Elmar Brok war von 1980 bis 2019 Mitglied des Europäischen Parlaments und von 1999 bis 2007 sowie von 2012 bis 2017 Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten. Seit 1989 leitet Brok den CDU-Bundesfachausschuss Außen-, Sicherheits- und Europapolitik. Von 2009 bis 2012 war er außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. Seit 2002 ist Brok Präsident der Europäischen Union Christlich-Demokratischer Arbeitnehmer (EUCDA), er ist zudem Mitglied des Parteivorstandes der EVP und Co-Vorsitzender der EVP-Außenminister.
Vor seiner Karriere als Politiker war der ausgebildete Rundfunkjournalist für Rundfunk und Zeitungen tätig. Der 76-Jährige ist verheiratet, er hat drei Kinder und lebt in Bielefeld. Brok hielt am 8. Juli zum fünften „Abendgebet für Europa“ der Initiative „Am 8. um 8“ in der Paderborner St.-Kilian-Kirche die Predigt.
PRO: Herr Brok, was war Thema Ihrer Predigt in der St.-Kilian-Kirche in Paderborn?
Brok: Anlass war der Kilianstag zu Ehren des Würzburger Bischofs, ein Gedenktag in der katholischen und der evangelischen Kirche, der 8. Juli. Thema war die Bedeutung der christlichen Werte in Europa. Ich wohne ja in Bielefeld und bin in Paderborn zur Schule gegangen, da ist die Verbindung noch sehr stark.
Was bedeutet Ihnen die Kirche, was der Glaube?
Angesichts der Missbrauchsfälle sind mein Glaube und mein Verhältnis zur Kirche nicht mehr ganz deckungsgleich. Ich gehe allerdings nach wie vor in die Kirche und bin nicht ausgetreten. Aber meine Skepsis gegenüber dem „Bodenpersonal Gottes“ ist größer geworden.
Warum bleiben Sie in der Kirche?
Weil ich gläubig bin. Ich habe im Lutherjahr einmal gesagt, dass ich zu einer Art katholischem Lutheraner geworden bin. In meinem Verhältnis zu Gott brauche ich das Bodenpersonal nicht mehr zwangsläufig. Das ist ja der Kern der Lutherischen Lehre: Der Gläubige kann mit Gott direkt kommunizieren.
Haben Sie einen Lieblings-Bibelvers?
Wir Katholiken haben es ja nicht so mit den Bibelversen wie die Protestanten. Ich glaube an die Botschaft der Bibel. Ich kann das Glaubensbekenntnis noch voll mitbeten. Und ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Für mich ist zentral: „Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“
Sie haben viele Jahre des politischen Engagements hinter sich. Inwiefern spielte da der Glaube eine Rolle?
Das ist ein Koordinatensystem, bei dem es um die Würde des Menschen, Solidarität und Subsidiarität geht. Ich bin in meinem politischen Verständnis sehr von der katholischen Soziallehre geprägt.
„Ich glaube an die Botschaft der Bibel. Ich kann das Glaubensbekenntnis noch voll mitbeten. Und ich glaube an ein Leben nach dem Tod. Für mich ist zentral: ‚Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.‘“
Elmar Brok
Die Politik ist ein hartes Geschäft. Sind Sie mit allen ihren politischen Gegnern im Reinen, oder sind da noch Rechnungen offen?
Ich habe niemanden bewusst ins Unglück gestürzt. Ich bin mit mir im Reinen, aber natürlich gibt es keine Vollkommenheit. Das ist ja ein entscheidender Teil des christlichen Glaubens, der auch für die Politik gilt: Wenn man weiß, dass die eigene Meinung nur die vorletzte Meinung ist und dass es da jemanden gibt, der die endgültige Wahrheit kennt, dann ist das prägend. Wenn vielleicht doch der andere recht haben könnte, der politische Gegner, ist das ein Hinweis darauf, dass man tolerant sein muss. Aus einem christlichen Verständnis heraus ist niemand im Besitz der absoluten Wahrheit. Es regen mich manchmal Politiker, egal welcher politischen Richtung, auf, die immer meinen, ihre Meinung sei die absolut gültige und richtige Wahrheit.
Wir leben in sorgenvollen Zeiten, nimmt da das Gottvertrauen wieder zu?
Ich sehe derzeit nicht, dass das Gottvertrauen in der Gesellschaft wieder wächst. Das hat auch damit zu tun, dass die Kirchen oft nicht mehr den Ton treffen. Entweder machen sie selbst zu viel Parteipolitik, oder sie stellen viel zu selten den Bezug zu Gott her. Sie können heute ganze Predigten hören, in denen Gott und der Glaube nur noch wenig vorkommen.
Was ist bei dem Krieg Russlands in der Ukraine die richtige Politik?
