Diskurse werden immer erhitzter geführt

Wie steht es um die Meinungsfreiheit weltweit und auch in Deutschland? Zum Auftakt der Woche der Meinungsfreiheit haben Schauspielerin Katja Riemann, Markus N. Beeko (Amnesty International) und Alexander Skipis (Börsenverein) über diese Frage diskutiert.
Von Johannes Blöcher-Weil
Diskussionsrunde mit Katja Riemann

Weltweit werden Menschen unterdrückt, inhaftiert oder ermordet, weil sie von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Zum Auftakt der „Woche der Meinungsfreiheit“ haben die Schauspielerin Katja Riemann, Markus N. Beeko (Amnesty International) und Alexander Skipis (Börsenverein) über Schwierigkeiten und Lösungsansätze debattiert, die Lage zu verbessern.

Initiiert hat die Woche ein breites gesellschaftliches Bündnis, das die Bedeutung der Freiheit des Wortes und lebendiger Debatten für eine freie, demokratische Gesellschaft in den öffentlichen Fokus stellen möchte. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels hat die Initiative ins Leben gerufen. Vom Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai bis zum Tag der Bücherverbrennung in Deutschland am 10. Mai gibt es verschiedene Programmpunkte und Diskussionsforen.

Bei der Auftaktveranstaltung machte Moderatorin Esra Küçük von der Allianz Kulturstiftung klar, dass auch in Deutschland die Meinungsfreiheit zunehmend durch Drohungen und Hassbotschaften auf die Probe gestellt werde. Journalisten würden bei ihrer Arbeit durch Demonstranten bedroht.

Art der freien Meinungsäußerung wird limitiert

Die Schauspielerin Katja Riemann engagiert sich in verschiedenen Organisationen für Menschenrechte. Sie nimmt wahr, dass Diskurse immer erhitzter geführt werden. Einheitliches Ziel der Menschen müsse es sein, die Erde weiterhin bewohnbar zu machen. Die Diktaturen in Europa lenkten allerdings den Blick weg von diesem wichtigen Thema. „Sie limitieren die freie Meinungsäußerung und das freie Leben. Das verschärft die Situation.“ Die Menschen müssten sehr genau prüfen, woher sie ihre Informationen und ihr Wissen beziehen. Ein demokratischer Sozialstaat wie Deutschland müsse klar machen, wie er verantwortlich mit Meinungsfreiheit umgehe.

Markus N. Beeko verwies auf den Jahresbericht von Amnesty International, der die Menschenrechtslage in 149 Ländern untersucht hat. Er zeige, dass Behörden und Staaten die Meinungsfreiheit in ihren Ländern immer weiter bedrohten – natürlich in unterschiedlichen Ausprägungen. In vielen Ländern könne die Zivilgesellschaft keine Debatten führen, ohne bedroht zu werden.

In vielen Staaten gebe es Gesetze, die es der Zivilgesellschaft erschweren, sich zu organisieren. 2020 seien über 50 Journalisten bei der Ausübung ihres Berufs getötet worden. Dabei hätten sie lediglich versucht, Unabhängigkeit sicherzustellen. Zudem gebe es eine zunehmend technische Überwachung. „In einigen Staaten in Afrika fand im Zusammenhang mit den Wahlen eine Zensur im Internet statt.“ Hier müsse man hinschauen und die Menschen unterstützen, die unterdrückt werden.

Im Herzen Europas totalitäre Staaten

Auch in Europa gebe es Staaten, die die Menschenrechtskonventionen verletzten. Herausragende Beispiele seien Russland und die Türkei: „Es muss deswegen gelingen, bestehende Schutzmechanismen wie den Europäischen Gerichtshof zu stärken.“ Jede Abweichung von der Einhaltung der Menschenrechte müsse man aufmerksam beobachten: „Wir brauchen mehr Verbindlichkeit und Konsequenz im Umgang mit diesen Staaten. Außerdem braucht es eine konstante Aufmerksamkeit und starke Strukturen.“

Alexander Skipis vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels ist Initiator der „Woche der Meinungsfreiheit“. Er wünsche sich eine „Bewegung der Zivilgesellschaft“, um sich für die Meinungsfreiheit einzusetzen. „Selbst im Herzen Europas in Ungarn und Polen gibt es totalitäre Strukturen.“ Ohne Meinungsfreiheit sei keine freie Gesellschaft möglich. „In einer Demokratie herrscht das Volk und dazu muss Meinung artikuliert werden.“

Wenn Menschen ihre Meinung frei sagen dürften, gefährde das die Macht der Despoten: „Wo Einschüchterung herrscht, herrscht auch Schweigen.“ Skipis rief dazu auf, die Charta der Meinungsfreiheit zu unterzeichnen: Er könne zwar die inhaltliche Ausrichtung der Initiative #Allesdichtmachen nicht teilen, aber der Druck, der auf die Initiative ausgeübt wurde, sei das Gift, das die Gesellschaft zersetze: „Weniger Meinungsäußerung bietet Raum für die, die Terror verbreiten.“

Hoffnung durch Zugang zur Bildung

Er appellierte daran, bei sich selbst anzufangen: „Wenn wir uns nicht für Meinungsfreiheit einsetzen, verlieren wir sie.“ Viele würden sich nicht mit der Meinung des anderen auseinandersetzen, sondern diesen nur diffamieren. In Bezug auf die deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik wünschte er sich, bei Regierungskonsultationen die Meinungsfreiheit stärker in den Vordergrund zu stellen.

