„Die Bibel ist ein Schatz an Tierwissen“

Im Dortmunder Zoo gibt Zoodirektor Frank Brandstätter an Heiligabend eine Führung „Tiere der Bibel“. Die Bibel ist für ihn wie ein Tierlexikon aus längst vergangenen Tagen. Ein Gespräch über Esel, Panther und den Stab von Mose.
Von Sabine Langenbach
Esel, Tier, Bibel

PRO: Die Bauernhofanlage im Dortmunder Zoo ist an Heiligabend eine wichtige Anlaufstelle bei den Führungen „Tiere der Bibel“. Welche Tiere haben Sie hier?

Frank Brandstätter: Hier haben wir viele Tiere auf relativ engem Raum, die in der Bibel eine Rolle spielen: Ziegen, Schafe, Rindviecher, Esel. Das ist der Klassiker am Heiligabend. In den Krippen, die die Leute zu Hause aufstellen, sind ja immer Ochs und Esel dabei.

Hier erzähle ich, dass in keinem Text des Neuen Testaments Ochse und Esel auftauchen. Es gibt nur eine Stelle in der Bibel, wo diese beiden Tiere tatsächlich an einer Krippe erwähnt werden. Das ist aber im Alten Testament im Buch Jesaja, Kapitel eins, Vers drei. „Selbst Ochse und Esel werden den Herrn erkennen, wenn er zur Erde wiederkommt.“

Edelziegen, Tier in der Bibel Foto: Zoo Dortmund
In der Bauernhofanlage des Dortmunder Zoos dürfen Ziegen nicht fehlen

Warum sind dann trotzdem Ochs und Esel fester Bestandteil jeder Krippenszene?

Der italienische Freskenmaler Giotto di Bondone, der im 13. Jahrhundert lebte, war nachweislich der Erste, der Esel und Ochse als schmückendes Beiwerk zur Weihnachtsgeschichte gemalt hat. Er hat damit an die Vision Jesajas angeknüpft, denn mit der Geburt Jesu ist ja der Herr zur Erde gekommen.

Der Prophet Jesaja hat Ochs und Esel ganz bewusst in seinem Text genannt. Welche Symbolik steht dahinter?

Beide Tiere gelten als sehr ruhig, als gelassen, tatsächlich auch als dumm – aber sogar die erkennen den Herrn. Wobei das auch ein bisschen ambivalent ist, weil beiden Tieren in der Bibel an anderen Stellen durchaus intelligente Leistungen zugesprochen werden.

Sie meinen zum Beispiel Bileams Esel aus dem vierten Buch Mose, Kapitel 22?

Ja, Bileams Esel ist etwas ganz Spannendes. Es geht ja darum, dass dieser Bileam seinen Esel traktiert, weil er ihm nicht schnell genug davonläuft, obwohl der Esel nur deswegen nicht schnell ist, weil er seinen Reiter beschützen will. Und Bileam tatsächlich dann auch von einem Engel dafür bestraft wird, dass er dem Tier was Böses angetan hat. Ich habe das mal so genannt: Das ist die Geburt des Tierschutz-Gedanken. Der kommt übrigens öfter in der Bibel vor.

Ein Esel spielt auch am Beginn der Passionsgeschichte eine Rolle. Am Palmsonntag.

Ja, mancher fragt sich: Warum reitet Jesus auf einer weißen Eselin in Jerusalem ein? Weiße Eselinnen als Reittier waren ein Privileg der höchsten Könige. Jesus hat damit gesagt: Ich bin ein echter König! Pferde waren damals nicht so populär und vor allen Dingen in diesen steinigen, halbwüsten Gegenden nicht so geschickt. Esel waren da wesentlich besser geeignet. Kamele hat man seltener als Reittiere genutzt. Die waren mehr die Lastenträger, sozusagen die „Trucks“ der damaligen Zeit. Der Esel war so was wie für uns der PKW.

Trampeltier, Zoo Dortmund, Kamel, Tier in der Bibel
Kamele: Die Trucks der Antike

Wie sind Sie als Zoologe darauf gekommen, sich mit den Tieren in biblischen Zeiten zu beschäftigen?

