Geteiltes Echo auf Triage-Gesetz

Für die am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Triage-Regelung gibt es Lob und Kritik zugleich. Ärztevertreter sehen darin keine Hilfe, Stimmen aus der katholischen Kirche äußern sich hingegen zufrieden.
Palliativmedizin statt Sterbehilfe: Dafür plädieren Katholiken und Experten weltweit

Die vom Bundestag beschlossene Neuregelung der Triage stößt auf Zustimmung und Bedenken zugleich. Nach Ansicht des Präsidiumsmitglieds der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Uwe Janssens, wird sie zu mehr vermeidbaren Todesfällen führen. Lob für das Gesetz kam aus der katholischen Kirche. Gerade in prekären Mangelsituationen sei es wichtig, den Schutz schwacher und alter Menschen sicherzustellen, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Limburger Bischof Georg Bätzing.

Janssens erklärte am Freitag in München: „Das Verbot der Ex-Post-Priorisierung wird es – und das nicht nur unter Pandemiebedingungen – Ärztinnen und Ärzten deutlich erschweren, Therapiezieländerungen im klinischen Alltag umzusetzen.“ Das aber sei gelebte Praxis. Dem Radiosender SWR Aktuell sagte Janssens, schon seit zwei Jahren gebe es die Empfehlung seitens der Medizin, dass bei Triage-Entscheidungen Alter oder Behinderungen keine Rolle spielen dürften. Vorerkrankungen müssten aber bei der ärztlichen Analyse berücksichtigt werden, denn sie spielten eine Rolle in der tatsächlichen Überlebenswahrscheinlichkeit.

Neues Triage-Gesetz beschlossen

Triage bedeutet, dass es zu viele schwer erkrankte oder verletzte Patientinnen und Patienten für die Kapazität des Gesundheitssystems gibt. Das medizinische Personal muss daher in solchen Situationen auswählen, wer noch behandelt wird und wer nicht. Bei der sogenannten Ex-ante-Triage geht es darum, unter jenen Behandlungsbedürftigen auszuwählen, die in ähnlich kritischem Zustand in eine Klinik eingeliefert werden. Ex-post-Triage meint, dass eine Behandlung von Patientinnen oder Patienten zugunsten anderer mit besserer Überlebenswahrscheinlichkeit abgebrochen wird.

Das am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Triage-Gesetz sieht vor, dass in Triage-Situationen medizinische Ressourcen etwa im Krankenhaus nur aufgrund „der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit“ zugeteilt werden dürfen. Eine Benachteiligung wegen Behinderung, Alter, Geschlecht oder Herkunft untersagt das Gesetz.

Der ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, hält das Gesetz für verfassungsrechtlich problematisch. Das Triage-Gesetz werde voraussichtlich „schon bald wieder beim Verfassungsgericht liegen“, prognostizierte der Professor für Systematische Theologie und Ethik an der Universität Erlangen-Nürnberg am Donnerstagabend im Deutschlandfunk.

Weil viele Menschen mit Behinderung noch Begleiterkrankungen hätten, seien ihre kurzfristigen Überlebenschancen vermutlich geringer, sagte der Theologie-Professor. Dabrock nannte die Sorgen der Behindertenverbände daher nachvollziehbar, „dass ein auch vom Verfassungsgericht nochmal unterstütztes Begehren ihrerseits ins Gegenteil verdreht“ werde. Als klar verfassungswidrig bezeichnete der frühere Ethikrat-Vorsitzende die sogenannte Ex-post-Triage.

Katholiken halten Gesetz für noch nicht zufriedenstellend

Die Bischofskonferenz begrüße die Betonung des Gesetzgebers, dass es darauf ankomme, eine Triage-Situation soweit möglich zu vermeiden, sagte der Vorsitzende Bätzing. Auch das Verbot der Ex-post-Triage sei eine „richtige und wichtige Weichenstellung“, urteilte der Limburger Bischof.

Auch der Zentralverband der deutschen Katholiken (ZdK) begrüßte die Klarstellung der Triage-Regelungen. Allerdings sei „die Frage der Zuteilungskriterien, insbesondere der Dringlichkeit, noch nicht zufriedenstellend geklärt“, sagte Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied des ZdK und des Deutschen Ethikrats.

Die Debatten über das Gesetz hätten gezeigt, wie wichtig es sei, über die Gefahr der Diskriminierung in Knappheitssituationen zu sprechen, sagte die Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. Man wisse, dass gerade Menschen mit Behinderungen oder Ältere Vorerkrankungen haben könnten, die für ihre Überlebenswahrscheinlichkeit unerheblich seien. Bei der Einschätzung im Rahmen einer Triage könne das aber nicht leicht getrennt werden.

epd
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4 Antworten

  1. Verstehe ich das richtig: Das Verbot von Ex-post-Triage sorgt dafür, dass in aufkommenden Knappheitssituationen beispielsweise Patienten mit (im Behandlungsfall) 90%iger Überlebenswahrscheinlichkeit abgewiesen werden müssen zur Weiterbehandlung von (unter entspannteren Umständen) aufgenommener Patienten mit 90%iger Sterbewahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten Wochen?
    (Aus wirtschaftlichen Gründen sind Kliniken ja quasi dazu gezwungen, auch in guten Zeiten für eine entsprechende Auslastung zu sorgen, indem sie schauen, wie sie die vorhandenen Ressourcen sinnvoll einsetzen können.)

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  2. Mich erinnert das an die Diskussion um die EU-Bioethik-Konvention in den 1990ern.
    Oder an die damalige „heimliche“ Umfrage bei den Intensivmedizinern, wie mit „AS“ bzw. Wachkoma-Patienten nach mehren Jahren „umgegangen“ werden sollte.
    Gespentisch…

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  3. Ich hatte hier schon einmal vor einiger Zeit geschrieben, was Triage im Krankenhaus bedeutet und wie sie angewendet wird. Statt dem einmal nachzugehen, wird lieber irgendein vorgefertigter Satz von der epd übernommen. Eigentlich hätten Journalisten von Beginn der Debatte die Verantwortung gehabt, das zu recherchieren, anstatt die Variante immer wieder zu verbreiten, die eher für Panik sorgt.

    Vielleicht denkt aber mal jemand daran, wenn er das nächste Mal mit einem Kratzer in der Notaufnahme stundenlang warten muss, während später gekommene Patienten früher behandelt werden. Womöglich wurde der Kratzer bei der Triage als einfach nicht so hoch eingestuft.

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