Meinung

Ex oriente lux: Warum die Kirche nach Osten schauen sollte

Niemand wird die Kirche nach ihrem Niedergang im Westen vermissen, sagt Pfarrer Justus Geilhufe. Die Zukunft der Kirche sieht der Theologe im Osten des Landes, weil dort ihr Markenkern noch erhalten ist.
Von Norbert Schäfer
Sonnenuntergang am Strand von Niendorf

Pfarrer Justus Geilhufe bescheinigt der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dass sie im Westen ihren Markenkern – Jesus Christus – verloren hat und krankt. Anders sei das im Osten. Dort würden die Gemeinden wachsen, „weil sie sich für Jesus begeistern“ und beinahe einen „archaischen Jesus-Positivismus“ an den Tag legten, schreibt Geilhufe in einem Welt-Beitrag vom Samstag.

Geilhufe geht in dem Kommentar scharf ins Gericht mit der Kirche. An „vorgestanzte und erwartbare Äußerungen“ aus den Reihen der EKD habe sich die Gesellschaft gewöhnt, erklärt der Freiberger Pfarrer. Zudem liege die EKD in der Öffentlichkeit „weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle“. Das Problem sieht der Pfarrer darin, dass die EKD von der falschen Grundannahme ausgehe, „es interessiere sich noch jemand wirklich für sie“. Das sei aber falsch. In Wirklichkeit erwarte niemand mehr etwas von der Kirche.

Keine Erwartungen an die Kirche

Im Osten hätten die Menschen seit Langem keine Erwartungen mehr an die Kirche geknüpft, sagt Geilhufe. So werde es der Kirche im Westen auch bald ergehen, konstatiert er. Niemand werde die Kirche vermissen, etwas bemerken oder traurig sein. „Die aus der Kirche ausgetretenen Menschen im Westen werden bereits nach wenigen Monaten vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben. So wie die Menschen bei uns im Osten“, schreibt der Pfarrer.

Mit seiner Analyse der Situation hat Geilhufe weitgehend Recht. Äußerungen der EKD-Spitze zur Tagespolitik oder ethischen Fragen werden in der Öffentlichkeit entweder kaum wahrgenommen oder als moralisch aufgeladene Belehrungen einer behördenähnlichen Organisation abgetan.

Viele Menschen nehmen Kirche ohnehin nur noch als Dienstleister zur feierlichen Ausschmückung von Lebensereignissen von Geburt bis zum Tod wahr, die zudem zeitversetzt dem Zeitgeist anhaftet. Gesellschaftliche Vielfalt, Bewahrung der Schöpfung und den Schutz von schwachen und verstoßenen Menschen zu postulieren, ist wichtig und richtig. Das können andere aber auch, und sie tun das zudem besser, weil es eben deren Markenkern entspricht. Sich als Kirche auf den Kern des Evangeliums – Jesus Christus – zu besinnen, kann daher kein Fehler sein.

Im Osten ist Talsohle durchschritten

Auch der Hinweis Geilhufes an die Kirche, sich stärker an der Realität – sich selbst also als eine Minderheit zu verstehen – im Osten zu orientieren, erscheint klug. Statt über den stetigen Niedergang zu lamentieren, könnte Kirche die sich zunehmend säkularisierende Gesellschaft als Chance begreifen. Ein leeres Glas mit Inhalt zu füllen ist einfacher, als beim randvollen – womit auch immer gefüllten Glas – einen weiteren Tropfen einzufüllen. Das Christentum ist historisch gesehen aus einer Minderheitenposition heraus entstanden und gewachsen. Daran könnte sich die Kirche noch rechtzeitig erinnern – und wird es in absehbarer Zukunft wohl notgedrungen tun müssen.

Die Zukunft der EKD sieht Geilhufe im Osten, weil man dort mit der Ignoranz vertraut sei, die Talsohle bereits erreicht habe und sich nun aufmache, diese zu durchschreiten. „Der Osten hat Erfahrungen mit der Macht Jesu Christi in der vollständig säkularen Umwelt gemacht, und die bergen alles an Kraft in sich, was die evangelische Kirche zum Überleben braucht“, schreibt der Pfarrer.

Ex oriente lux – aus dem Osten kommt das Licht. Von Europa aus gesehen kam das Christentum aus dem Osten. Später reisten Missionare aus Nordamerika und Europa in die Welt. Heute senden Gemeinden aus Asien ihre Missionare gen Westen. Wieder kommt das Licht aus dem Osten. Was im Großen gilt, mag auch im Kleinen von Bedeutung sein.

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3 Antworten

  1. „An „vorgestanzte und erwartbare Äußerungen“ aus den Reihen der EKD habe sich die Gesellschaft gewöhnt.“

    So habe heute ich genervt den Gemeindebrief unserer Kirchengemeinde beiseitegelegt, nachdem mir die „Genderismen“ das weiter Lesen verleidet hatten …
    Wer braucht diesen belehrenden Neusprech?

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  2. „Im Osten geht die Sonne auf“, ja die Hoffnung stirbt zuletzt ! Die Bestandsaufnahme des Pfarrers ist realistisch, seine Vision ziemlich optimistisch. Ich sehe einen Crash auf die EKD zukommen, die Amtskirche wird sich im linksgrünen Zeitgeist verlieren und der „heilige Überrest“, ja was macht der ?
    Vermutlich in Parallelstrukturen organisieren oder zu den Freikirchen abwandern.
    Mir fehlt es an Fantasie einer vereinten EKD, wo „Moderne“ und „Konservative“ zusammen marschieren !
    Aber keine Sorge, „die Pforten der Hölle werden die Gemeinde nicht überwinden“ !

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