Als Christine Lieberknecht den Mauerfall verpasste

Als sich 1989 die Ereignisse überschlugen, die zur Friedlichen Revolution führten, war die Pfarrerin Christine Lieberknecht mittendrin: als Aufständische in der Ost-CDU. Danach wurde Politik ihr Beruf – der Glaube war ihr Antrieb und Kompass.
Von Jonathan Steinert

Christine Lieberknecht hat die Thüringer Landespolitik seit der Friedlichen Revolution geprägt wie kaum jemand anderes. In den 1980er Jahren trat sie der Ost-CDU bei und sorgte kurz vor dem Mauerfall mit dem „Brief aus Weimar“ für einen entscheidenden Impuls zur Erneuerung der damaligen Blockpartei. 1990 wechselte die Theologin vom Pfarramt in die Berufspolitik. Sie hatte mehrere Ministerämter inne, war CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Landtags- und schließlich auch Ministerpräsidentin – die erste im Osten und die erste der CDU.

Ihr politisches Engagement leitet Lieberknecht auch aus ihrem Glauben ab. Aus christlicher Überzeugung heraus die Gesellschaft mitzugestalten und Dinge zum Besseren zu verändern, das ist ihr Antrieb bis heute. Luthers Lehre von der „Freiheit eines Christenmenschen“ gab ihr dafür eine wesentliche Orientierung.

Glaube. Macht. Politik.
Glaube. Macht. Politik.
(19) Christine Lieberknecht: „Die Menschenwürde gehört jedem Abgeordneten der Linkspartei und der AfD“
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Im Podcast berichtet die 65-Jährige, wie sie als Pfarrerstochter die DDR-Diktatur und die Konfrontation mit der kommunistischen Ideologie erlebte, wie sie den Mauerfall um ein Haar verpasste und wie sie später selbst Politik machte. Als Ministerpräsidentin wurde sie 2014 von Bodo Ramelow von der Linkspartei abgelöst. Zu ihm hat sie ein gutes Verhältnis, sagt sie im Podcast. In seiner Partei sehe sie aber auch gefährliche Tendenzen.

Ihre eigene Partei mahnt sie an, sich ein klareres Profil zu erarbeiten, um einerseits der AfD Paroli bieten zu können und sich andererseits erkennbar von den anderen Parteien zu unterscheiden. Aus ihrer Sicht sähen Wähler die AfD teilweise tatsächlich als Alternative zu den anderen Parteien und einer von einer „grünen Agenda“ dominierten Politik. Das sollte so nicht bleiben, findet sie. „Wir müssen schauen: Was treibt die Leute um und wie können wir ihnen Stimme verleihen.“

Die ehemalige Ministerpräsidentin von Thüringen, Christine Lieberknecht (Archivbild) Foto: kairospress

Zur Person

  • geboren 1958
  • 1984 bis 1990 Pastorin im Kirchenkreis Weimar
  • 1991 bis 2019 Mitglied des Thüringer Landtags
  • zwischen 1990 und 1999 verschiedene Ministerämter: Kultusministerin, Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Ministerin für Bundesangelegenheiten in der Staatskanzlei)
  • 1999 bis 2004 Landtagspräsidentin
  • 2004 bis 2008 CDU-Fraktionsvorsitzende
  • 2008 bis 2009 Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit
  • 2009 bis 2014 Ministerpräsidentin
  • seit 1991 stellvertretende Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU
  • seit 2016 Mitglied im Vorstand der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
  • Mitglied bei „ProChrist“ und im „Christlichen Jugenddorfwerk“

Gleichzeitig kritisiert Lieberknecht einen verklärenden Blick auf die DDR-Zeit. „Die DDR war Teil des kommunistischen Systems“, stellt sie im Interview klar. Diese Ideologie, die laut Schwarzbuch des Kommunismus insgesamt rund 100 Millionen Todesopfer gefordert habe, werde „permanent verharmlost“.

Um den christlichen Glauben ist es der Theologin nicht bange, auch wenn die Mitgliedszahlen der Amtskirchen in Deutschland stetig zurückgehen. Hoffnung machte ihr dafür ausgerechnet ein Ereignis, das sie in der Mongolei erlebte: die Einführung des ersten katholischen Priesters in einer Gemeinde nach hunderten von Jahren. „Das war ein riesiges Fest.“ Und sie schließt nicht aus, dass es eine solche Aufbruchstimmung auch einmal wieder in Deutschland geben kann.

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