Großartiges ganz nah

Jahrhunderte alte Sakralkunst trifft moderne Technik: Im 3D-Visualisierungsraum „Deep Space 8K“ in Linz sind am Freitag erstmals detaillierte Gigapixel-Fotos der Sixtinischen Kapelle der Öffentlichkeit präsentiert worden.
Von Jörn Schumacher
Ars electronica, Lightsense

Dieser Raum ist einmalig in Europa: Neuartige Laserprojektoren mit einer 8K-Auflösung (8.192 × 4.320 Pixel) werfen Bilder und Filme auf eine 16 mal 9 Meter große Wand und auf den Boden mitten hinein in den Zuschauerraum. Und das mittels entsprechenden Brillen auch in 3D. Das „Kino“ mit dem Namen „Deep Space 8K“ steht im Ars electronica Center in Linz und stellt modernste Projektionstechnik dar.

Regelmäßig finden hier Präsentationen von interaktiven Wissenschafts-Programmen in 3D statt, Kunstinstallationen, aber auch Aufführungen von Konzerten. Wie jedes Jahr war das „Deep Space“ auch in diesem September ein zentraler Aufführungsort von „Ars electronica“, dem Festival für Kunst, Technologie und Gesellschaft. Dieses Mal gab es auch Kunstprojekte mit christlichem Hintergrund.

Am Freitag präsentierte das Ars electronica Center im „Deep Space“ in Kooperation mit den Vatikanischen Museen und der Österreichischen Botschaft im Vatikan erstmals Gigapixel-Bilder von zwei herausragenden Kunstwerken des italienischen Meisters Pietro Perugino aus der Sixtinischen Kapelle – der Hauptkapelle im Papstpalast: die Schlüsselübergabe an Petrus sowie die Taufe Jesu. Unter dem Motto „Wenn Schönheit zum Glauben führt“ kommentierten Barbara Jatta und Rosanna Di Pinto von den Vatikanischen Museen die immersive Präsentation.

Dabei bot sich den Besuchern der ausgebuchten Veranstaltung ein spektakulärer Blick auf die Fresken von Perugino in einer Klarheit und Detailgenauigkeit, wie sie selbst dem Künstler selbst vor 500 Jahren fast unmöglich war. Bis hin zu einzelnen Pinselstrichen und winzigen Details, die auf einmal riesig groß im Zuschauerraum erscheinen, kann die Technik die Sakralkunst heutzutage einer breiten Öffentlichkeit präsentieren. Das oberste Ziel von Papst Sixtus IV. und der Maler sei es gewesen, die Heilsgeschichte wiederzugeben, wie sie im Alten und Neuen Testament beschrieben wird, betonten die Expertinnen.

Die Fresken aus dem Zyklus mit Geschichten aus dem Leben Christi befinden sich im mittleren Teil der rechten Wand der Kapelle, die von einer Gruppe berühmter umbrischer und toskanischer Künstler im Auftrag von Papst Sixtus IV. im Jahr 1482 fertig gestellt wurden. Im Bild „Die Einsetzung der neuen Erneuerung durch Christus durch die Taufe“ stehen im Vordergrund Jesus und Johannes der Täufer, über Jesus schwebt eine Taube, die für den Heiligen Geist steht.

Symbol für den christlichen Glauben

Das zweite an diesem Tag präsentierte Bild stellt die Aufforderung Christi an Petrus dar, die Schlüssel für die Kirche in Empfang zu nehmen. Es ist das erste Bild, das jedem ins Auge sticht, der die Sixtinische Kapelle betritt. Im Hintergrund ist der Tempel von Jerusalem in Form eines prächtigen achteckigen Kuppelbaus zu sehen.

Barbara Jatta hatte diese beiden Gemälde für die Präsentation im Deep Space 8K vorgeschlagen, weil sie in ihrer theologischen Botschaft am bedeutendsten und am leichtesten zu verstehen seien, erklärte die Kunstexpertin. Außerdem steht der 500. Todestag des Künstlers Pietro Perugino im kommenden Jahr bevor. „Die Besucher werden sich in der Tat in der Schönheit wiederfinden, die zum Glauben führt, in voller Harmonie mit den Werten und Prioritäten, die der Mission und dem Arbeitsansatz der Vatikanischen Museen zugrunde liegen“, sagte Jatta.

