Meinung

Frankreich hat gewählt – Europa hat gewonnen

Europa atmet auf. Der Sieg Macrons gegen seine rechtspopulistische Kontrahentin Le Pen hat trotzdem ein Geschmäckle. Der Sieger muss nun liefern.
Von Johannes Schwarz
Emmanuel Macron

Da fiel einigen ein Baguette vom Herzen. Sonntag, kurz nach 20 Uhr, war klar: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist wiedergewählt. In einer Stichwahl setzt sich der liberale Macron mit seiner Partei En Marche gegen die rechtspopulistische Politikerin Marine Le Pen von der Partei Rassemblement National durch.

58,5 Prozent der Franzosen wählen Macron – 41,5 Prozent Le Pen: Welch eine Erleichterung! Frankreich hat sich für Europa entschieden. Le Pen wittert seit jeher gegen die europäischen Institutionen. Sicher sind diese nicht perfekt, aber ein Europa unter Le Pen wäre ein Desaster geworden. Die deutsch-französische Freundschaft wäre vor den Prellbock gefahren.

Le Pen, frenetische Trump-Anhängerin, verurteilte kurz vor der Wahl den Krieg in der Ukraine. Der enge Kontakt zu Putin wird jedoch auch mit dem Angriffskrieg Russlands bestehen bleiben. Schließlich plante Le Pen weiterhin Allianzen mit Russland, etwa bei der Verteidigung. Die NATO wollte sie verlassen, wenn sie sie nicht nach französischer Vorstellung umgestalten könne. Gut, dass diese Frau nicht Präsidentin wird. Es hätte die westliche Welt tief erschüttert und Frankreich geschadet.

Macron steht für die europäischen Werte ein: Demokratie, Freizügigkeit, zusammen statt alleine. Er gilt als Vordenker in der EU. Die Wiederwahl Macrons sollte Europa nicht verspielen. Europa braucht einen Aufbruch, gerade in diesen Zeiten des Kriegs in der Ukraine. Europa und die NATO können froh sein, dass Frankreich sein Gewissen nicht aufgegeben hat.

Vertrauensvorschuss für den Präsidenten

Aber: In Frankreich gelten andere politische Realitäten als in Deutschland. Das semipräsidentielle Regierungssystem und das historisch gewachsene Politikverständnis macht eine solche Stichwahl möglich. Ein direktes Duell um das Präsidentenamt würde es in Deutschland, etwa zwischen Christian Lindner (FDP) und Alice Weidel (AfD), niemals geben. In Frankreich lebt das System von Lagern, ganz nach dem ABBA-Song „The winner takes it all“.

Deutlich wird aber auch: Frankreich ist zutiefst gespalten. Nicht wenige wählten Macron auch deshalb, weil sie eine offen rechtspopulistische Präsidentin verhindern wollten. Andersherum stimmten auch einige Franzosen für Le Pen, um Macron zu verhindern.

Die Wiederwahl für Macron hat ein Geschmäckle – und das weiß er auch. Seine neoliberale Politik kommt lang nicht bei jedem gut an. Die ländliche Bevölkerung fühlt sich mehr und mehr vernachlässigt und abgehängt, während Städter Macron eher unterstützen. Wahlanalysen zeigen, dass einige eher links orientierte Personen Macron gewählt haben, um Le Pen aus dem mächtigen Amt fernzuhalten. Macron muss nun zeigen, dass er die Interessen dieser Menschen vertritt.

In seiner Siegesrede am Eiffelturm sprach Macron davon, das Land zu vereinen und genauer hinzusehen. Dieses Versprechen darf er nicht brechen, denn wer weiß, ob die Franzosen nächstes Mal noch einmal der Vernunft zum Sieg verhelfen. Eine Protestwahl und das Glauben einfacher Antworten der politischen Ränder schien schon bei dieser Wahl ein trügerischer Ausweg.

Die Wiederwahl ist ein europäischer Sieg, aber auch ein Mahnmal, das weit über die französischen Grenzen hinaus geht: Es ist ein Vertrauensvorschuss. Macron muss nun liefern! Innenpolitisch muss er aus dem zentralisierten Paris herauskommen und den Menschen das gute Leben in wirtschaftlicher Prosperität ermöglichen. Außenpolitisch ist er bei den Verhandlungen um eine diplomatische Lösung im Ukraine-Krieg gefordert. Dann ist da noch die Zukunft der EU und der NATO. Jede Menge komplexer Aufgaben, aber dafür ist Macron Präsident. Was er draus macht? Die Franzosen jedenfalls werden es beobachten.

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10 Antworten

  1. „Macron steht für die europäischen Werte ein: Demokratie, Freizügigkeit, zusammen statt alleine.“

    Ein Blick auf die Coronapolitik von Macron zeigt eigentlich, dass er nicht für diese Werte einsteht. Vor allem, wenn man betrachtet, wie es den ungeimpften Angestellten im Gesundheitswesen seit Monaten geht.
    Das hätte Le Pen keinenfalls zur besseren Kandidatin gemacht, aber Macron ist auch nicht derjenige, denn ich mit demokratisch-freiheitlichen Werten gleichsetzen würde. Jedenfalls nicht mit den Werten, wie sie sich mir in den Grund- und Menschenrechte erschließen.

