FDP speckt Verantwortungsgemeinschaft ab

Die Pläne des Bundesjustizministeriums zur Verantwortungsgemeinschaft sind nicht neu. Schon 2020 legte die FDP einen Entwurf vor. Der allerdings war wesentlich weitreichender. Eine Analyse.
Von Anna Lutz

Dieser Tage hat Marco Buschmann, Bundesjustizminister der FDP, einmal mehr Schlagzeilen gemacht. Und zwar wiedermal im Bereich Familienrecht. Ende Januar legte er einen Entwurf vor, der unter anderem homosexuellen Paaren mehr Rechte bei Adoption und Kinderwunsch einräumen soll. Nun folgte wenige Tage später ein weiterer Entwurf, dieses Mal zur sogenannten Verantwortungsgemeinschaft. 

Die Idee dahinter: Nicht mehr nur verheiratete Paare, Blutsverwandte und Eltern mit ihren angenommenen Kindern sollen durch Rechte und Pflichten verbunden sein. Wer sich dazu entscheidet, darf auch ein Rechtsinstitut mit einem guten Freund oder sogar mehreren Menschen eingehen. Um etwa Auskünfte bei Ärzten zu erhalten, Pflegezeiten für den anderen in Anspruch nehmen zu können oder gemeinsam Vermögen aufzubauen und dann im Falle einer Trennung abgesichert zu sein.   

Entwurf liegt seit 2020 vor

Wer sich mit Familienpolitik auskennt, für den ist das Anliegen, das Buschmann nun öffentlich gemacht hat, nicht neu. Bereits im Jahr 2020 machte die FDP Schlagzeilen mit dem Konzept „Verantwortungsgemeinschaft“, auch bei den Koalitionsverhandlungen war es Thema. Ein Entwurf von 2020 schlug ein mehrstufiges Modell vor, nach dem auf erster Stufe gegenseitige Auskunfts- und Vertretungsrechte, etwa bei Ärzten, vereinbart werden konnten. Möglich wäre demnach auch die gegenseitige Pflege und Fürsorge bis hin zu Unterhaltspflichten, Zugewinngemeinschaft und damit einem Vermögensausgleich beim Auflösen der „Verantwortungsgemeinschaft“. Der Entwurf schlägt Vorteile im Hinblick auf Einkommen, beispielsweise durch Steuerfreibeträge, Rentensplitting oder Freibeträge bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer vor.

Damals zuständig war der FDP-Abgeordnete Daniel Föst. Unter dem Titel „Verliebt, verlobt, Verantwortungsgemeinschaft“ berichtete etwa „Die Zeit“ über Fösts Idee und auch die Kritik daran. CSU-Politikerin Dorothee Bär twitterte damals: „Familien haben in der Pandemie ein Höchstmaß an Solidarität gezeigt und nun sollen sie neben einer neuen, beliebigen sog. Verantwortungsgemeinschaft stehen. So tritt die Ampel den Schutz von Ehe & Familie UND unser GG mit Füßen, die Fundamente unserer Gesellschaft.“ Auch Föst selbst sah weitere Kritik kommen, etwa von den Kirchen. Der „Zeit“ sagte er: „Aber auch die Kirchen können die Augen nicht mehr davor verschließen, dass diese Gesellschaft eine andere ist als im Jahr 1950.“ Der Staat sei geradezu verpflichtet, diese Entwicklung anzuerkennen. 

Konkurrenz für die Ehe?

Fösts Entwurf von damals bietet durchaus Raum für Sorge um Konkurrenz für das Rechtsinstitut Ehe, auch wenn Föst das von Anfang an bestritten hat. Steuerliche Vorteile für Freunde, Nachbarn oder gar polyamore Partner, die eine Verantwortungsgemeinschaft miteinander eingehen, könnten an der grundgesetzlich garantierten besonderen Stellung der Ehe rütteln. Bedenken äußerte auch ein Experte bei einer Anhörung des Entwurfs im Rechtsausschuss des Bundestages: Matthias Dantlgraber, Bundesgeschäftsführer des Familienbunds der Katholiken, fürchtete, dass die neuen Gemeinschaften Unverbindlichkeit in sozialen Beziehungen fördern und damit Kindern in solchen Verbindungen schaden könnten. 

