„Ich hab’ dem Herrgott alles zu verdanken“

Als Fußballer hat er bei „seinem“ 1. FC Köln Legendenstatus. Er gewann 1974 die WM und hatte auch nach seinem Karriereende ein gutes und erfolgreiches Leben. Bei allen Erfolgen erdet Wolfgang Overath die Beziehung zu „seinem Herrgott“.
Von Johannes Blöcher-Weil
Der frühere Fußball-Profi Wolfgang Overath in seinem Büro in Troisdorf

PRO trifft Wolfgang Overath in seinem Büro in Troisdorf. 80 Jahre ist er alt, wirkt aber immer noch voller Energie. Sofort ist er mit den Reportern per Du. Und erzählt bereitwillig aus seinem Leben. Sein Elternhaus hat Wolfgang Overath in vielerlei Hinsicht geprägt. Als eines von acht Kindern wächst er in bescheidenen Verhältnissen auf. Der Junge lernt früh, sich durchzuboxen und mit einem bedingungslosen Willen etwas zu erreichen: im Sport und im Leben danach.

Prägend war und ist für den Ex-Profi aber auch die katholische Kirche. Overath war Messdiener und für die Familie der Gottesdienstbesuch am Sonntag eine Selbstverständlichkeit: „Die Bindung zum Glauben war einfach da.“ Dass er einmal einer der größten deutschen Fußballer aller Zeiten werden würde, dafür ist Overath seinem „Herrgott“ dankbar. „Ihm habe ich alles zu verdanken.“

Sein sportliches Talent nutzt er – und lernt bald die Sonnenseiten des Lebens kennen. Er erreicht so ziemlich alles, was man im Leben erreichen kann. Als Sportler holt er viele Titel. Später ist er in der Immobilienbranche sehr erfolgreich. Rückschläge gibt es für den authentischen und geradlinigen 80-Jährigen wenige.

Früh war Overath ein Vorbild für andere. Als junger Profi, der „null Ahnung vom Profi-Geschäft“ hat, ist ihm das zunächst nicht bewusst. In seiner ersten Bundesliga-Saison mit dem 1. FC Köln spielt er alle Spiele, wird Deutscher Meister – und bald Nationalspieler. Overath ist der einzige deutsche Spieler, der bei seinen drei WM-Berufungen alle Spiele absolviert hat und Erster, Zweiter und Dritter wurde.

WM-Titel 1974 ist der größte Erfolg

Ehrgeiz, der unbedingte Wille und das nötige Selbstbewusstsein sind entscheidende Faktoren auf dem Weg zum Erfolg. In seiner Titelsammlung ist – natürlich – die Weltmeisterschaft 1974 der größte Erfolg: „So etwas bleibt ewig hängen.“ Ein möglicher erster WM-Titel scheitert 1966 am umstrittenen Wembley-Tor, als der Schiedsrichter einen Treffer der Engländer gelten ließ, obwohl er gar nicht die Torlinie überschritten hatte: „Wenn ich erfahrener gewesen wäre, hätte ich mich sicher mehr aufgeregt“, sagt Overath mit einem Schmunzeln.

Am letzten Spieltag der Saison 1968 kämpft er mit dem 1. FC Köln um den Klassenerhalt: Es ist das einzige Mal in seiner langen Spieler-Karriere. Als Zweitliga-Spieler hätte er wenig sportliche Perspektiven gehabt. Deswegen buhlen andere Vereine um ihn. Aber Köln hält die Klasse – und Overath. Einen gehörigen Anteil an der lebenslangen Treue hat aber auch seine Frau Karin.

Fußballabschied eines großen Sportlers: Wolfgang Overath im Trikot der deutschen Nationalmannschaft am 17. Mai 1977. Eine Halbzeit spielt er für die Nationalmannschaft, eine für seinen 1. FC Köln (Foto: dpa Bilderarchiv)

Mit ihr ist er seit mehr als 50 Jahren verheiratet. Das Paar hat zwei leibliche Kinder, ein drittes haben sie adoptiert. Auch wegen der Familie bleibt er noch zehn Jahre in der Domstadt und beendet dort seine Karriere: „Mein ganzes Leben wäre ohne Karins Unterstützung nicht möglich gewesen. Sie nimmt sich lieber dreimal zurück, als irgendwo vorne präsent zu sein“, erklärt er.

Wie eng die familiäre Bindung ist, zeigt auch, dass Sohn Sascha, der nicht im näheren Umfeld wohnt, seit 20 Jahren täglich mit seiner Mutter telefoniert. Die beiden anderen Kinder wohnen nur 100 Meter vom Haus der Overaths entfernt und besuchen einander oft. Overath weiß, dass er bei Bayern München sicher das Dreifache hätte verdienen können. Aber er bleibt dort, wo er sich am wohlsten fühlt: im Rheinland.

Über einen Wechsel macht er sich noch einmal am Ende seiner Karriere Gedanken. Die Manager der US-amerikanischen „Soccer-League“ wollen ihn in die USA lotsen. Der Besitzer der Mannschaft aus Chicago reist fünfmal nach Köln, um ihn zu überzeugen: „Dort hätte ich in drei bis vier Jahren so viel verdienen können, wie in meiner ganzen bisherigen Karriere in Köln.“

Overath entscheidet sich für die Familie und fasst in der Immobilienbranche Fuß: „Wenn ich Schulden gehabt hätte, hätte ich mich vielleicht vom Geld locken lassen müssen. Aber mir ging es gut.“ Im Rückblick hat er mit der Entscheidung seinen Frieden gefunden: „Hier hatte ich die Familie und Netzwerke.“ Der 80-Jährige wurde von vielen Großen seiner Zunft trainiert: von Sepp Herberger, Helmut Schön und Hennes Weisweiler und viele andere große Trainer mehr. Wer ihn am meisten beeindruckt hat, lässt er sich nicht entlocken.

