Filmkritik

Erschreckende Doku über israelfeindliche Demos in Berlin

Nahezu täglich finden in Deutschland Versammlungen mit Bezug zum Nahost-Konflikt statt. Ein jüdischer Verein hat sich die Demos genauer angeschaut. Herausgekommen ist eine ebenso erschreckende wie lehrreiche Dokumentation.
Von Martin Schlorke
pro-palästinensische Demo, Israel, Antisemitismus

Vor fast genau zwei Jahren griff die Terrororganisation Hamas Israels Süden an und ermordete mehr als 1.200 Israelis. Noch am selben Tag gingen in Deutschland Menschen auf die Straße, um den Terror gegen Israel und Juden zu feiern. Seitdem gab es allein in Berlin mehrere hundert Demonstrationen, die „für Gaza“ oder gegen Israel abgehalten wurden. Über diese Versammlungen ist der Dokumentarfilm „Von Protest zu Hass: Antisemitische Karikaturen, Parolen und die Glorifizierung von Terror“ entstanden, der am Montagabend in Berlin erstmals gezeigt wurde.

Realisiert hat den rund 30-minütigen Film der Verein „Jüdisches Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus“ (JFDA). Dessen Geschäftsführer Levi Salomon, der selbst auf unzähligen Demonstrationen vor Ort war, betonte im Rahmen der Premierenveranstaltung die Bedeutung dieser Dokumentation. Und in der Tat, diesen Film sollte man sehen – unabhängig des eigenen Interesses für die Situation in Nahost. Denn der Film zeigt auf eindrückliche Weise, wie sich seit zwei Jahren auf deutschen Straßen Antisemitismus Bahn bricht – mehr oder weniger hemmungslos. Häufig getarnt kommt der Judenhass als eine angebliche legitime Kritik an Israel oder am Zionismus daher. In gut platzierten O-Tönen wird eine solche Rechtfertigung widerlegt – etwa wenn die Antisemitismusforscherin Monika Schwarz-Friesel 2.000 Jahre alte Kontinuitäten antisemitischer Stereotype, wie die der Ritualmordlegende, aufzeigt. Diese Verschwörungserzählung stammt aus dem Mittelalter. Juden wurden beschuldigt, christliche Kinder zu entführen und für religiöse Rituale zu töten. Auf Demonstrationen heute wird beispielsweise „Kindermörder Israel“ skandiert.

„Gewöhnungseffekt“ bei Gewalt

Darüber hinaus zeigt der Film größtenteils Ausschnitte von dutzenden Demonstrationen in Berlin, die das JFDA filmisch begleitet hat. An einigen Stellen wäre eine Untertitelung der gerufenen Parolen für ein besseres Verstehen sinnvoll gewesen. Nichtsdestotrotz transportieren allein schon die Bilder den schieren Hass gegen Israel und Juden auf beängstigende Weise.

In der Dokumentation kommt auch die FDP-Politikerin Karoline Preisler zu Wort. Sie ist selbst bei unzähligen Demonstrationen vor Ort, um auf das Schicksal der israelischen Geiseln im Gazastreifen aufmerksam zu machen. Im Rahmen der Premierenveranstaltung sagte sie, dass sie eine Zunahme der Gewalt auf diesen Demos bemerke. Diese richte sich vor allem gegen Polizei und Journalisten. In den vergangenen Jahren habe sich diesbezüglich ein „Gewöhnungseffekt“ bei vielen Demonstranten eingestellt. Sie selbst wird ebenso angefeindet. Auf Bildern ist sie meist zum Schutz umringt von Polizisten zu sehen. Für dieses Engagement gegen Antisemitismus wird Preisler im November mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden ausgezeichnet.

Anders als die kaum auszuhaltenden Bilder der Hamas-Angriffe vom 7. Oktober 2023 ist die Dokumentation über die antisemitischen Demonstrationen in Deutschland zwar aufwühlend, aber erträglich. Die Bilder überfordern nicht. Gerade deshalb ist der Film Pflicht, weil er eindrücklich vor Augen führt, wie sich Antisemitismus hierzulande im öffentlichen Raum Bahn bricht.

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