Die Idee ist geboren aufgrund meiner wissenschaftlichen Arbeit. Ich habe vor vielen Jahren mit Sandnattern gearbeitet. Typisch für diese ganze Gattung ist, dass sie sich versteifen, wenn man sie in die Hand nimmt. Die ursprünglichen Arten dieser Gattung sind astähnlich gezeichnet. Sie tarnen sich als Ast, damit man sie nicht erkennt.

Aus einem Blitzgedanken heraus, habe ich das assoziiert, mit etwas, das ich in der Bibel gelesen habe, und was man gemeinhin als den „Stab des Moses“ bezeichnet. Und siehe da: Es trifft alles zu. Das ist die Schlange, die der Stab des Moses war. Das ist die einzige Schlange auf dem Sinai, die das macht. Und die biblische Geschichte spielt ja genau dort. Es deckt sich auch mit der anschließenden biblischen Geschichte in Ägypten. Da sagte der Pharao: „Meine Wissenschaftler können auch einen Stab in eine Schlange verwandeln.“ Aber Aaron, der Bruder von Moses, hatte dann einen Stab, der die Stäbe der Ägypter verschlungen hat.

Und siehe da: In Ägypten, im Niltal, gibt es auch eine Art dieser Sandnattern, die wesentlich größer ist als die auf dem Sinai und die sich tatsächlich von anderen Schlangen, sprich von ihren Gattungsverwandten, ernährt. Da dachte ich: Ach guck mal, so leicht erklärt sich ein Bibelwunder. Daraufhin habe ich geschaut: Was gibt es denn sonst noch in der Bibel in diese Richtung.

Dass Sie Führungen zu den Tieren in der Bibel anbieten, zeigt, dass Sie einiges gefunden haben.

Ich habe sehr schnell festgestellt, dass die Bibel nicht umsonst gerne das „Buch der Bücher“ genannt wurde. Sie ist eine Art Chronik dessen, was die Leute damals so erlebt und gesehen haben. Und entsprechend ist es tatsächlich so, dass in der Bibel alle größeren Tiere, Säugetiere und Vögel mindestens einmal erwähnt werden, die tatsächlich auch dort vorkommen. Alle. Sogar welche, die heute dort ausgestorben sind. Wie zum Beispiel der Löwe.

Frank Brandstätter, Direktor Zoo Dortmund Foto: Sabine Langenbach Foto: Sabine Langenbach

Der promovierte Zoologe Frank Brandstätter, geboren 1966, ist seit 2001 Direktor des Dortmunder Zoos. Zuvor leitete der den Zoo in Neunkirchen im Saarland.

Die Heiligabendführungen im Zoo Dortmund starten um 11 und um 13 Uhr. Sie kosten 2 Euro zzgl. Eintritt. Anmeldung über die Kasse (0231 50-28593). zoo.dortmund.de

Wie kommt es, dass Sie sich so gut in der Bibel auskennen?

Dank meiner guten katholischen Erziehung! Tatsächlich hat meine Mutter mir schon sehr früh ein zwanzigbändiges Bibelwerk geschenkt. Das war in den 1970ern, das war für Kinder aufbereitet. Und das habe ich tatsächlich auch komplett gelesen! Ich habe es noch zu Hause. Sehr aufwändig gestaltet mit schönen Bildern. Vor allem die Tiere sind schön gezeichnet. Die Arche Noah hat mich besonders fasziniert.

Als ich 1995 im Zoo in Neunkirchen mit den Bibelführungen angefangen habe, war das Internet ja noch nicht so weit, dass man einfach ein Stichwort eingeben konnte und dann gesehen hat, wo etwas in der Bibel steht. Da kam mir zugute, dass ich mich so gut in der Bibel auskannte. So bin ich darauf gestoßen, dass die Bibel ein enormer Schatz an zoologischem Wissen ist.

In der Bauernhofanlage des Zoos gibt es das Gehege der Husumer Protestschweine. Diese Gattung findet man nicht in der Bibel, weil sie viel später erst gezüchtet wurde. Aber Hausschweine werden schon erwähnt, wenn auch selten, weil sie im Judentum als unrein gelten. „Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben, und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen“, steht im Matthäus Kapitel 7, Vers 6.

Ja, es wundert, dass in diesem Zusammenhang Schweine erwähnt werden. Das hat aber einfach den Grund, dass Martin Luther hier falsch übersetzt hat. In der lateinischen Fassung des Evangeliums steht nicht porcus, also Schwein oder Sau, sondern pecus, das ist ein Sammelbegriff für Kleinvieh, wie zum Beispiel die Schafe. Und dann ergibt die Redewendung auch im biblischen Zusammenhang wieder Sinn.

