„Freiheit leben, aber auch fordern“

Weltweit ist die freie Ausübung der Religion bedroht. Viele Menschen verlassen deshalb ihre Heimat. Die FDP-Lokalpolitikerin und syrisch-orthodoxe Christin Roze Özmen fordert daher von der Politik Haltung und Bekenntnis zur Religionsfreiheit.
Von Norbert Schäfer
Roze Özmen

Die größte Weltreligion, das Christentum, ist von der Verletzung der Religionsfreiheit am stärksten betroffen. Das hat der zweite Bericht des Beauftragten der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit gezeigt.

Auch im Nahen Osten werden Menschen daran gehindert, ihren Glauben zu leben. Religiöse Minderheiten müssen sich in muslimisch geprägten Gesellschaften vor sozialer Ausgrenzung, Repressalien, aber auch terroristischen Anschlägen fürchten. Wegen Benachteiligung und Unterdrückung verlassen immer mehr Christen die Region.

„Ich erwarte von unserer Bundesregierung, aber auch von den Landesregierungen, dass sie klare Haltung zeigen. Dass die Menschenrechte, die Menschenwürde, auch die Religionsfreiheit, sehr wichtig und einzuhalten sind, egal in welchem Land“, forderte die syrisch-orthodoxe Christin Roze Özmen am Freitag bei einer Online-Diskussionsveranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung. Religion werde in muslimischen Ländern von der politischen Klasse oft zur Machterhaltung missbraucht. Nur durch Religionsfreiheit kann ihrer Ansicht nach die Massenvertreibung religiöser Minderheiten im Nahen Osten und weltweit unterbunden werden.

Religion nicht im Vordergrund“

1986 war die Aramäerin aus der Türkei nach Deutschland gekommen. In der Türkei sei Christen – unterschwellig, aber auch direkt – vermittelt worden, Menschen zweiter Klasse zu sein, berichtete Özmen. Christen, das habe man die Menschen spüren lassen, würden in dem Land von Muslimen lediglich geduldet. Sie sei deshalb nach der Ankunft in Deutschland enttäuscht gewesen, dass man sie hier, in einem vermeintlich christlichen Land unter Glaubensgeschwistern, dann nicht als Teil dieser Gemeinschaft bevorzugt behandelt habe.

„Zu verstehen, dass in Deutschland Menschen nicht nach ihrer Religionszugehörigkeit beurteilt werden, ist mir anfangs schwergefallen“, gestand die FDP-Politikerin ein. Den Gedanken, dass die Religion nicht im Vordergrund stehe und alle Menschen gleich seien, habe sie unmittelbar nach der Ankunft nicht verstanden. Für gelingende Integrationspolitik sieht Özmen kein Patentrezept. „Die westliche Wertegemeinschaft muss Freiheit leben, aber auch fordern“, sagte Özmen. Allen Menschen anderer Kulturkreise, die hier herkämen, müsse Respekt und individuelle Freiheit vermittelt werden. Auch, dass kein Mensch über dem anderen stehe. Özmen ist stellvertretende Vorsitzende des FDP-Kreisverbands Paderborn und hatte bei der Bundestagswahl 2021 auf der Landesliste ihrer Partei für den Bundestag kandidiert.

Irak: „Kaum Vertrauen zwischen Christen und Muslimen“

Der Drang, die Heimat zu verlassen, ist bei Christen im Irak und in Syrien besonders stark. Im Irak sank die Zahl der Christen seit dem Sturz von Diktator Saddam Hussein von 1,5 Millionen auf heute rund 200.000. „Als Christ im Irak zu leben ist schwer“, sagte Methaq Jabo, Vorstand der irakisch-katholischen Gemeinde Köln.

Jabo wertete den Besuch von Papst Franziskus im Irak als einen „riesigen Schritt“ für die Christen in der Region. „Der Papst hat den Menschen Mut gemacht, als Christen in ihrer Heimat zu bleiben“, sagte Jabo. Zudem habe Franziskus der Weltöffentlichkeit gezeigt, dass in dem Land überhaupt noch Christen lebten. Christen flüchteten vor allem wegen der fehlenden Religionsfreiheit. Nach dem Sturz von Saddam Hussein habe sich das Verhältnis zwischen Christen und Muslimen in dem Land drastisch verschlechtert. Der IS habe dann die Existenzgrundlage der meisten Christen und Jesiden in dem Land zerstört. „Heute gibt es kaum noch Vertrauen zwischen Christen und Muslimen in dem Land“, sagte Jabo.

Westen will nicht „christliche Schutzmacht“ sein

Der Westen könne für Religionsfreiheit mehr tun, konstatierte der nordrhein-westfälische FDP-Landtagsabgeordnete Lorenz Deutsch. „Ich glaube er scheut die Rolle der christlichen Schutzmacht – auch aus historischen Gründen.“ Lorenz verwies auf die Kreuzzüge. Die säkulare, aufgeklärte westliche Gesellschaft möchte eine solche Rolle sehr ungern annehmen. Als Maßstab würden heute die Menschenwürde und die freie Religionsausübung ins Zentrum des Handelns gestellt. Die freie Ausübung der Religion zu garantieren, müsse aber auch hier beherzigt werden. Lorenz nannte in dem Zusammenhang Debatten um Muezzin-Rufe in deutschen Städten. Die Politik müsse zeigen, dass die Forderung nach freier Religionsausübung anderenorts auch hier ernst genommen werde.

„Wenn man vom christlichen Abendland spricht, was gerne mal getan wird, müsste man schon bestimmen, was das eigentlich ist. Was sind die kulturhistorischen Hintergründe?“, fragte der FDP-Politiker. Lorenz wünscht sich dazu in erster Linie die Vermittlung der christlichen Kultur. „Die meisten Studierenden sind mit christlichen Inhalten eigentlich nicht vertraut“, sagte der Dozent für Altgermanistik. Den Glauben zu vermitteln, obliege den Kirchen. Vieles werde hier als selbstverständlich angesehen. Auch die Freiheit der Religionsausübung. Daher seien Berichte von Christen aus der Diaspora oder aus Verfolgungssituationen heraus besonders wertvoll.

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