Abtreibungen in den USA: Das bedeutet das historische Urteil

Das Oberste Gericht hat entschieden: Es gibt kein Recht auf Abtreibungen in den USA. Vor allem Lebensschützer begrüßen das Urteil. Doch es gibt Stimmen, die nun eine Ausweitung von Schwangerschaftsabbrüchen fürchten.
Von Martin Schlorke
Supreme Court

Die Entrüstung auf Seiten der Abtreibungsbefürworter war groß, als am 24. Juni der Supreme Court, das höchste amerikanische Gericht, entschied, dass es kein grundsätzliches Recht auf Abtreibung gebe. Damit widersprachen die Richter einem 49 Jahre altem Urteil. Das als „Roe v. Wade“ bekannte Grundsatzurteil von 1973 galt seinen Befürwortern als historischer Meilenstein für Selbstbestimmung und sicherte Frauen die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs zu.

Kritik an dem nun gefällten Urteil hagelte es nicht nur von Pro-Choice-Aktivisten und Frauenrechtlern. US-Präsident Joe Biden nannte die Entscheidung einen „tragischen Fehler“. Der Beauftragte für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, bezeichnete das Urteil als einen „schrecklichen Schlag gegen die Menschenrechte“. Und auch der ehemalige US-Präsident Barack Obama rief zum Widerstand auf.

Abtreibungen nun „Ländersache“

Nun aber mehren sich die Stimmen aus dem Unterstützerlager des Urteils, die sogar eine Liberalisierung von Abtreibungsgesetzen in den USA befürchten. Grund dafür ist die eigentliche Bedeutung des Urteils des Supreme Courts. Denn dieses hat nicht etwa Schwangerschaftsabbrüche verboten, sondern sieht sie nur nicht vom Verfassungsrecht auf persönliche Freiheit gedeckt. Konkret bedeutet das: Gesetze zu Schwangerschaftsabbrüchen macht nicht der Supreme Court, sondern die einzelnen Bundesstaaten. Gewissermaßen hat das Oberste Gericht mit dem Urteil den Föderalismus in den USA gestärkt.

Je nach Lesart des Urteils macht der Supreme Court den Weg frei für strengere Abtreibungsverbote in den einzelnen Bundesstaaten – oder es ermöglicht liberalere Gesetze. Letzteres befürchten vor allem Stimmen aus dem Pro-Life-Lager. Die Argumentation: Die „blauen“, also die von Demokraten regierten Staaten, könnten Abtreibungsrechte in die Verfassungen der einzelnen Staaten schreiben. Bislang hat noch kein Bundesstaat das Recht auf Abtreibung in seiner Verfassung verankert. Entsprechende Regelungen finden sich bisher ausschließlich in Gesetzen.

Allerdings sind erste Änderungen bereits in Arbeit. Im demokratischen Kalifornien wurde bereits ein Verfassungszusatz verabschiedet, der das „Grundrecht des Einzelnen auf Abtreibung“ festschreibt. Im November soll er den Wählern zur Abstimmung vorgelegt werden. Andere Staaten planen ähnliches.

Was bedeutet das Urteil für Betroffene?

Ebenso wie Abtreibungsgegner eine Liberalisierung des geltenden Rechts befürchten, sorgen sich Abtreibungsbefürworter um eine Verschärfung von Abtreibungsgesetzen. Das trifft vor allem auf republikanisch regierte Staaten zu, in denen bereits jetzt restriktive Gesetze gelten. Betroffenen Frauen bleibt daher nur der Weg in einen Bundesstaat mit liberalen Gesetzen oder das Ausland. Bereits heute ist Mexiko für viele Texanerinnen erste Anlaufstelle. Im Gegensatz zu Texas sind seit 2021 Schwangerschaftsabbrüche in Mexiko straffrei. Beides ist jedoch mit finanziellem Aufwand behaftet, bemängeln Abtreibungsbefürworter.