Das Ziel Putins ist, wie er es in den letzten Jahren mitgeteilt hat, das alte Zarenreich wiederzuerrichten, und Ländern wie der Ukraine das Recht auf Eigenstaatlichkeit und Selbstbestimmung abzusprechen, gegen jedes Völkerrecht. Er geht sogar so weit, die Länder in der Nachbarschaft als Bestandteil seines Sicherheitsraums zu betrachten. Das ist ein Machtanspruch eines Diktators, der von freiheitlich denkenden Menschen nicht hingenommen werden kann. Dagegen muss man zusammenarbeiten und diesen Diktator daran hindern, bevor er noch weiter geht.
Was sagen Sie zu den Offenen Briefen, die nun vor allem Friedensverhandlungen fordern?
Putin wird keinen Quadratkilometer des Landes, das er gegen jedes Völkerrecht und gegen den Willen der dortigen Bevölkerung erobert hat, zurückgeben. Er sagt selbst, dass er danach so weitermachen möchte. Man sollte Diktatoren manchmal glauben. Man hat Hitler nicht geglaubt, als er alles in seinem Buch aufgeschrieben hatte, man dachte nicht, dass er wirklich so Schlimmes tun werde. Dieselbe Argumentation höre ich jetzt in Bezug auf Putin. Sie war falsch und ist falsch, und deswegen müssen solche Leute, die brachial gegen Menschenleben vorgehen, daran gehindert werden. Wenn Menschen in der Ukraine um ihr Leben kämpfen, ist es nicht an uns, zu sagen: Ihr müsst euch versklaven lassen. Die Ukrainer müssen selbst die Entscheidung über ihr Schicksal treffen, deswegen müssen wir ihnen helfen. Deswegen sind die Waffenlieferung auch richtig. Ich bin da auf der Seite von Annette Kurschuss, der Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die gesagt hat, dass Waffenlieferungen auch nach christlicher Überzeugung in bestimmtem Maße möglich sind. Das Recht auf Selbstverteidigung muss möglich sein, sonst überlässt man den Diktatoren diese Welt.
Es gibt in Deutschland eine gewisse Aufrüstung, auch in anderen europäischen Ländern. Was macht das mit Europa?
Ich sehe da keine Aufrüstung, sondern eine Nachrüstung auf den alten Stand. Wir haben Armeen, die nicht handlungs- oder verteidigungsfähig sind. Die Bundeswehr sollte in der Lage sein, einen möglichen russischen Angriff gemeinsam mit den Partnern in EU und NATO abzuwehren. Und sollen wir etwa die Balten allein lassen, die Polen oder die Finnen? Dann werden wir auch einmal allein gelassen. Ich glaube, dass das auch Teil eines christlichen Gebotes ist, Menschen zu helfen, ihre Menschenwürde zu verteidigen. Wenn Putin in der Ukraine gewinnt, geht er weiter. Das hat er selbst gesagt.
Vielen Dank für das Gespräch!
2 Antworten
Die Lösung kann hier nur sein zu verhandeln und solange nur noch bedingt schwere Waffen zu liefern. Es muss doch möglich sein über die Geheimdienste in Russland Ansprechpartner zu finden, die eine schnelle Lösung des Konflikts unterstützen. Es wird leider von vielen Medienschaffenden und Politikern nicht zu Ende gedacht: Selenski will die gesamte Ukraine zurück mit Atomwaffen auf seinem Gebiet, die in 5 Min. Moskau zerstören können. Das kann doch nicht unser Anspruch dies zu unterstützen. Zu mal dies nur mit einer massiven Aufrüstung und Umstellung auf Kriegswirtschaft mit enormen Verlusten an Menschenleben und wirtschaftlichem Kollaps zu erreichen ist. Warum sieht man das nicht? Was aus dem verteidigen der Freiheit am Hindukusch wurde sehen wir ja. Viele der amerikanischen Aktivitäten wie arabischer Frühling und Vietnamkrieg sind gnadenlos gescheitert. Europa muss endlich bereit werden nicht jedem Machtanspruch der Amerikaner gleich auf den Leim zu gehen. Denn sonst droht uns wie jetzt durch die Sanktionen mindestens wirtschaftlicher Niedergang wenn nicht noch viel schlimmeres
Mit einem Diktator der keinen Hehl daraus macht ein Land 100% vernichten zu wollen in Verhandlung zu treten dürfte schwierig sein. Es doch auch nicht so das es keine Diplomatie gegeben hat. Wer auf unrechtmäßige brutale weise das Leben und die Freiheit zerstört muss unbedingt in die Schranken gewiesen werden. Die Diplomatieversuche sind im zweiten Weltkrieg auch an der Realität zerschellt eine ausgestreckte Hand muss immer da bleiben aber man sollte stark genug bleiben um sich nicht übertölpeln zu lassen. Das Volk Israel hat sich in früheren und heutigen Zeiten permanent verteidigen müssen. Ich glaube es ist auch eine Frage der persönlichen Betroffenheit. Nach einigen Gesprächen mit Menschen aus der Ostukraine bleiben nur Tränen und Verständnis zur Verteidigung für die Freiheit.