Die Kunst in der Sixtinischen Kapelle sei nicht nur ein universelles Symbol für Kunst schlechthin, sondern auch für den christlichen Glauben. „Es ist wichtig, auch diesen Aspekt mit anderen Menschen zu teilen.“ In der Kombination von Kunst und Technologie liege in ihren Augen die Zukunft.

Der Geschäftsführer der Ars electronica, Gerfried Stocker, sprach von einem „Highlight“ des Ars electronica Centers. „Bilder aus den Vatikanischen Museen – ich glaube, höher können wir nicht steigen!“ Österreichs Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Franziska Honsowitz-Friessnigg, lobte das „Deep Space“ als Ort, der „in dieser Form der Digitalisierung physische und emotionale Grenzen überwindet und auch ganz neue Gruppen, vor allem junge Menschen, für Kulturgüter begeistert“.

Gerade die Herausforderung des Klimawandels verlange nach neuen Denk- und Verhaltensmustern, und Kunst und Wissenschaft könnten im Dialog miteinander dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Die digitale Präsentation der Kunst aus der Sixtinischen Kapelle sei dazu ein „wichtiger Schritt in die richtige Richtung“.

Roboter-Gott im Linzer Dom

Im großen Kirchenraum des Mariendoms in Linz wurde während des Festivals das Kunstprojekt „Lightsense“ von den Künstlern Uwe Rieger, Yinan Liu, Tharindu Kaluarachchi und Amit Barde von der Universität Auckland in Nueseeland präsentiert. Der Deutsche Künstler Uwe Rieger ist dort Professor für Design und Design-Technologie und baute er das „arc/sec Lab“ für cyber-physikalische Architektur und Interaktive Systeme mit auf.

Das Kunstprojekt besteht aus einem Roboter, der eine Art „Cyberpunk-Gott“ darstellt. Die kinetische Konstruktion wird kombiniert mit holografischen 3D-Animationen. Eine Künstliche Intelligenz wurde mit sechzigtausend Gedichten trainiert, und so versucht sie die Sätze der Besucher zu verstehen, die über ein Mikrofon zu dem System sprechen können. Die Konstruktion sieht ein bisschen wie eine übergroße Engelsfigur aus, sphärische Musik umgibt die Szenerie, und der Mariendom erscheint der perfekte Ort für diese transzendente Kunst.

Das Projekt lade das Publikum zu einer intimen und sinnvollen Interaktion mit einem lebendigen architektonischen Körper ein, erklärten die Künstler mit. Zugleich stehe es für „eine neue Generation der reaktionsfähigen Architektur“. Die riesige Konstruktion reagiert emotional auf die „Gebete“ der Besucher – mal streckt sie sich, scheinbar vor Freude, aufrecht in den Kirchenraum; ein anderes Mal sackt sie in sich zusammen oder kniet sich bedrohlich nieder. Die Antworten, die das System zusätzlich in Form von hörbaren Sätzen gebe, seien „assoziativ, unvorhersehbar, bedeutungsvoll, magisch und zutiefst emotional“, sagen die Künstler. LightSense höre „mit Interesse und Neugier“ zu, bevor es antwortet.

Die Ars electronica findet seit 1979 jedes Jahr in Linz in Oberösterreich statt. Gemeinsam mit Künstlern, Wissenschaftlern, Technologen, Designern, Entwicklern und Aktivisten aus aller Welt sollen nach eigener Aussage Strategien und Kompetenzen für die Digitale Transformation entwickelt werden. Im Mittelpunkt des „Festivals für Kunst, Technologie und Gesellschaft“ stehen neue Technologien, die in Zukunft das Zusammenleben und -arbeiten maßgeblich verändern können. Es ist weltweit das größte Festival dieser Art.

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