Manche Experten raten Frauen außerdem dazu, sich mit einem Vorrat des Medikaments Mifepriston einzudecken. Dieses wird für Schwangerschaftsabbrüche verwendet. Laut einer Stellungnahme des Justizministeriums können Bundesstaaten dieses Medikament nicht verbieten, da dafür die für Arzneimittelzulassungen verantwortlich Bundesbehörde FDA verantwortlich ist. Diese hat den Gebrauch des Medikaments in den ersten zehn Wochen einer Schwangerschaft ausdrücklich genehmigt.

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8 Antworten

  1. „Betroffenen Frauen bleibt daher nur der Weg in einen Bundesstaat mit liberalen Gesetzen oder das Ausland.“

    Betroffene Frauen könnten das Kind auch behalten, zur Adoption frei oder sich beraten lassen, was für Hilfsmöglichkeiten es gibt.

    Was ist das für ein Satz?

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    1. @Peter Schütt
      Ihr Kommentar ist an Ahnungslosigkeit und Ignoranz kaum zu überbieten.
      Sie urteilen über Sachverhalte, von denen Sie überhaupt nichts verstehen, denn Sie wissen nicht, wie es für eine Frau mit sich bringt und wie sich anfühlt, schwanger zu sein und ein Kind zu gebären.

      Der Debatte um Abtreibung wäre es äußerst zuträglich, wenn sich Männer dabei in Zurückhaltung und Einfühlungsvermögen üben würden. Und wenn sie, statt die Frauen zu Sündenböcken zu machen, vielleicht erstmal fragen, wo sie in dem Ganzen verantwortungslos handeln und dazu beitragen könnten, dass Frauen erst gar nicht in die Lage kommen, abtreiben zu wollen/müssen.

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      1. Das klingt ja gerade so, als ob generell eine Schwangerschaft eine körperlich/seelische Katastrophe wäre. Es kann zu einer solchen werden. Es kann auch zu etwas sehr schönem wachsen. Meine Schwangerschaft war tatsächlich sehr herausfordernd, ich kenne Belastungen-aber auch großartige Menschen um mich herum die mich durchgetragen haben. Diese Hilfe ist vielleicht nicht immer sichtbar für viele Frauen die sich für eine Abtreibung entscheiden. Statt auf das Recht auf Abtreibung zu pochen wünsche ich mir eher ein Werben für Nächstenliebe und Hilfe für Mitmenschen in meiner Umgebung.

        Männer müssen unbedingt mit angehört werden. Es ist ihnen kein Vorwurf daraus zu machen, dass die Frau das Kind austrägt. Sie sind mit beteiligt und wenn ein Mann das dann auch noch spürt, finde ich den Einsatz großartig seine Verantwortung-auch in Diskussionen, zu übernehmen. Auch das ist ein Schutz- und Hilfeangebot für eine werdende Mutter.
        Gott sei Dank hat sich mein Mann nicht in Zurückhaltung geübt und sich über sein Kind sehr gefreut-und mich als werdende Mutter sehr geachtet. Männer sind ebenfalls mit ihren Kindern verbunden, nicht nur die Frau die es austrägt.

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        1. Liebe Christl,
          Sie haben mich in vielen Punkten missverstanden.
          Nein, Schwangerschaften sind nicht per se eine Katastrophe. Aber für diejenigen Frauen, die den Wunsch haben, abzutreiben, eben ganz offenbar schon.
          Was ich kritisiere, ist die Haltung von Männern, die oft so unbedachte Forderungen stellen wie „Die Frauen sollen das Kind um jeden Preis doch einfach austragen, sie können es danach ja immer noch zur Adoption freigegeben!“, weil sie eben nicht wissen, wie es ist, schwanger zu sein (zumal ungewollt) und was eine Geburt mit sich bringt.
          Mit meiner Forderung nach „Zurückhaltung“ bezog ich mich auf eben diese Art der unqualifizierten Diskussionsbeiträge von Männern – selbstverständlich nicht auf die Unterstützung der Frau während der Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung! Da bestehen aktuell ja leider immer noch gewaltige Lücken bei den Männern (und das ist aus meiner Sicht auch einer der Gründe, weshalb viele Frauen abtreiben wollen oder müssen).