„Vielleicht bringe ich den einen oder anderen ins Nachdenken.“

Wolfgang Overath

Alle Dinge, die auf dem Platz vorgefallen sind, aber Grenzen überschritten haben, waren für ihn nach Schlusspfiff vergessen. Overath, der als Spieler immer eine Halskette mit Kreuz getragen hat, bedauert, dass der Profi-Fußball früher noch nicht so weit war, um über den Glauben öffentlicher zu reden. Es war eben noch nicht die Zeit der Fußballer in Jesus-T-Shirts, die bereitwillig über Gott sprechen.

Während Spieler sich in Bezug auf ihren Glauben äußern sollen und dürfen, sollten sie sich bei politischen Stellungnahmen zurückhalten, findet er. Lange hat sich die Club-Legende dagegen gewehrt, als Funktionär für seinen FC aktiv zu werden. Die Overaths hatten gerade ein junges, brasilianisches Mädchen adoptiert, als ihn der Verleger Neven DuMont bekniete, Präsident des Vereins zu werden. Overath ließ sich in die Pflicht nehmen und erlebt ein Wechselbad der Gefühle.

Die Schattenseiten des Funktionärsamts

Er hilft dabei mit, dass die Begeisterung für den FC permanent wächst. Aus 10.000 werden bald mehr als 60.000 Mitglieder. Aber er lernt auch die Schattenseiten des Funktionäramts kennen. Viele Konflikte werden über die Boulevard-Medien oder hinter dem Rücken der Beteiligten ausgetragen. Trotz dieser Brisanz bewertet er die Zeit positiv: „Ich habe es gemacht, weil es mein Verein war.“

Heute lässt er es ein wenig ruhiger angehen: Er ist aber immer noch täglich im Büro in Troisdorf und kümmert sich um seine Immobilien. Heute beginnen seine Büro-Tage meistens erst gegen 11 Uhr. Dann arbeitet er den hohen Post-Stapel ab und telefoniert mit Geschäftspartnern. Vor allem nach der Wiedervereinigung war er beruflich stark gefordert, weil die Menschen im Osten die bekannten Spieler aus dem Westen sehen wollten. Aber Overath ist im Büro wie damals auf dem Platz ein Erfolgsmensch. Und einer, der vorangeht.

Wolfgang Overath, Sven Pistor, „Alleine kannst du nicht gewinnen“, Bonifatius, 192 Seiten, 20 Euro (Foto: Bonifatius-Verlag)

An diesem Freitagnachmittag ist das Telefon im Büro relativ still. In dem knapp 90-minütigen Gespräch klingelt es nur drei Mal, aber auf mehreren Kanälen. Noch immer gilt es, viele wichtige Entscheidungen zu fällen und dafür wird auch das Gespräch mit dem Journalisten unterbrochen. Mit einem verschmitzten Grinsen betont er, dass er wohl eher im Büro sterbe als zu Hause.

Overath freut sich darüber, wie fit er mit 80 Jahren noch ist. Zweimal in der Woche schnürt er noch selbst die Fußball-Schuhe und kickt mit ein paar jüngeren Mitspielern: „Ich bin Gott dankbar, dass ich so lange gesund leben konnte.“ Zu diesem Leben gehören auch seine täglichen Gebete, in denen er sich Gott anvertraut.

Er wirbt für Glauben und Kirche

Overaths sportliches Talent hat ihm ein Leben ohne finanzielle Sorgen beschert. Für ihn ist das aber auch gleichzeitig ein Auftrag, anderen zu helfen: „Wer auf der Sonnenseite des Lebens steht, sollte sich um die kümmern, die das nicht tun.“ Er selbst organisiert Weihnachtsfeiern für Obdachlose und sammelt nicht wenig Geld für bedürftige Menschen.

Der Ex-Profi bemängelt, dass die Menschen oft nach Orientierungspunkten suchten, diese aber immer weniger bei Kirchen finden. Er mache sich große Sorgen darum, warum die Bindungskraft der Kirche schwindet. Das sei ein Dilemma. Im Gespräch mit anderen wirbt er für den Glauben und die Kirche. Ob er damit Erfolg hat, weiß er in den seltensten Fällen: „Vielleicht denkt der eine oder andere nach.“

Auch in Interviews rund um seinen 80. Geburtstag oder in dem neuesten Buch, das über ihn erschienen ist, hat er aus seinem Glauben keinen Hehl gemacht und sich weit geöffnet. Der Glaube gebe Regeln vor, die das Zusammenleben deutlich erleichtern: „Sie hindern mich daran, meinem Gegenüber zu schaden.“ Es brauche Menschen, die offensiv über ihren Glauben reden. Aus seiner Sicht muss die Kirche vor allem nah bei den Menschen sein. Und ihre Mitglieder müssten Vorbilder sein. „Ich hoffe, dass ich den einen oder anderen dazu bewegen konnte, über den Glauben nachzudenken“, sagt er.

Der Artikel ist erstmals in der Ausgabe 1/2024 des Christlichen Medienmagazins PRO erschienen. Das Heft können Sie hier kostenlos bestellen.

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