Eine aus der Not geborene Erfolgsgeschichte

Die Deutsche Fernschule feiert im Juni ihren 50. Geburtstag. Der Verein unterrichtet weltweit über 560 deutsche Grundschulkinder in 130 Ländern. Begonnen hat alles mit einem Missionars-Ehepaar, das Schulmaterial für sein Kind benötigte.
Von Johannes Blöcher-Weil
Eine Schülerin brütet über den Aufgaben der Deutschen Fernschule

Der Geschäftsführer der Deutschen Fernschule Hartmuth Bischoff ist ehrlich: „Als die Schule 1971 gegründet wurde, gab es keine Strategie, wie sie sich entwickeln sollte“, sagt er im Gespräch mit PRO. Damals wollten Missionare nach Afrika ausreisen und brauchten Material, um ihre Kinder zu unterrichten.

Aus ihrer Anfrage an einen befreundeten Pädagogen hat sich eine Einrichtung entwickelt, die in den vergangenen 50 Jahren mehr als 18.000 Kinder beschult hat. Besagter Pädagoge hat dem Paar verschiedene Schulbücher mitgegeben. Für eine langfristige Lösung habe er eigenes Material erstellt, das Eltern mit ihren Kindern erarbeiten können. Es war die Geburtsstunde der Deutschen Fernschule. Denn immer mehr Menschen wollten das Angebot nutzen.

Die drei Pioniere Alfred Finken, Alfred Grünhagen und Günter Schwesig legten den Grundstein für das Kurswerk, die Verwaltung und die Öffentlichkeitsarbeit: „Sie haben ehrenamtlich viel Herzblut und Geld in die Sache investiert“, erklärt Bischoff. Um die Idee nachhaltig umzusetzen, wurde 1976 ein gemeinnütziger Verein gegründet. Er sorgte für klare Strukturen und half dabei, ein Jahr später die erste bezahlte Kraft anzustellen.

560 Schüler in 130 Ländern

Heute hat die Fernschule 35 Angestellte in Wetzlar und 30 Betreuungslehrer, die sich auf Honorarbasis um die Schüler kümmern. Neben den Pädagogen bereiteten Grafiker das Material für die Kinder auf. In Wetzlar gibt es eine eigene Druckerei. Aus der hessischen Kleinstadt wird das Material in die weite Welt verschickt.

In den Paketen für die Schüler befinden sich Bücher und sonstiges Unterrichtsmaterial. Die Klientel der Fernschule hat sich über die Jahrzehnte stetig verändert. Die Zahl der Missionare ist deutlich zurückgegangen: „Das hat damit zu tun, dass der Zeitraum von Missionseinsätzen immer kürzer geworden ist.“

Die Schüler der Deutschen Fernschule leben in 130 Ländern und bearbeiten dort die Aufgaben.

Die 560 Schüler leben in 130 Ländern: der Großteil im asiatischen Raum oder in den USA. Oft seien die Eltern für deutsche Firmen im Ausland tätig. Gestiegen ist auch die Zahl der Bundeswehr-Angehörigen, „seit Ursula von der Leyen die Bundeswehr zum familienfreundlichsten Unternehmen Deutschlands machen wollte“. Manches Elternteil hat einen ausländischen Partner geheiratet und möchte weiter das deutsche Schulsystem nutzen. „Seit zwei Jahren haben wir einige Kinder, die nicht mit dem Unterricht unter Pandemiebedingungen klarkamen“, sagt Bischoff. Und dann gebe es noch Schülergruppen, die es in einer Regelschule schwer hätten: etwa Autisten. „Der Bedarf für unser Angebot und die individuelle Begleitung der Schüler ist groß.“

Digitalisierung schafft neue Möglichkeiten

Der Ansatz der Fernschule sei es, den Stoff der staatlichen Lehrpläne so gut wie möglich umzusetzen. Das erstellte Material werde von den staatlichen Behörden geprüft und zertifiziert. Die Kunden erhielten dann ein Raster mit Empfehlungen, wie und in welcher Reihenfolge sie Themen bearbeiten: „Das ist zeitlich und örtlich völlig flexibel.“

Die Kinder der Vorschule sowie der Klassen eins und zwei benötigten in jedem Fall noch eine Begleitperson: „Das muss aber keine pädagogisch geschulte Person sein, sondern ist in der Regel ein Elternteil oder ein Lernhelfer. Bei Missionaren sind es oft Menschen im Kurzzeit-Dienst, die für ein paar Monate oder ein Jahr in der Mission helfen wollen.“ Im Material seien alle Erklärungen und Aufgaben für die Kinder enthalten, aber eben auch alle Hinweise für die Begleitperson.

Jeder Betreuungslehrer ist für zehn bis 30 Schüler zuständig, mit denen er Kontakt hält, sie bei der Bearbeitung des Materials begleitet und ihre Tests korrigiert. Es ist natürlich wichtig, dass die Betreuungskräfte die kulturellen Begebenheiten und Eigenheiten der Länder kennen. Dabei hätten die technischen Möglichkeiten auch die Chancen erweitert, sich mit dem Betreuungslehrer digital zu vernetzen, betont Bischoff.

Auf gesellschaftliche Debatten reagieren

In den vergangenen 18 Monaten hat die Fernschule auf Nachfrage damit begonnen, auch Material für Fünft- und Sechstklässler zu entwickeln. Die Fernschule über die Klasse sechs hinaus zu erweitern, ist aktuell kein Thema. Bischoff verweist sowohl auf pädagogische als auch auf Platzgründe. Neue Kurse zu entwickeln, sei sehr teuer. Außerdem gebe es für diese Altersklasse schon Anbieter.

