Herr Heimowski, haben Sie etwas bewegt?

Nach sechseinhalb Jahren verabschiedet sich Uwe Heimowski als Politik-Beauftragter der Evangelischen Allianz. Im PRO-Interview zieht er Bilanz, berichtet von Erfolgen und verrät, weshalb er sich auf seinen neuen Job freut.
Von Martin Schlorke
Heimowski

PRO: Herr Heimowski, nach sechseinhalb Jahren beenden Sie Ihre Arbeit als Politik-Beauftragter der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD) und wechseln zu Tearfund. Was überwiegt: Abschiedsschmerz oder Vorfreunde?

Uwe Heimowski: Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge. Insgesamt arbeite ich seit 2000 in Ehrenämtern und dann hauptberuflich bei der EAD und 14 Jahre im politischen Berlin. Deswegen bemerke ich bei mir schon eine gewisse Traurigkeit. Alles andere wäre ja auch komisch.

Dennoch habe ich auch ein lachendes Auge – und zwar nicht nur wegen meiner neuen Aufgabe bei Tearfund. Denn die Allianz organisiert sich neu, bekommt mit Frank Heinrich gute Verstärkung und ist insgesamt in Berlin super aufgestellt. Außerdem geht die wichtige Arbeit der Allianz in Berlin weiter.

Auf Tearfund …

… freue ich mich sehr. Da erwartet mich ein sehr engagiertes Team. Es ist eine internationale Arbeit, bei der konkret etwas für Menschen bewegt wird. Und es ist für mich nochmal eine ganz neue Herausforderung. Auch in meinem Alter (lacht) muss ich nochmals viel Neues lernen und mehr auf Englisch kommunizieren. Darauf habe ich richtig Lust.

Dennoch: Warum haben Sie sich nun für einen Abschied von der EAD entschieden?

Es gab zwei ausschlaggebende Gründe. Zum einen eine gewisse Müdigkeit im Politikbetrieb. Zum anderen spielte meine Gesundheit eine Rolle, 2020 hatte ich einen Herzinfarkt. Die Taktung in Berlin ist einfach unfassbar hoch. Man muss immer schnell auf Entwicklungen reagieren. Zudem stand ich als Beauftragter im Scheinwerferlicht, und da hagelt es manchmal – vorsichtig formuliert – Kritik von vielen Seiten. Für den einen war ich zu fromm, für den anderen zu wenig fromm. Das ist der Gesundheit nicht dienlich.

Uwe Heimowski im Gespräch mit PRO-Redakteur Martin Schlorke

Sie sind ab 1. Mai Vorstandsvorsitzender von Tearfund Deutschland, haben also viel Verantwortung, und ihre Dienstreisen gehen dann bis nach Afrika. Das klingt weiterhin nach viel Stress.

Natürlich ist es eine große Verantwortung. Die trage ich aber gerne. Es gibt ja auch positiven Stress. Belastend war vor allem, dass man sich mit jeder Aussage als Beauftragter der EAD nach außen angreifbar macht. Das habe ich jetzt bei Tearfund in der Art und Weise nicht mehr. Bei den Reisen ist natürlich immer die Frage, wie man diese taktet. Ich werde ja auch weiterhin in Berlin und Deutschland unterwegs sein, gebe aber einige Ehrenämter auf, um mich auf meine Aufgabe bei Tearfund zu konzentrieren.

Warum Tearfund?

Wie gesagt: Tolle Menschen, konkrete Projekte – und ein überzeugendes Konzept: CCT – Church Community Transformation. Tearfund befähigt Gemeinden, die Gesellschaft positiv zu verändern. Das Zusammenspiel von Glaube und Gemeinsinn finde ich sehr gut. Zudem ist Tearfund eine Gründung der Evangelischen Allianz in Großbritannien, es gibt für mich also eine Kontinuität.

Frank Heinrich übernimmt gewissermaßen Ihre Aufgaben als Beauftragter in Berlin, ist aber auch Vorstand. Kann er der Herausforderung Berlin so überhaupt gerecht werden?

Frank Heinrichs Aufgabe muss man im Kontext der Strukturreform der EAD verstehen. Den Beauftragten der Allianz am Bundestag und bei der Bundesregierung gibt es so nicht mehr, wie übrigens auch den Generalsekretär nicht. Die politischen Aufgaben nimmt jetzt ein Vorstand wahr, der von den Mitarbeitern im Berliner Büro unterstützt wird. Man könnte also sagen, dass die Berlin-Aufgaben nun auf Vorstandebene, also höher angesiedelt sind.

Frank Heinrich hat zudem den Vorteil, dass er als ehemaliges Mitglied des Bundestags teilweise einfachere Zugänge zum und über ein großes Netzwerk innerhalb des Bundestags verfügt.

Also ist das jetzt sogar besser für die Berlin-Arbeit der Allianz?

