BR-Talk: „Welches Leben ist lebenswert?“

Wann ist ein Leben lebenswert? Und gibt es eine Bewertung von „wertvollem“ oder „weniger wertvollem“ Leben noch heute? Über die NS-Ideologie der Euthanasie und eine heutige Bewertung von Leben sprechen in der Sendung „Ohne Gnade. Welches Leben ist lebenswert?“ Experten im Bayerischen Rundfunk.
Von Jörn Schumacher
Bayerischer RUndfunk, BR, Wert des Lebens

„In der NS-Ideologie hing der Wert eines Lebens von dessen Wert für die Gesellschaft ab. Auch heute noch scheinen die Gedanken, dass es Leben gibt, das mehr wert ist als anderes, nicht gänzlich aus unseren Köpfen verschwunden zu sein.“ So heißt es in der Ankündigung zur Talk-Sendung „Ohne Gnade. Welches Leben ist lebenswert?“, die am Mittwoch, 22.30 Uhr, im BR Fernsehen ausgestrahlt wird. Die Sendung ist danach noch zwölf Monate in der BR Mediathek verfügbar.

Die Diskussion ist Teil eines BR-Themenabends. Um 21.45 Uhr läuft die Dokumentation „Ohne Gnade. Euthanasie im Nationalsozialismus“. Um 23 Uhr folgt der Film „Diagnose: unbrauchbar. Die Opfer der NS-Euthanasie“, eine Dokumentation des ORF aus dem Jahr 2019. Schließlich sendet der BR um 23.45 Uhr den Film „Reise ohne Rückkehr“, ebenfalls vom ORF.

Heute sei von „Designerbabys“ die Rede und im Rahmen der Corona-Pandemie auch von der Triage, der Priorisierung medizinischer Hilfeleistungen bei unzureichenden Ressourcen. Über den Wert und die Würde des Menschen diskutiert der Journalist Andreas Bönte mit der Medizinhistorikerin Susanne Ude-Koeller, Mitglied des Forschungsprojekts NS-„Euthanasie“ in Erlangen, der an Muskelatrophie erkrankten Richterin Nancy Poser vom Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) und dem Augsburger Weihbischof Anton Losinger, der dem 2020 gegründeten Bayerischen Ethikrat angehört.

„Die Würde des Menschen ist für alle gleich und unantastbar“

Ude-Koeller stellt in der Sendung klar: „Das was damals passiert ist, war Mord, auch nach damaligem Rechtsverständnis.“ Sie weist darauf hin, dass der von den Nazis gewählte Begriff „Euthanasie“, also „schöner Tod“, ein bewusst gewählter, falscher Euphemismus gewesen sei. Die Nationalsozialisten appellierten auf Plakaten an die Bevölkerung, dass Menschen mit Behinderungen die Gesellschaft Geld kosten und deswegen getötet werden sollten. „Dieses Aufrechnen ‚Was kosten Behinderte?‘ zog auch in den Schulunterricht ein, was ich besonders erschreckend finde.“

Die Juristin Poser, die seit ihrer Kindheit an Muskelatrophie leidet und auf einen Rollstuhl angewiesen ist, sagt: „Mir persönlich machen diese Berichte Angst. Denn ich sehe in der jetzigen Gesellschaft Tendenzen, die zeigen, dass die Überlegungen nicht ganz ausgestorben sind.“ Das werde etwa in öffentlichen Forderungen deutlich, nach den Kosten der Beatmung eines Menschen für die Allgemeinheit zu fragen. Das erinnere an die Weltsicht der Nazis. „Als Juristin weiß ich um den Grundsatz, dass die Würde des Menschen unantastbar ist.“ Sie wünsche sich, dass dieser Grundsatz auch in der Corona-Pandemie seine Gültigkeit behalte. Sie findet es zudem schlimm, dass Ärzte, die an den Euthanasie-Programmen der Nazis teilgenommen hatten, später weiter als Ärzte arbeiten konnten. Die Juristin fordert eine juristische Auseinandersetzung mit der Triage in der Corona-Pandemie. Ärztinnen und Ärzte sollten mit der Entscheidung über Leben und Tod nicht alleine gelassen werden. Damit seien die Grund- und Menschenrechte nicht geschützt vor willkürlichen Entscheidungen. Ihrer Ansicht nach ist es die Aufgabe des Gesetzgebers, dafür zu sorgen, dass die Grundrechte geschützt werden und niemand diskriminiert wird.

Bischof Losinger, der sich unter anderem mit Fragen der Genetik auseinandersetzt, sagt in Bezug auf die Nazi-Euthanasie: „Mir ist es unbegreiflich, wie ganze Berufsgruppen, Juristen und Mediziner, unangetastet davonkamen. Auf der anderen Seite sehe ich heute sowohl in der Forschung als auch im Bildungsbereich einen starken Impetus, dass man sich mit den Dingen auseinandersetzt.“ Er fordert ein Wissenschaftsethos, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. „Wenn wir die neuesten Möglichkeiten der modernen Biotechnologien sehen, ist die Verantwortung den Menschen gegenüber dramatisch angewachsen“, so Losinger. Die Bewertung von Menschen etwa nach dem Grad der Behinderung seit ein Verrat am Grundsatz der Verfassung, dass alle Menschen gleich an Würde sind und diese unantastbar ist.

„Ohne Gnade. Welches Leben ist lebenswert?“, 12. Mai 2021, 22.30 Uhr, BR-Fernsehen, 33 Minuten, nach Ausstrahlung zwölf Monate in der BR Mediathek verfügbar

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Eine Antwort

  1. Welches Leben ist lebenswert?

    Anders, als das im Grundgesetzt zugesichert, ist für die „Grünen“ ein Mensch vor der Geburt ohne jedes Lebensrecht.
    So haben es die „Grünen“ hier beschlossen: „Flächendeckende Versorgungssicherheit beim Schwangerschaftsabbruch schaffen“. ( https://www.gruene-bundestag.de/files/beschluesse/beschluss-schwangerschaftsabbruch.pdf )

    Die „Grünen“ fordern nicht nur, vorgeburtliche Kindstötungen nicht länger als „rechtswidrig“ einzustufen, sondern künftig als Bestandteil einer „reproduktiven Gesundheitsversorgung“ als Dienstleistung uneingeschränkt verfügbar zu machen:
    „Wir wollen für Frauen und gebärfähige Menschen die bestmögliche reproduktive Gesundheitsvorsorge. Nur so können wir bezüglich der reproduktiven Rechte zu Selbstbestimmung und damit zur Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern beitragen.“

    weiter:

    „Kurzfristig heißt es deshalb, hier für ungewollt Schwangere, Ärzt*innen und Beratungsstellen pragmatische und schnelle Lösungen zu finden.
    Langfristig war und ist der Widerstand gegen Paragraf 218 StGB ein wesentlicher Teil der Frauenbewegungen und der grünen Bundestagsfraktion.“

    auch das Werbeverbot für Abtreibungen soll fallen:
    „Wir wollen die ersatzlose Streichung des §219a.“

    Die „Grünen“ stellen sich damit gegen das Menschenrecht auf Leben und geben das Grundgesetz.
    Das Grundgesetz schützt das Lebensrecht, das BVerfG stellt es eindeutig fest:
    „Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen. Diese Schutzpflicht hat ihren Grund in Art. 1 Abs. 1 GG“
    https://servat.unibe.ch/dfr/bv088203.html

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