Einzige Einnahmequelle für die Institution ist das Schulgeld der Eltern. Staatliche Gelder oder Zuschüsse gibt es nicht: „Wir sitzen zwischen allen Stühlen. Das Kultusministerium in Hessen sagt, dass wir keine Schüler aus Hessen haben. Deswegen fühlen sie sich nicht zuständig.“ Ähnliches gilt für die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, die sich um Auslandsschulen kümmert. Auch dieses Kriterium erfüllt die Wetzlarer Schule nicht.

Oft würden die Eltern vom Arbeitgeber oder einer Missionsgesellschaft finanziell unterstützt. Als gemeinnütziger Verein versuche man, die Gebühren so günstig wie möglich zu halten. Ein komplettes Schuljahr mit Material und Betreuung kostet knapp über 5.000 €. Schüler an internationalen Schulen vor Ort müssten ein Vielfaches der hiesigen Gebühren bezahlen. Für bestimmte Personengruppen gebe es eine Härtefall-Regelung: „Das darf nicht am Geld scheitern.“

Herausforderung China

Herausfordernd sei die Arbeit, wenn es zu politischen Unruhen oder Naturkatastrophen in den jeweiligen Ländern der Schüler kommt. Die Kommunikation und der Umgang damit liege in den Händen der Betreuungspersonen, die mit den Kindern kommunizieren. Außergewöhnlich sei die Lage derzeit in China: „Das Land verfolgt gerade wieder eine sehr restriktive Politik, auch was die Einfuhrbestimmungen betrifft.“ Deswegen sei es wichtig, das Material auch als Schulmaterial zu deklarieren.

Auch die Pandemie habe die Arbeit der Fernschule noch einmal gefordert: „Zunächst hatten wir Angst davor, dass alle Schüler nach Deutschland zurückkehren und wir den Laden dicht machen müssen.“ In der Phase des Lockdowns habe die Schule offensiv bei den Ministerien für ihr Konzept geworben – mit einer eher mauen Resonanz.

Die Fernschule habe schon immer das Material gehabt, „damit Kinder über die Entfernung lernen können“. Auch die Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Privatschule, die aus der Fernschule heraus gegründet wurde, ist deshalb technisch gut ausgestattet. Das habe sich während der Lockdowns ausgezahlt. „Die Kinder hatten vom Konzept her schon früh ein iPad und konnten damit umgehen. Da war der Übergang von der einen Unterrichtsform zur anderen kein Problem.“

Für die Zukunft wünscht sich Bischoff ein beweglicheres Bildungssystem. Das Konzept der Fernschule könnte das bestehende Konstrukt gut ergänzen: „Etwa Kindern, die im klassischen System aus unterschiedlichen Gründen nicht zurechtkommen.“ Da die Schule aber durch alle Raster falle, gehe es darum, hier „dicke Bretter“ zu bohren. Er hofft, dass das Angebot der Fernschule noch bekannter wird – auch ohne ausgeprägten Werbe-Etat.

Die Schule evaluiere immer, wenn eine Familie ins deutsche Schulsystem zurückkehre. „Häufig hören wir, dass die Kinder schulisch weiter sind, als die Kinder der übrigen Schulen.“ Nicht zu unterschätzen sei die kulturelle Eingewöhnung von Kindern nach einem Auslandsaufenthalt. „Manche haben Probleme, sich in einen lauten Klassenverband zurechtzufinden.“ Häufig hätten die Rückkehrer ein sehr positives Sozialverhalten und bereicherten den Klassenverband. Die überschaubare Unterrichtszeit im Ausland schaffe Freiräume, um Kontakte zu pflegen.

Offen für Kinder aller Glaubensrichtungen

Die Deutsche Fernschule sei 1971 bewusst als christliche Organisation gegründet worden. Dieses Menschenbild präge die Arbeit und das erstellte Material bis heute, „wenn auch nicht mehr so eindeutig wie zu Beginn. Wir haben unser Material für Nichtchristen angepasst, weil wir als neutraler Bildungsanbieter für Kinder aller Glaubensrichtungen offen sein möchten.“ Mitarbeiter der Fernschule treffen sich immer noch regelmäßig zu einer Andacht, auch um für die Fernschüler zu beten: „Intern haben wir eine christliche DNA.“

Bei der Festveranstaltung anlässlich des 50. Geburtstags am 24. Juni, die aus Pandemiegründen um ein Jahr verschoben werden musste, referiert die Hamburger Pädagogik-Professorin Christine Schmalenbach. Sie war selbst Schülerin an der Deutschen Fernschule: „Sie hat ihre ersten Lernerfahrungen mit der Fernschule gemacht und denkt gerne an diese Zeit zurück.“ Ein größeres Kompliment aus berufenem Mund kann es für Bischoff und seine Mitarbeiter kaum geben.

Hartmuth Bischoff ist Geschäftsführer der Deutschen Fernschule.

Hartmuth Bischoff ist Geschäftsführer der Deutschen Fernschule. Nach seiner Ausbildung war er zunächst beim Brunnen-Verlag und ChrisMedia tätig. 2012 wechselte er zur Deutschen Fernschule und ist seit 2016 deren kaufmännischer Leiter.

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Eine Antwort

  1. Danke für den Bericht.
    Mich freut es sehr von so einer Einrichtung zu hören. Für Missionare sind 5k € pro Kind und Schuljahr kein Pappenstiel, für Expats die von ihrer Firma geschickt werden leicht machbar.
    Ich hoffe der Verein behält sich seine christliche DNA und lässt sie auch beim Menschen- und Weltbild (es gibt einen Schöpfergott) durchschimmern.
    Und ich hoffe die Gender-Ideologie hält keinen Einzug bei den Fernschulen.

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