Meinung

Ein kühler Abschied

Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde vorige Woche per Großem Zapfenstreich aus ihrem Amt verabschiedet. Eine seltsame, eigentümlich kühle Zeremonie, findet Jürgen Mette. Aber immerhin mit Gottes-Bezug.
Von Jürgen Mette
Jürgen Mette

Obwohl die Kanzlerin im Zentrum des Großen Zapfenstreichs stand oder saß, wirkte sie an diesem kühlen und dunklen Abend im Innenhof des Bendler Blocks irgendwie ziemlich einsam. Die „Wir-schaffen-das!“-Kanzlerin, mächtigste und populärste Politikerin der Welt, absolvierte das militärische Protokoll nahezu regungslos und machtlos. Die gastgebende Verteidigungsministerin und der Generalinspekteur der Bundeswehr machten bei einem gefühlten Minus-unter-null-Grad-Klima bei politisch verordneter 150 cm-Distanz zur Noch-Kanzlerin einen ebenso leicht angefrosteten Eindruck. Das Fackel tragende Wachbataillon – mit allerlei Zierrat und Orden behängt – bewegte sich eckig, Stiefel knallend und Stahlhelm tragend wie ferngesteuerte Playmobil-Figuren über den geschichtsträchtigen Hartsteinboden der Gedenkstätte des Widerstands gegen Hitler.

Der akkurate und hölzern wirkende Aufmarsch, die Flöte spielenden und Trommel schlagenden Musikanten, die starren Blicke der Kommandierenden, die laut und gleichsam unverständliche Befehle schreien und der Protagonistin dieser Feier artig Meldung machten, wirkten auf mich fremd und kalt. Warum trägt die höchste Militärkapelle Stahlhelme und keine warme Mützen? Stahlhelme stehen für eine vergangene Epoche der deutschen Geschichte. Bei allem nötigen Respekt vor den Soldaten der Bundeswehr: Passt diese Zeremonie noch in unsere Zeit?

Der Text des pietistischen Mystikers Gerhard Tersteegen „Ich bete an die Macht der Liebe“ wirkt in diesem Waffenstarrenden Tschingderassabum mit seinen zarten Bildern einer tiefen Jesus-Frömmigkeit völlig deplatziert. Auf welche „Textauslegung“ sich der Kommentar von Bettina Schausten (ZDF) bezog, bleibt unklar: Diese Auslegung des Liedtextes sei nicht nur ein christliches Gebet, sondern eine Aufforderung zum Innehalten und der Andacht für Angehörige aller Religionen. Ich konnte diese überarbeitete Variante nirgends finden.

Übrigens, dass nicht alle Mitglieder der neuen Regierung den Gottesbezug in ihre Eidesformel aufgenommen haben, werte ich als aufrichtig und ehrlich. Denn was nützen Lippenbekenntnisse? Allen, die sich nun über die Minister und den Kanzler ärgern, die nicht auf Gottes Hilfe geschworen haben, ermutige ich zum Gebet für die Regierung.

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8 Antworten

  1. Sehr geehrter Herr Mette,

    gut – nein sehr gut gebrüllt Löwe. Ja, auch ich hatte diesen Eindruck vom „Großen Zapfenstreich“. Interessant war für mich – fast ausschließlich Radio- Hörer – daß in eben diesem Radio nichts zu hören war von „Großer Gott wir loben Dich“ einem Wunschlied von Fr. Dr. Merkel.
    Nein, ich bin auch – ausnahmsweise – nicht einverstanden mit Ihrer Meinung „werte ich als aufrichtig und ehrlich. Denn was nützen Lippenbekenntnisse? “ Wer keine Macht über sich akzeptiert, der verliert sicher den Blick auf die, die unter ihm stehen. Wer GOTT nicht als höchste Instanz sieht, welchen Berater will er in Not anrufen?

    Seien Sie Gott befohlen

    Herzliche Grüße

    Peter Mende

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  2. Zu dieser Zeremonie bei Muttis Abschied, passt am besten die Überschrift von Jürgen Mettes Kolumne: Von Heiligen und Scheinheiligen. Wobei wahrscheinlich letztere überwiegen.

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      1. Eine gute Frage, über die ich erst ein wenig nachdenken müsste. Es ist schwer ein ganzes Leben in einer Überschrift zusammen zu fassen. Was mir einfiel: Christi Blut und Gerechtigkeit dass ist mein Schmuck und Ehrenkleid… Oder anders ausgedrückt : Durch Jesu Gnade vom Scheinheiligen zum Heiligen. Vielleicht stören sie sich an dem Urteil, dass es mehr Scheinheilige als Heilige gibt. Aber wie sagt schon Jesus von dem schmalen und breiten Weg, den ersteren gehen wenige, den zweiten viele. Oder gilt das heute nicht mehr ?

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  3. Auch das Gebet für die Regierung wird in der Bibel nicht schrankenlos gefordert.
    s. Jer. 11.
    Ich habe nicht behauptet, dass wir schon „so weit“ sind.

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  4. Vielen Dank für den sehr guten Kommentar, Herr Mette.
    Frau Merkel wurde allerdings sowohl im Kanzleramt als auch auch im Bundestag sehr würdig und wertschätzend verabschiedet, was sie zweifelsohne verdient.
    Die Selbstgerechtigkeit, die aus den frommen Kommentaren zu diesem Ereignis und zur anschließenden Vereidigung der neuen Regierung (Eidesformel) spricht, und die andere der Scheinheiligkeit zeiht, gehört zum typischen Inventar evangelikaler Oberfrommer und sagt mehr über deren Selbstgerechtigkeit und intellektuelle Defizienz als über die Kritisierten.
    Wenn man in fromme Werke und Institutionen blickt, gibt es keinen Grund für moralische Überheblichkeit! Und das ist Fakt!
    MfG

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    1. Meine Güte, lieber Carvalho.
      Man darf eben auch mal kritisieren und dabei polemisch werden.
      Das ständige Kritisieren der Kritisierenden macht auch aus ihnen einen andauernden Kritisierenden.
      Besinnliche Winterzeit.

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      1. Ich kritisiere hier – in der Tat immer und immer wieder – bestimmte Kommentatoren, weil diese für sich beanspruchen exklusiv über die biblische und/oder göttliche Wahrheit zu verfügen. Und derweil mischen sich in deren Kommentaren krude politische und religiös-ideologische Vorstellungen zu einem Gemisch, das ich nicht als die „christliche Position“ stehen lassen möchte, weil das den Glauben zu einer geistlosen Angelegenheit macht.
        Seien Sie versichert: Vergnügungssteuerpflichtig wird mein Widerspruch vermutlich nicht!
        MfG
        Carvalho

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