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    1. Zu den angeblichen Werten des Herrn Macron hier einige unfassbare Äußerungen, die noch kein halbes Jahr alt sind.
      Er werde Ungeimpfte „bis zum bitteren Ende nerven“, indem er so weit wie möglich den „Zugang zu den Aktivitäten des sozialen Lebens“ für sie einschränken werde (…) „Ich habe große Lust, die Ungeimpften zu nerven“, fügte Macron hinzu. Deshalb werde seine Regierung dies auch weiterhin tun, „bis zum bitteren Ende“. „Ich werde sie nicht ins Gefängnis stecken, ich werde sie nicht zwangsimpfen“, sagte Macron über seine Strategie zum Umgang mit Impfverweigerern. Stattdessen müsse die Botschaft der Regierung an die Ungeimpften lauten: „Ab dem 15. Januar könnt ihr nicht mehr ins Restaurant gehen, ihr könnt keinen Rotwein mehr trinken, ihr könnt nicht mehr Kaffee trinken gehen, ihr könnt nicht mehr ins Theater gehen, ihr könnt nicht mehr ins Kino gehen…“ (Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/corona-in-frankreich-beleidigt-macron-impfgegner-17716727.html).
      Noch härter ging er mit den Impfgegnern ins Gericht. „Sie untergraben die Grundlagen der Nation. Wenn meine Freiheit die der anderen bedroht, dann werde ich unverantwortlich. Ein Unverantwortlicher ist kein Bürger mehr“, sagte Macron. (Quelle: https://www.welt.de/politik/ausland/article236042802/Frankreich-Emmanuel-Macron-hat-grosse-Lust-die-Ungeimpften-zu-nerven.html)
      Wieso wird das von PRO verschwiegen? Weil es nicht ins Bild passt?

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  2. Macron ist sicher kein Heiliger, aber das dann zur Beurteilung aus christlicher Sicht hier gleich wieder die Impfskeptiker in die Bütt gehen, hat meiner Meinung nach mehr als ein Geschmäckle.

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    1. Man könnte sicher noch mehr Unchristliches bei ihm aufzählen als nur seine totalitären Gedanken zu Menschen, die sich aus gutem Grund nicht mit einem solchen „Impsstoff“ behandeln lassen wollen.
      Le Pen ist auch keine „Heilige“, aber in vielerlei Hinsicht besser für Frankreich als Macron.

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      1. Hatte ich Kirschen gedacht, dass Ihnen die totalitär denkende Marine besser ins politische Kalkül passt. Sei Ihnen gegönnt, nur mit dem Evangelium haben die Ansichten der Dame zum Glück nichts zu schaffen.

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        1. Sie will ja auch keine Gemeinde leiten (was sie als Frau eh nicht dürfte).
          Aber wo denkt sie denn totalitär? Oder gar totalitärer als Macron? Le Pen ist doch harmlos. Zemmour hat da schon klarere Ansichten zu Themen wie den Islam. Aber doch nicht Le Pen. Das ist normaler Rechtskonvervativismus mit sozialem Einschlag.

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          1. Na wenn das normal für Sie ist, passen natürlich auch manch andere unchristliche Ansichten a la Höcke und Co. Die Frage der Fähigkeit zur Gemeindeleitung habe ich weder ihr noch Ihnen gestellt.

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  3. „Macron steht für die europäischen Werte ein.“ Das ist starker Tobak – und nichts als eine leere Hülse! Denn leider fällt kein einziges Wort zB. darüber, dass Herr Macron dafür eintritt, ein Recht auf Abtreibung europaweit durchzusetzen; entsprechend wurde bereits im Februar in Frankreich eine Verlängerung der gesetzlichen Abtreibungsfrist von 12 auf 14(!) Wochen beschlossen! Dass das einem Portal wie PRO keine einzige Zeile wert ist, macht mich sprachlos. Eine kritische Sicht fehlt völlig!
    Stattdessen eben die üblichen Phrasen vom Sieg Europas und dass Macron nun liefern müsse, wie in den großen Medien, die uns ähnlich schon vor fünf Jahren belehrten, aber geschehen ist da nicht viel, im Gegenteil!
    Dass eine Kandidatin, die über 40% der Stimmen erhalten hat, als Kandidatin des politischen Randes dargestellt wird, ist entlarvend: so reden alle, die genau wissen, wer gut und wer böse in der Politik ist und damit Stimmung machen. Frau Le Pen hat sicher andere Prioritäten als Macron, aber sie tritt weder für die Abschaffung der Republik noch für den Austritt aus der EU ein – so what?!
    In manchen Fragen wäre es sicher ungemütlicher geworden in der EU – aber angesichts des Versagens dieser Institution in wesentlichen Bereichen (man denke nur an die von Frau LaGarde verantwortete Finanz- und Währungspolitik!) wäre das eigentlich nicht schlimmer als das Weiterwursteln…

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