Unterricht ohne Klassenräume: 40 Jahre Deutsche Fernschule

Die Schüler bekommen ihre Hausaufgaben nach Hause geschickt. Was sich für manch deutschen Pennäler wie ein toller Service anhört, ist für die Absolventen der Deutschen Fernschule Normalität. Die Wetzlarer Institution feiert am Wochenende ihr 40-jähriges Bestehen.

Von PRO

Die Schule hat in den vier Jahrzehnten über 12.000 deutschsprachige Kinder in über 140 Ländern unterrichtet. Der Pädagoge Alfred Finken hatte die Schule 1971 gegründet und mit dem Versand von Unterrichtsmaterialien an eine erste Familie im Ausland begonnen. Ursprünglich handelte es sich um eine besondere Dienstleistung für Missionare, die sonst ihre Auslandsaufenthalte hätten abbrechen müssen, wenn sie die schulische Bildung ihrer Kinder nicht hätten vernachlässigen wollen. Deshalb entwickelte der Pädagoge erste Unterrichtseinheiten für Schulanfänger. Zwei Jahre später war die Zahl der Empfänger schon auf 40 angestiegen. Bis 2001 folgten Finken noch die beiden Pädagogen Alfred Grünhagen und Günter Schwesig in der Schulleitung, die auch das pädagogische Konzept weiterentwickelten.



30 Mitarbeiter halten regelmäßig Kontakt



Seit mittlerweile 40 Jahren unterrichtet die Schule nun Kinder im Vorschulalter und bis zur fünften Klasse mit eigens entwickeltem Unterrichtsmaterial – pro Jahr sind es mittlerweile 550. Die Mitarbeiter in der Zentrale in Wetzlar halten per Post und E-Mail Kontakt zu ihren Schülern. Das Unterrichtsmaterial, so der amtierende Schulleiter Georg A. Pflüger im Gespräch mit pro, orientiert sich an den Lehrplänen und Standards der deutschen Kultusministerien.



Aktuell sind 43 Prozent der Schüler Kinder von Mitarbeitern aus dem kirchlichen Bereich, die Eltern von jedem dritten Schüler arbeiten für eine ausländische Firma. In zwölf Prozent der Fälle nehmen interessierte Bürger im Ausland diesen Service wahr. Etwa vier Prozent sind Kinder von Mitarbeitern des Auswärtigen Amts.

Seit 1982 ist die Deutsche Fernschule von dieser Behörde empfohlen. Die staatlich zertifizierten Lehrbriefe werden alle drei Jahre von der Zentralstelle für Fernunterricht überprüft. Anfang der 80er Jahre zog die zunächst in Stuttgart beheimatete Deutsche Fernschule nach Gießen-Klein-Linden. Seit 1998 hat sie ihren Sitz auf einem ehemaligen Kasernengelände in Wetzlar.



"Das höchstmögliche Bildungsniveau sichern"


"Wir wollen mit der Deutschen Fernschule das höchstmögliche Bildungsniveau der Kinder sichern und dafür sorgen, dass die Kinder auf der einen Seite ihre kulturellen Wurzeln behalten und andererseits auch die Umwelt in ihrem Auslandsort erleben können", heißt es auf der Internetseite der Schule. Ein Betreuungslehrer begleitet in Deutschland den Deutschunterricht, um sicher zu stellen, dass die Kinder sich immer auf dem Standard deutscher Schulen befinden und jederzeit in diese zurückkehren können.



Pädagogen in Deutschland erarbeiten das Unterrichtsmaterial. Ein Lernhelfer vor Ort ermöglicht für die Kinder eine 1:1-Betreuungssituation. Dadurch beschränkt sich die Schulzeit auf circa vier Stunden täglich. Anschließend haben die Kinder Zeit, mit Kindern im Gastland zu spielen sowie deren Sprache und Kultur zu erlernen. Der Lehrplan erlaubt somit viel Flexibilität.