Die Idee dahinter: Wer nicht mehr heiraten muss, um etwa steuerliche Vorteile zu erhalten, der bleibt eher in unverbindlichen Beziehungen, die leichter aufzukündigen sind. „Ich lasse mich scheiden“ klänge doch in den Ohren der meisten wesentlich härter als: „Ich löse meine Verantwortungsgemeinschaft auf.“ Von letzterer wüssten eventuell ja nicht einmal alle im Bekanntenkreis. 

Dass es die Verantwortungsgemeinschaft in der Ampel-Koalition so weit gebracht hat, liegt wohl vor allem am Zusammenspiel von Grünen und FDP. Denn in der Tat waren sich die eigentlich so unterschiedlichen Parteien von Anfang an darin einig, dass es ein verbindliches Rechtsinstitut geben soll, das für unverheiratete Menschen Möglichkeiten des geregelten Zusammenlebens bereitstellt. Am Ende landete die Verantwortungsgemeinschaft sogar im Koalitionsvertrag. 

Reloaded und abgespeckt

Spannend an Buschmanns jüngstem Vorschlag zur Sache ist aber vor allem eines: Vergleicht man die Idee von Föst mit der des Ministers, so fällt auf, dass die steuerlichen Entlastungen komplett vom Tisch sind. Buschmann hat Steuerfreibeträge, Rentensplitting und Freibeträge bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer abgeräumt. 

Konkret sieht Buschmann drei Optionen für eine „Verantwortungsgemeinschaft“ vor, die je nach Wunsch von bis zu sechs Personen ausgewählt und gemeinsam eingegangen werden können: Da wären einmal Verpflichtungen und Rechte zur gemeinsamen Haushaltsführung. Zweitens Pflegemöglichkeiten im Sinne der bisherigen Pflege naher Angehöriger, also etwa die Freistellung vom Beruf. Und drittens die Zugewinngemeinschaft, die vor allem im Falle der Auflösung des Bündnisses greift. Die Partner sind dann insofern abgesichert, als dass gemeinsam erwirtschaftete Vermögen gerecht aufgeteilt werden muss. 

Die Union kritisierte das Vorhaben auch in der abgespeckten Version: „Es fragt sich, welchen Mehrwert das Ganze hat, wenn Verantwortung ohne weiteres aufgegeben werden kann“, teilte die Fraktion im Bundestag am Mittwoch mit. Kein Wort mehr von der Herabsetzung der Ehe. Wen wunderts? in der Tat ist der neue Entwurf derart abgespeckt, dass sich wohl auch Daniel Föst fragen wird, wo seine Idee eigentlich geblieben ist. Auf PRO-Anfrage teilte dessen Büro kurz und knapp mit, er sei nicht mehr zuständig für das Thema. 

PRO fragte auch beim Ministerium selbst nach, wieso die „Verantwortungsgemeinschaft“ nun steuerlich nicht mehr ins Gewicht fallen würde. Ein Sprecher verwies auf diverse Stellungnahmen des Ministers dazu, in der Tat wies Buschmann bereits 2022 zusätzliche Steuerrechte zurück. Das Ministerium blieb dennoch eine Antwort schuldig: Ob die verfassungsrechtlichen Bedenken am Ende vielleicht doch so schwer gewogen haben, dass die neue Form des rechtlichen Zusammenlebens nicht durchzusetzen sei? 

Immerhin, sollte das der Grund für die nun veröffentlichte Light-Variante der „Verantwortungsgemeinschaft“ sein, so dürfte das doch vor allem viele Konservative beruhigen: Das Grundgesetz gilt. Dort heißt es in Artikel 6: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ 

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