          Ich wünsche mir genauso wie Sie, dass unsere Gesellschaft ein Ort wird, in dem es für Frauen keine Last, kein Manko, kein Nachteil ist, schwanger zu werden. Das ist es aktuell noch (v.a. finanziell und sozial) und dazu leisten Männer und leider immer noch einen nicht unerheblichen Beitrag.
          Das Einfordern eines Rechts auf Abtreibung löst dieses Problem keinesfalls, sondern schafft aus meiner Sicht nur noch neue. Aber auch das Verbot von Abtreibungen ist ohne gleichzeitige Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse keine Lösung.

          Ich hoffe, Sie verstehen meine Position nun besser.

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          1. Wenn die Schwangerschaft wirklich, wie Sie sagen, als Last, Manko, Nachteil empfungen wird,
            warum nutzt man dann nicht die Möglichkeiten der Verhinderung, dass es überhaupt zur einer Schwangerschaft kommt? Aus Bequemlichkeit? Es ist doch schlichtweg eine Katastrophe, nichts anderes, dass erst ein Kind gezeugt wird – um es dann wie Müll zu entsorgen. Es mangelt fundamental in unserer Gesellschaft an der Erkenntnis, an der Ehrfurcht vor dem Wunder, was sich da im Mutterleib entwickelt. Nämlich ein Mensch, einmal geschaffen zum Ebenbild Gottes. Albert Schweitzer prägte einmal den Begriff der „Ehrfurcht vor dem Leben“.

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        2. @Christl
          Vielleicht noch zur Erläuterung meiner Haltung/Kritik:
          Warum kommen von Männern (und leider auch von Frauen), die „für das Leben“ sind, in der Abtreibungsdebatte typischerweise immer zuerst die Schuldzuweisungen an Frauen als „Mörderinnen“ oder „Egoistinnen“ und die Forderungen, dass sie doch ihre Kinder zu behalten haben? Warum ist nicht die erste Reaktion von Männern gegenüber ihren Geschlechtsgenossen: Hört endlich auf, Frauen zu vergewaltigen! Bezahlt (als Chefs und Verantwortliche in der Politik) eure weiblichen Angestellten genauso wie die männlichen, damit Schwangerschaft und Kinderhaben für Frauen kein finanzieller/sozialer Schaden ist! Sorgt dafür, dass (auch längere) Erziehungszeiten als genauso gesellschaftlich wertvoll (auch finanziell) anerkannt werden wie andere Erwerbstätigkeiten! Lasst uns uns besser um unsere Frauen und Kinder kümmern!

          Es ist leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen und von ihnen Dinge zu fordern, die man selbst nicht leistet.
          Aber den leichten Weg zu gehen und andere zu verurteilen, das ist definitiv NICHT der Auftrag, den Christen haben!

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  2. @Kaja Danke für Ihre engagierten Beiträge. Ich kann Ihnen als Mann der viele Seelsorgegespräche geführt hat nur voll und ganz zustimmen. Außerdem will ich noch zu bedenken geben, dass die Zahl der Abtreibungen in den Ländern am niedrigsten sind, in denen es keinerlei Strafandrohungen auf Abtreibungen gibt. Offensichtlich wird werdendes Leben dort am besten geschützt, wo man für die Lage der Frauen das meiste Verständnis aufbringt.

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  3. Tragischer Fehler (Biden), Schlag gegen Menschenrechte? Gegen welche Menschenrechte? Es ist ein „pro“
    für das Menschenrecht des ungeborenen Kindes. Biden und andere sollten sich schämen! Sie sollten stolz sein, dass ihre obersten Richter noch den klaren Durchblick haben, im Gegensatz zu den Verhältnissen in unserem Land.

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