Auch für Elternteile ohne pädagogische Ausbildung



Der Vollunterricht für die Fernschüler besteht aus den Kernfächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht. Als Zusatzfächer können Kunst und Englisch hinzu genommen werden. Alle Kurse sind so ausgearbeitet, dass diese auch Elternteile ohne pädagogische Ausbildung mit dem Kind durchführen können. Der Betreuungslehrer in Deutschland korrigiert und benotet die Tests, die im Abstand von zwei Wochen geschrieben werden, und stellt am Ende das Zeugnis aus. "Unser Ziel ist es, mit den Kindern von Anfang an, an die Grenzen ihres Wissens zu gehen. Sie sollen darauf brennen, etwas in dieser Welt zu bewegen", betont Pflüger.



Ihm geht es dabei vor allem um die Vermittlung von Werten – individualisiert, im Lerntempo der Lernenden und emotional positiv: "Das funktioniert auch im Fernunterricht gut. Wir sagen nicht unbedingt, gebt den Kindern christliche Werte weiter, sondern wir sagen, gebt ihnen eure Werte weiter." Die Kinder an die Hand zu nehmen, eine gute Beziehung und Lernmöglichkeiten zu eröffnen sind für ihn deswegen die zentralen Punkte der Ausbildung. DieEltern dürften dabei ihre Verantwortung nicht an der Schultür zurücklassen. Alle Schulstufen, die über die 5. Klasse hinausgehen, bietet das Institut für Lernsysteme (ILS) in Hamburg an.

Großes Potential der Genossenschaftsschulen



Im Grußwort für das Jubiläum hat die Zentralstelle für Auslandsschulen, die für weltweit 145 Schulen dieser Art zuständig ist, die Deutsche Fernschule als wichtige Ergänzung im deutschen Auslandsschulwesen bezeichnet. "Schön das so zu lesen", bekennt Pflüger auch ein wenig mit Stolz.



Aus der Erfahrung im Fernunterricht entstand vor vier Jahren in Wetzlar eine Grundschule mit einem besonderen pädagogischen Konzept: Werteorientiert, individualisiert und unter besonderer Einbeziehung der Eltern. Derzeit hat die Kleinschule in der Spilburg insgesamt 32 Schüler in den Jahrgängen 1 bis 4 mit Eingangsstufe. Pro Schuljahr werden maximal sieben Kinder aufgenommen. Pflüger sieht das große Potential der kleinen Genossenschaftsschulen auch, weil immer mehr staatliche Grundschulen in ländlichen Regionen angesichts rückläufiger Schülerzahlen schließen müssten.



"Gespannt, was Gott noch alles vorhat"



"Aus meiner Sicht bringt diese Schule sämtliche Vorteile der alten Dorfschule ohne die damaligen Nachteile. Uns ist es wichtig, selbstbewusst zu agieren gegen allen Reformstau im Bildungswesen", erklärt Pflüger. Um sowohl die Fernschule als auch die Grundschule zu unterstützen, soll am Samstag im Rahmen des Jubiläums in Wetzlar auch der Stiftungsakt zur Gründung der "Weise-Stiftung" vollzogen werden. "Damit wollen wir zum einen Menschen unterstützen, die sich ansonsten das Fernschulprogramm nicht leisten können, andererseits soll die Stiftung auch Anschubfinanzierungen für weitere Schulgründungen bieten." Bei seinem Blick in die Zukunft merkt man Pflüger eine Art Vorfreude an: "Ich glaube, dass diese Schulform ein großes Potential hat und bin gespannt, was Gott mit dieser Einrichtung noch alles vorhat."



Das Jubiläum am Samstag feiert die Schule gemeinsam mit den Kooperationspartnern. Neben einem "Get together" gibt es auch unterschiedliche Kurz-Statements rund um das Thema "Schulgenossenschaft, Demographie und E-Learning". Am Nachmittag ist die Öffentlichkeit eingeladen, wenn die Grundschulkinder das Musical "Elisabeth von Thüringen" aufführen und die Stiftung gegründet werden soll. (pro)




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