Husumer Protestschwein, Sau, Tier in der Bibel Foto: Sabine Langenbach
Schweine werden in der Bibel als unreine Tiere beschrieben

Im Monatsspruch für diesen Dezember aus Jesaja Kapitel 11, Vers 6, heißt es: „Der Wolf findet Schutz beim Lamm, der Panther liegt beim Böcklein. Kalb und Löwe weiden zusammen, ein kleiner Junge leitet sie.“ So viele Tiere auf einmal!

Die meisten alttestamentarischen Bibelvölker haben Schafe oder Ziegen gezüchtet und Kinder waren oft die Hirten. Die mussten sich ja gegen diese Naturgewalten zur Wehr setzen und da war so ein Panther durchaus ein anständiger Gegner. Unter Panther stellt man sich meist ein schwarzes Tier vor. Das ist aber nicht richtig. Ein Panther ist nur dann schwarz, wenn er ein Schwarzpanther ist. Panthera heißt nämlich: überall gefleckt. Die richtige Bezeichnung ist Leopard.

In der Offenbarung des Johannes gibt es noch eine interessante Stelle zum Panther. Am Ende der Zeiten „wird hervortauchen aus den Fluten des Meeres ein Ungeheuer mit dem Körper eines Panthers.“ Dieser Text ist vor zweitausend Jahren geschrieben worden. Vor 200 Jahren hat man in der Antarktis tatsächlich ein Tier entdeckt, das dieser Beschreibung entspricht, nämlich der Seeleopard, ein Verwandter der Seelöwen.

Aber nach allgemeiner Geschichtsschreibung kann der Seeleopard damals noch nicht bekannt gewesen sein, weil man die Antarktis schlichtweg nicht kannte und die Tiere auf diese Gegend angewiesen sind. Das heißt also: Entweder, die kannten das Tier schon aus irgendeinem Grund doch oder es ist tatsächlich ein Zufallstreffer. Das finde ich total faszinierend und ich erzähle es auch gerne in der Führung „Tiere der Bibel“.

Skudden, Schafe, Lamm, Tier in der Bibel Foto: Zoo Dortmund
Schafe und ihre Hirten spielen in der Weihnachtsgeschichte eine wichtige Rolle. Jesus nimmt sie später in seinen Reden auch oft als Beispiel.

Also auch an Heiligabend. Wer kommt an diesem besonderen Tag in den Zoo?

Ich finde das immer sehr interessant: Die Zahl der männlichen Besucher mit Kindern ist sehr hoch. Sonst kommen eher Mütter, Omas und Tanten mit. Vielleicht liegt es daran, dass die Männer dann eher mal Zeit haben mit den Kindern in den Zoo zu gehen. Aber ich habe oft das Gefühl, die Mütter sagen zu den Vätern: „Geh du mit den Kindern raus, dann seid ihr mir aus dem Weg!“ (Er lacht)

Es sind vor allem Erwachsene, die alleine an dieser Führung teilnehmen. Wir haben Leute, die kommen jedes Jahr am Heiligabend und gehen ganz bewusst immer mit einem anderen Tour-Guide mit, weil jeder von uns ja einen anderen Schwerpunkt hat. Der eine erzählt zum Beispiel mehr über die Kamele, ein anderer über die Löwen.

 

"...und Gott schuf die Tiere", Frank Brandstätter

Dr. Frank Brandstätter; „…und Gott schuf die Tiere.“, OCM, 111 Seiten, 20 Euro

 

Haben Sie ein Lieblingstier in der Führung „Tiere der Bibel“?

In der Weihnachtsgeschichte ist es eindeutig der Esel. Das hängt aber mit seiner Gesamtrolle in der Bibel zusammen. Insgesamt ist es die Sandrennnatter, weil sie mir den Kick gegeben hat, mich mit der Thematik zu beschäftigen. Aber eigentlich will ich die Frage nach dem Lieblingstier gar nicht beantworten. Es ist wie bei einer Mutter, wenn man die nach dem Lieblingskind fragt. Als Zoodirektor liebe ich alle meine 1.500 Tiere.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Brandstätter!

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