Für alle drei Referenten gab es aber auch Ansätze zur Hoffnung. Beekos hoffte, dass die Menschen weiterhin ihre Chancen nutzen, um ihre Rechte einzufordern. Dafür brauche es die Solidarität der Mitmenschen und verantwortliche Politiker. Katja Riemann sah im Zugang zur Bildung einen wichtigen Ansatzpunkt: „Wenn Menschen durch Erkenntnisgewinn eine Meinung entwickeln, ist vielen geholfen.“ Alexander Skipis machte das tief verwurzelte Gerechtigkeitsgefühl junger Menschen und die Unterstützung bei der Woche der Meinungsfreiheit Mut, weiter dafür zu kämpfen.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Esra Küçük. Im Rahmen der Diskussionsrunde hatte sie auf das Schicksal der türkischen Schriftstellerin Asli Erdogan aufmerksam gemacht, die über Minderheiten in Armenien und der Türkei berichtet und seit 2017 in Berlin im Exil lebt.

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7 Antworten

  1. Die Meinungsfreiheit kommt sehr schnell an ihr Ende, wenn es sich um Gottes Wort handelt. Dann heißt es sehr schnell, „Ihr Beitrag trägt nicht zur Diskussion bei“.

    Lieber Gruß Martin Dobat

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    1. Natürlich hat die Beste Nachricht der Welt auch die größte Sorgfalt und liebevolle Rücksichtnahme auf die Hörer verdient:
      „Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, auf dass ich möglichst viele gewinne.
      Den Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne.
      Denen unter dem Gesetz bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden – obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin –, damit ich die unter dem Gesetz gewinne.
      Denen ohne Gesetz bin ich wie einer ohne Gesetz geworden – obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern bin im Gesetz vor Christus –, damit ich die ohne Gesetz gewinne.
      Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne. Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette.
      …, dass ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.“
      (Paulus)

      siehe auch hier:
      „… zu allem guten Werk bereit, niemanden verleumden, nicht streiten, freundlich seien und alle Sanftmut beweisen gegen alle Menschen.“

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    2. Es gibt halt immer wieder Menschen, die den Horizont ihres Bauchnabels mit dem Wort Gottes verwechseln!

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      1. Und meistens – lieber Carvalho – sieht man solch einen Menschen, wenn man in den Spiegel schaut,
        nicht wahr?
        😉

        „Die Liebe sei ohne Falsch.
        Hasst das Böse, hängt dem Guten an.
        Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.
        Übt Gastfreundschaft.
        Segnet, die euch verfolgen; segnet, und verflucht sie nicht.
        Seid eines Sinnes untereinander.
        Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch zu den niedrigen.
        Haltet euch nicht selbst für klug.
        Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.
        Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.
        Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.
        Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“
        Paulus

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      2. Warum immer wieder diese Agressivität, „Carvalho“?
        Können Sie nicht einfach einmal schweigen?

        Wie muss es in Ihrem Herzen aussehen…!? Leere? Verletztheit? Enttäuschung? Dunkelheit? Hoffnungslosigkeit? Bitterkeit?

        Ihnen wünsche ich von Herzen, dass Ihr Leben gelingt!

        Mit 1.Sam. 12,24 grüsse ich Sie freundlich
        Friedhelm

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  2. Sowohl „Ihr Beitrag trägt nicht zur Diskussion bei“ wie Carvalhos Bauchnabel-Horizont ist mit der Meinungsfreiheit gedeckt und um die geht es schliesslich hier.
    Zu diesem Thema fällt auf:
    – Nach 16 Jahren angeblich alternativloser Politik wird wieder stärker diskutiert und das ist gut so auch unter Christen. Warum soll man auch nicht da mal kernig diskutiert werden? Es wird dann problematisch, wenn Meinungsverschiedenheit mit Lieblosigkeit gleichgesetzt wird. Warum kann ich in der Sache nicht auch auf harte Weise unterschiedlicher Meinung sein und den anderen trotzdem lieben und wertschätzen?
    Warum wird da so oft ein Widerspruch konstruiert? Leider hat sich unter vielen Christen eingebürgert, dass anscheinend eine andere Meinung gleich ein Angriff auf die Person ist. Anders ist das ja nicht zu erklären.
    – Das ganze hat aber eine Grenze, die leider oft auch nicht beachtet wird: Menschen herabwürdigen, beleidigen, drohen oder Schlimmeres geht einfach nicht.
    – Leider ist aber auch die mediale Welt oft auch von Infantilität, Hypermoral und Histerie geprägt, die dann ihren Widerhall in dem persönlichen Umgang findet. Vielleicht hilft manchmal der alte Spruch: „tiefer hängen“

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  3. Meinungsfreiheit ist wichtig. Wer aber „Meinungsfreiheit“ meint, nur da zu finden und sie auch ausleben zu müssen, wo er gezielt verletzend gegenüber anderen auftritt, der hat (meiner Meinung nach) das Ziel verfehlt.
    Traurige Beispiele sind die Mohammedkarikaturen oder Böhmermanns „Schmähgedicht“ – beides zu provokativ und verletzend um noch hilfreich zu sein.

    Besser wir nehmen uns Paulus‘ Rat zu Herzen:
    „Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten.
    Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf.
    Niemand suche das Seine, sondern was dem andern dient.“

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