Ob das eine oder andere besser ist, kann ich nicht sagen, das wird sich erst zeigen. Klar ist aber, dass es anders wird. In den ersten Jahren unserer Präsenz in Berlin war die Allianz ehrenamtlich vertreten. Später haben Wolfgang Baake und ich hier hauptamtlich gearbeitet. Jetzt gibt es erneut eine Veränderung. Alles hatte seine Zeit und seinen Charme. Insofern kann man das schlecht miteinander vergleichen.

Neben der Allianz sind auch die beiden großen Kirchen oder die Freikirchen im politischen Berlin durch Beauftragte vertreten. Warum braucht es vor Ort auch die Allianz?

Weil wir viele erweckliche Christen repräsentieren, deren Interessen sonst wenig Gehör fänden. Und es gibt immer wieder Themen, die kein Thema wären, wenn wir sie nicht zum Thema machen würden. Religionsfreiheit oder Lebensschutz zum Beispiel. Und manchmal hat unsere Arbeit auch sehr konkrete Auswirkungen.

Zum Beispiel?

Ich war 2020 auf Lesbos und habe mir dort die Situation der Menschen in den Flüchtlingslagern angeschaut. Zurück in Deutschland sollte ich beim Evangelischen Arbeitskreis (EAK) der CDU von meiner Reise berichten. Dort saßen Minister a.D. und ein Staatssekretär. Wenig später gab es das verheerende Feuer im Lager. Daraufhin rief der Leiter des EAK an und fragte mich, welche Hilfsmaßnahmen ich empfehle. Ich erzählte von den mehr als 1.000 jungen Müttern oder schwangeren Frauen, die Deutschland ja aufnehmen könnte. Und genau das ist dann passiert. Da war unsere Empfehlung zumindest ein Puzzlestein, um Menschen in Not zu helfen.

Gibt es auch eine Debatte, die Ihnen besonders negativ in Erinnerung geblieben ist?

Richtig frustrierend war für mich der Bereich des Lebensschutzes, beziehungsweise die Entwicklung des selbigen und das Unvermögen von Menschen, darüber zu diskutieren.

Mit Entwicklung meinen Sie die Abschaffung des Paragraphen 219a?

Genau. Da gab es einige Videos, die der Bedeutung des Themas nicht im mindestens gerecht werden. Auch, dass Paragraph 218 zur Debatte steht oder dass bei Schwangeren Bluttests für das Downsyndrom eingeführt wurden. In Deutschland werden kaum noch Kinder mit Downsyndrom geboren. Das ist eine Katastrophe. Da werden Menschen aussortiert, nur weil sie ein Chromosom zu viel haben.

Ich verstehe nicht, warum Menschen das nicht kapieren. Man setzt sich einerseits – zu Recht! – für Frauenrechte, für Minderheiten, gegen Diskriminierung und gegen Rassismus ein. Andererseits sehen wir nicht, dass Menschen mit Behinderungen im Mutterleib getötet werden. Leider gibt es keine Bereitschaft, über dieses Missverhältnis zu reden.

Themen wie Lebensschutz oder Christenverfolgung versucht auch die AfD zu besetzten. Sind sie deswegen automatisch ein wichtiger Ansprechpartner für Sie?

Wir als Allianz reden grundsätzlich mit Abgeordneten aus allen Bundestagsfraktionen.

Also auch mit der AfD?

Ja. Wir sind überparteilich. Gleichzeitig habe ich immer klare Kante gegen Rechts gezeigt und beispielsweise das AfD-Wahlergebnis in einem Beitrag für PRO als Schock bezeichnet. Ich traue dem Anliegen der AfD nicht. Die AfD hat in einer Anfrage an die Bundesregierung einmal wissen wollen, wie viele Missgeburten es bei Flüchtlingen durch Inzucht gibt – mit der Konnotation: ‚Müssen solche Kinder hier in Deutschland geboren werden?‘

Die AfD stellt sich als Lebensschützer dar, will aber eigentlich nur bio-deutsches Leben. Das ist eine Farce. Die AfD setzt sich auch nicht wirklich für verfolgte Christen ein, sondern nutzt deren Schicksal, um den Islam schlecht zu machen und dadurch Islamophobie zu schüren. Schade, wenn Christen darauf hereinfallen.

Zu Ihrem Amtsantritt haben sie gegenüber PRO gesagt, dass sie sich in zehn Jahren wünschen, dass man über Ihre Arbeit sagt: Heimowski hat etwas bewegt. Haben Sie?

Ich kann als Antwort ein Beispiel geben. Ein Pastorenkollege erzählte mir, dass er lange Zeit nicht dieser evangelikalen Allianz-Welt zugehörig fühlen konnte. Seit ich aber in Berlin tätig bin, sei unsere Stimme viel differenzierter geworden. Ich konnte mit meiner Art Menschen wie ihn bewegen, die EAD und ihre Anliegen anders wahrzunehmen. Das habe ich von vielen Seiten gehört – sowohl von Politikern, als auch von Leuten aus der christlichen Szene. Das ist doch was.

Herr Heimowski, vielen Dank für das Gespräch!

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