Drei Monate nach dem Beben: Die Not ist groß

Am 6. Februar haben zwei Erdbeben den Südosten der Türkei und Teile Syriens verwüstet. Drei Hilfswerke ziehen eine erste Zwischenbilanz der Hilfe. Die Not ist weiterhin groß, die Schäden ebenso.
Von Norbert Schäfer
Diakonie Katastrophenhilfe

Am 6. Februar hatten zwei Erdbeben der Stärke 7,7 und 7,6 den Südosten der Türkei und Teile Syriens verwüstet. Schätzungen zufolge kamen dabei mehr als 57.000 Menschen ums Leben, darunter tausende Migranten. Millionen Menschen wurden durch die Naturkatastrophe obdachlos. Bei der Katastrophenhilfe engagieren sich auch christliche Hilfswerke.

Die Diakonie Katastrophenhilfe war nach Informationen von Pressesprecher Tommy Ramm bereits vor den Erdbeben in den betroffenen Regionen aktiv und konnte daher bereits wenige Stunden nach der Katastrophe mit Partnerorganisationen sowohl in der Türkei als auch in Syrien mit Matratzen, Trinkwasser, Kleidung, Zelten und Decken helfen.

Viele Menschen verbrachten die Nächte nach dem Beben unter freiem Himmel, entweder weil ihre Häuser eingestürzt waren, oder aus Angst vor Nachbeben. Zigtausend Menschen leben jetzt in provisorischen Zeltcamps.

Um die Hygienesituation zu verbessern, hat das evangelische Hilfswerk Hygienepakete verteilt, in Zeltcamps Duschkabinen und Latrinen aufgebaut, auch bei der Versorgung mit Wasser geholfen. Damit soll der Ausbruch von Krankheiten vermieden werden. In den ersten zwei Monaten erreichte die Diakonie Katastrophenhilfe so eigenen Angaben zufolge mehr als 13.000 Betroffene des Bebens in der Türkei. In den kommenden Monaten sollen insgesamt mehr als 66.000 unterstützt werden.

„In Syrien hat das Erdbeben eine bereits in tiefer Not lebende Bevölkerung getroffen“, konstatiert Ramm. Bei vielen Menschen sei nach den Kriegserlebnissen, Vertreibung und persönlichen Verlusten noch das Erdbeben hinzugekommen. „Ihre Lage ist katastrophal.“ Mit vier Projekten unterstützt die Hilfsorganisation nun fast 95.000 Menschen in dem Land. Unter anderem mit psychosozialen Maßnahmen. Die sollen helfen, dass die Menschen die erlebten Traumata verarbeiten können.

Anfang April hat sich Ramm einen Überblick vor Ort in der Türkei verschafft. Die Not sei groß. „Ein umfänglicher Wiederaufbau ist noch weit entfernt und viele Familien werden lange Zeit in Zelten oder Containern leben müssen“, schätzt er. „Die Zerstörungen sind immens.“

Besonders schwierig bewertet Ramm die Lage für viele syrische Geflüchtete in der Türkei. „Sie zu unterstützen und nicht außer Acht zu lassen, ist ein wichtiges Anliegen, das wir als Diakonie Katastrophenhilfe weiter unterstützen werden.“ Die Hilfsorganisation konnte eigenen Angaben zufolge bisher rund 7,4 Millionen Euro für die Hilfe in den Erdbebengebieten bereitstellen.

„Wiederaufbau der Infrastruktur dauert Jahre“

Das humanitäre Hilfswerk humedica entsandte unmittelbar nach dem Erdbeben zwölf Einsatzkräfte, um in der Nähe eines der Epizentren nördlich von Gaziantep in einer provisorischen Zeltstadt medizinische Hilfe zu leisten. Gleichzeitig wurden humedica-Angaben zufolge rund 6.500 Menschen in der Türkei mit Hilfsgütern wie Zelten, Decken und Feldbetten versorgt. „Zwischenzeitlich sind keine Einsatzkräfte von humedica mehr vor Ort“, erklärte Pressesprecher Sebastian Zausch auf Anfrage.

Der medizinische Einsatz habe knapp zwei Wochen gedauert. Aktuell hilft humedica über örtliche Partner dabei, Menschen mit traumatischen Erlebnisse zu begleiten sowie die hygienischen Bedingungen in einigen Notcamps für rund 9.300 Menschen in der Türkei zu verbessern. „Der Wiederaufbau der Infrastruktur wird noch Jahre dauern“, schätzt Zausch.

Humedica will auch in Zukunft dort helfen, wo die medizinische Versorgung der Menschen in Gefahr ist. In Syrien baut das Hilfswerk deshalb gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen gerade ein Feldkrankenhaus auf. Das soll das zerstörte staatliche Krankenhaus in der Region ersetzen und die Gesundheitsversorgung verbessern.

Nächste Katastrophe bahnt sich an

Nach Angaben des Tearfund-Mitarbeiters Frank Bingham kann in der türkischen Stadt Antakya nur eins von zehn Häusern, die noch nicht eingestürzt sind, gerettet werden. Die übrigen müssten wegen der Schäden oder der Baumängel abgerissen werden.

„Die Bauvorschriften wurden einfach ignoriert“, erklärt Bingham. Die Behörden hätten zwar Strafen für Bausünden eingestrichen, aber nicht auf ordnungsmäßige Ausführung der Baumaßnahmen bestanden. Das Ausmaß der Schäden sei in der Region unvorstellbar. „Es wird Jahrzehnte dauern, sich von der Katastrophe zu erholen.“

Tearfund Deutschland hilft in der Türkei über Partnerorganisationen. „Die Zahl der Kirchen und christlichen Organisationen, die in der Nothilfe involviert sind, ist im Gegensatz zu früheren Beben beträchtlich gewachsen“, erklärt Tearfund-Projektkoordinator Markus Köker.

Einer der Partner ist seit drei Monaten im Erdbebengebiet präsent und hilft mehreren tausend Menschen mit hygienischer Versorgung und Lebensmitteln. Eine andere Partnerorganisation kümmert sich in der Hauptstadt Ankara, wohin laut Tearfund rund 200.000 Betroffene flüchteten, um Menschen mit körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen.

Köker hat eine Befürchtung: „Es scheint, als ob die syrischen Flüchtlinge in der Türkei noch nicht ausreichend Hilfe bekommen und ausgegrenzt werden.“

Die große Sorge in der Türkei ist nun, dass ein Beben die Metropolregion Istanbul trifft. Dass dort in absehbarer Zeit die Erde erbebt, gilt unter Experten als sehr wahrscheinlich. Tearfund hilft deshalb auch dabei, die Kirchen für die dann zu erwartende Katastrophe vorzubereiten.

Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, dass die Bundesregierung bislang Mittel in Höhe von rund 145 Millionen Euro zur Unterstützung der von den Erdbeben in der Türkei und Syrien betroffenen Menschen eingesetzt hat.

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