schneller als mit dem Auto.
  2. Weniger Fleisch essen: Eine vegetarische Ernährung spart pro Person 300 bis 400 Kilogramm CO₂ im Jahr, das sind 30 Prozent.
  3. Lebensmittel aus der Region und der Saison: Saisonale und regionale Lebensmittel müssen nicht um die halbe Welt fliegen und schützen so das Klima. Viele Sorten Gemüse und Obst lassen sich zu Hause anpflanzen.
  4. Second-Hand: Wer Gegenstände und Kleidung lang nutzt und aus zweiter Hand kauft, tut nicht nur dem Geldbeutel einen Gefallen, sondern auch dem Klima.
  5. Wasser sparen: Nur drei Prozent des Wassers auf der Welt sind Süßwasser. Wer Wasser spart, tut dem Klima etwas Gutes. Duschen statt Baden, oder beim Zähneputzen den Wasserhahn nur kurz aufdrehen.
  6. Energie sparen: Nur in den Zimmern das Licht einschalten, in denen man sich aufhält. Elektrogeräte ausschalten, wenn sie nicht genutzt werden. Hier gilt: Gut für den Geldbeutel, gut fürs Klima.
  7. Müll richtig trennen: Recycling trägt zum Klimaschutz und zur Schonung von endlichen Ressourcen bei.

Der Verein Micha Deutschland trägt als Bewegung und Netzwerk Fragen der Schöpfungsverantwortung, der Gerechtigkeit und der globalen Nächstenliebe in christliche Gemeinden. Während die „Letzte Generation“ und andere Protestbewegungen beim Schmerz und der Wut über den Klimawandel bleiben, will diese Initiative bewusst Hoffnung machen. „Unser christlicher Glaube an eine bessere Welt ist eine Superkraft“, erklärt Micha-Referentin Franziska Dickmanns. „Die Zuversicht auf positive Veränderungen hin zu einer klimafreundlichen – und damit gerechteren – Welt, und an eine unendliche Hoffnung, sind im christlichen Glauben an sich begründet.“

Wie diese Hoffnung konkret wird, zeigt das Beispiel von Tony Rinaudo. Der Mitarbeiter des christlichen Hilfswerkes World Vision hat mit einer selbst entwickelten Wiederaufforstungstechnik Millionen Hektar Wald aus Wurzelsystemen von Bäumen herangezogen, die im afrikanischen Wüstensand verborgen waren. Die Bäume binden CO₂, was dem Klima nützt, und sie spenden Schatten. So verdunstet weniger Wasser und im Boden können Gemüse und Getreidepflänzchen als Nahrung für Mensch und Vieh gedeihen.

Norbert Schäfer und Johannes Schwarz

Dieser Artikel erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe 1/2023 des Christlichen Medienmagazins PRO. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen oder digital anschauen.

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