Meinung

ARD-Doku über LGTBIQ-Katholiken geht in die zweite Runde

Vor einem Jahr veröffentlichte die ARD die Doku „Wie Gott uns schuf“. Darin hatten sich viele katholische Christen geoutet. In einem zweiten Teil schauen die Filmemacher nun, was aus den Menschen geworden ist – mit überraschenden Erkenntnissen.
Von Martin Schlorke
ARD-Dokumentation Wie Gott uns schuf

Die Dokumentation „Wie Gott und schuf – Nach dem Coming Out“ schlug vor einem Jahr ein wie eine Bombe. In dem 60-minütigen Film kamen mehr als 100 Christen zu Wort, die im Dienst der katholischen Kirche stehen und sich selbst als LGTBIQ+ definieren. Die Filmemacher erhielten dafür mehrere Preise – auch von der katholischen Kirche. Nun haben die Journalisten Katharina Kühn und Hajo Seppelt die Protagonisten erneut besucht und wollten wissen, was sich seit der Ausstrahlung der Dokumentation getan hat.

Im Film kommen Maria Kortenbusch und Monika Schmelter zu Wort. Die beiden Frauen haben seit der Doku das Gefühl, „freier atmen zu können“, weil sie sich nicht mehr verstecken müssen. Sie berichten von fremden Menschen, die ihnen Blumen vorbeigebracht haben oder sie in ihrer Wohnstadt freundlich grüßen. Die Reaktionen auf den Film habe die beiden stärker gemacht, sagt Seppelt. Andere, die vor einem Jahr anonym bleiben wollten, treten nun im zweiten Teil auch vor die Kamera und erzählen ihre Geschichte.

Umdenken beim Arbeitsrecht

Bemerkenswert ist, dass keiner der 100 Menschen aus der ersten Dokumentation seinen Job verloren hat. Und das, obwohl das kirchliche Arbeitsrecht damals noch vorsah, dass Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre eingehalten werden müssen. In der katholischen Kirche können also eine gleichgeschlechtliche Beziehung oder ein Outing zum Problem werden. Seit Anfang des Jahres gibt es nun jedoch eine Reform des Arbeitsrechts – jedenfalls in den meisten Bistümern. Dennoch, so die Kritik in der Doku, habe sich an der katholischen Ethik nichts geändert. Homosexuelle Menschen gelten weiterhin wegen ihrer Sexualität als Sünder.

Dass aber keinem der Protagonisten vor der Reform gekündigt wurde, liege auch am öffentlichen Druck, der auf die Entscheider der katholischen Kirche in Deutschland laste, heißt es in der Doku.

Kirchenaustritt keine Option

Dennoch fällt das Urteil der Protagonisten unterschiedlich aus. Einige Bistümer haben ihren Angestellten Rückendeckung gegeben. So erzählt Manuel Rios Juárez stolz, dass er mittlerweile mit seinem Freund verlobt ist. Er sei froh, dass er sich nicht zwischen Kirche und seinem Partner entscheiden musste. Andere sehen keinerlei Veränderung oder Umdenken vonseiten der Kirche. Und Chiara Battaglia hat freiwillig gekündigt, weil es für sie „untragbar wurde“, die Kirche mit ihrer Arbeitskraft zu unterstützen. Von einem Kirchenaustritt spricht sie allerdings nicht.  

Und auch andere Gläubige bleiben ihrer Kirche treu. Pfarrer Stefan Spitznagel berichtet, wie er generationsübergreifend von seinen Gemeindemitgliedern nach der Doku gestärkt wurde. Einige hätten aufgrund des Films auch von einem Kirchenaustritt abgesehen.

Generell geht es in vielen der kurzen Interviews in der Doku um Kirchenaustritt – nur dass fast alle, die zu Wort kommen, diesen ablehnen. Auch Mara Klein aus Halle, die sich weder als Mann, noch als Frau fühlt, will nicht austreten. Stattdessen engagiert sie sich weiter in der Kirche – auch im Synodalen Weg. Es überwiegt die Ansicht bei den Befragten, dass die Kirche nur von innen verändert werden könne.

„Wie Gott und schuf – Nach dem Coming Out“, Dokumentation, 30 Minuten, Ausstrahlung: Mittwoch, 24. Mai 2023, 22:00 Uhr, im rbb. Abrufbar auch in der ARD-Mediathek.

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