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EKD und Missbrauchsbetroffene einigen sich auf neues Aufarbeitungsmodell

Betroffene sexualisierter Gewalt und EKD haben sich auf ein neues Modell zur Beteiligung der Missbrauchsopfer bei der innerkirchlichen Aufarbeitung verständigt. Im vergangenen Jahr hatte die EKD den Betroffenenrat aufgelöst.
Von Norbert Schäfer
Sexualisierte Gewalt ist nach wie vor ein Problem in der Evangelischen Kirche

Foto: EKD

In Landeskirchen und Diakonie sind seit 1950 insgesamt 881 Fälle sexualisierter Gewalt aktenkundig geworden

Betroffene sexualisierter Gewalt in der Kirche und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) haben sich nach dem Scheitern des ursprünglichen Betroffenenbeirates im vergangenen Jahr auf eine neue Form der gemeinsamen Aufarbeitung verständigt. Das hat die EKD am Montag mitgeteilt. Dazu wird ein „Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt“ ins Leben gerufen, das zum zentralen Gremium für die Aufarbeitung und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt in der Kirche werden soll.

Die neue Struktur sieht „eine starke Partizipation Betroffener und eine aktive Rolle in der Gestaltung von Aufarbeitung, Prävention, Intervention, Unterstützung und Anerkennung in der evangelischen Kirche und Diakonie“ vor. Betroffene sexualisierter Gewalt und Vertreter von Kirche und Diakonie wollen im Beteiligungsforum gemeinsam Lösungen anstreben. Das neue Beteiligungsforum soll zum zentralen Gremium innerhalb der EKD werden, in dem alle Fragen, die sexualisierte Gewalt betreffend, bearbeitet werden. Der Braunschweiger Bischof Christoph Meyns, Sprecher des Beauftragtenrats für das Thema in der EKD, erkennt in dem neuen Ansatz „eine weitergehende Form der Beteiligung als bisher“.

Präses der EKD-Synode mit in dem Gremium

Ziel des neuen Beteiligungsforums soll die „verbindliche Mitwirkung von Betroffenen an Entscheidungen und Maßnahmen zum Schutz vor und zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt“ sein. Dazu sei eine strukturierte Kommunikation zwischen Betroffenen und Kirchenvertretern unerlässlich. Der Prozess soll durch externe Moderation, Supervision und Prozessbegleitung unterstützt werden.

Der bisherige Versuch, Betroffene sexualisierter Gewalt bei der Aufarbeitung zu beteiligen, war im vergangenen Jahr gescheitert. Die Arbeit des Betroffenenbeirats, das Pendant zum EKD-Beauftragtenrat zu dem Thema, war im Mai 2021 nach internen Unstimmigkeiten und zahlreichen Rücktritten durch den Rat der EKD ausgesetzt worden. Das neue Beteiligungsforum setzt sich nun aus Mitgliedern des ehemaligen Betroffenenbeirates und Kirchenvertretern zusammen. Dem neuen Forum sollen darüber hinaus auch die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, der EKD-Bevollmächtigte Martin Dutzmann sowie Vertreter der Diakonie, der Landeskirchen und der zuständigen Fachstelle der EKD angehören.

Claus seit März Unabhängige Beauftragte der Regierung

„Ich habe Vertrauen in das neue Modell, das in vielen Gesprächen mit Betroffenen und den Vertretern der Kirche entwickelt wurde“, erklärte Meyns. Aus dem ehemaligen Betroffenenbeirat sagte Detlev Zander zu dem neuen Vorhaben: „Das neue Beteiligungsforum bietet die Chance, den notwendigen Weg der EKD in der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt bei jedem Schritt kritisch zu begleiten und die Perspektive Betroffener direkt einzubringen.“ Zander wertete das Vorhaben als „einen Meilenstein in den Aufarbeitungsprozessen sexualisierter Gewalt in Deutschland.“

Im März hatte die Bundesregierung die Journalistin Kerstin Claus zur neuen Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs berufen. Sie ist eigenen Angaben zufolge selbst Betroffene von sexuellem Missbrauch in der Kirche. Ihr Vorgänger, Johannes-Wilhelm Rörig, hatte das Amt Ende Februar vorzeitig niedergelegt. Claus hatte zuvor dem Betroffenenrat des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs angehört und in dieser Funktion auch mit der ehemaligen Sprecherin des EKD-Beauftragtenrates zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie, Bischöfin Kirsten Fehrs, zu tun. Claus hatte seinerzeit die Aufarbeitung durch die Kirchen bemängelt und die Übernahme des Prozesses durch den Staat gefordert.

Claus erklärte laut dem Evangelischen Presse-Dienst (epd), für sie sei das neue Modell „noch nicht zu greifen“ und es stellten sich ihr „aktuell verschiedene Fragen“, welche Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte Betroffene über das Beteiligungsforum konkret erhielten und wie deren Anliegen öffentlich sichtbar gemacht werden könnten. Sobald sie das Konzept näher kenne, werde sie den Prozess zu verbindlichen Strukturen der Aufarbeitung fortsetzen, ergänzte Claus. Schon Amtsvorgänger Rörig hatte mit der EKD über eine Vereinbarung zu Standards bei der Aufarbeitung verhandelt.

Mit Material von epd.

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