125 Jahre Allianzkonferenz

Die Jahreskonferenz der Deutschen Evangelischen Allianz findet in diesem Jahr zum 125. Mal statt. Was im Jahr 1886 in einem Wohnzimmer begann und über Jahrzehnte wie ein Magnet auf viele Christen in der DDR wirkte, ist ein Paradebeispiel für Kontinuität – auch wenn sich vieles verändert hat. Ein Rückblick.
Von Norbert Schäfer
Allianzkonferenz

In diesem Jahr feiert die Jahreskonferenz der Deutschen Evangelischen Allianz (EAD) ihr 125-jähriges Bestehen. Begonnen hatte alles mit wenigen Teilnehmern im Jahr 1886 in einem Wohnzimmer mitten im Nirgendwo – im thüringischen Bad Blankenburg. Außer in Kriegs- und Katastrophenjahren fand seitdem die Konferenz jährlich statt und lockte tausende Christen an den Ort, an dem Friedrich Fröbel 1840 den ersten „Kindergarten“ aus der Taufe hob und Anna von Weling dem deutschen Zweig der Weltweiten Evangelischen Allianz erst zu einem Begegnungsort von überkonfessionell gesinnten Christen und später per Nachlass zu einer eigenen Immobilie verhalf. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr durften vom 28. Juli bis zum 1. August 2021 coronabedingt nur 300 Besucher in der historischen Konferenzhalle dabei sein.

„Die Allianzkonferenz ist im Kern schon immer eine Bibelkonferenz“, sagt Uwe Heimowski, hauptamtlicher Mitarbeiter der Deutschen Evangelischen Allianz. Das habe sich seit den Gründertagen nie geändert. Bibelarbeiten und Predigten stünden auch im Jubiläumsjahr im Zentrum der Veranstaltung. Zu den Referenten gehörten in diesem Jahr der Theologieprofessor Hans-Joachim Eckstein, der Vorsitzende des Arbeitskreises für evangelikale Theologie (AfeT), Christoph Raedel, der Projektleiter des Jugendkongresses „Christival22“, Chris Pahl, der Generalsekretär des Deutschen Jugendverbandes „Entschieden für Christus“ (EC), Klaus Göttler, und der Präsident der Europäischen Evangelischen Allianz, Frank Hinkelmann.

Wesensmerkmal: Einheit

An den Rednern ist der überkonfessionelle Charakter der Konferenz erkennbar. Bei früheren Konferenzen waren die Pfarrer Ulrich Parzany und Theo Lehmann genauso mit von der Partie wie der Präses des Bundes freier evangelischer Gemeinden (FeG), Peter Strauch. Bei der ersten Konferenz 1886 nahmen fünf Methodisten-Prediger teil, einige Pfarrer, darunter ein Superintendent, aber auch der Erweckungsprediger Friedrich Wilhelm Baedeker, ein Vorreiter der Heiligungsbewegung. In der Gründerzeit waren die Kirchenoberen in Berlin gegenüber der Bad Blankenburger Konferenz eher reserviert, weil dort eine Offenheit gegenüber den Freikirchen bestand, die in Deutschland zusehends Fuß fassten. Die Landeskirchen sahen in den Freikirchen eine Konkurrenz. Heute stehen alle christlichen Kirchen unter Druck und leiden unter Mitgliederschwund. Das eint eher, als dass es trennt. Heute steht mit Ekkehart Vetter ein Pastor einer Pfingstkirche an der Spitze der EAD, nachdem die sich lange Zeit (1909 bis 1996) mit der pfingstkirchlichen Bewegung sehr schwergetan hatte. Das gedeihliche Miteinander von Christen über Grenzen der eigenen Konfession hinweg war aber von Anfang an ein Herzensanliegen der Evangelischen Allianz und der Bad Blankenburger Konferenz und somit ein Wesensmerkmal. Daran hat sich nichts geändert, auch wenn es, wie im Fall der pfingstkirchlichen Bewegung, hier und dort schleppend voran ging. In diesem Jahr stand das Treffen unter dem Motto „Zusammenwachsen“ und zielte neben dem gesellschaftlichen und innergemeindlichen Zusammenhalt auch auf die Einheit der Christen weltweit.

Neben der biblischen Botschaft in der historischen Konferenzhalle von 1906 gehören seit einigen Jahren auch kulturelle und musikalische Elemente in der Stadthalle zum Repertoire der Konferenz. Mit den Neuerungen will die EAD nach eigenem Bekunden zum Ausdruck bringen, dass der Glaube den gesamten Menschen betrifft und nicht nur eine intellektuelle Übung ist. In diesem Jahr erinnerte ein Theaterstück an die Gründerin des Treffens, Anna von Weling, die 1886 zur ersten Konferenz eine handverlesene Teilnehmerschar in ihr Wohnzimmer eingeladen hatte.

Theaterstück würdigt Lebenswerk der Gründerin

In dem Soloprogramm schlüpft Autorin und Darstellerin Mirjana Angelina in die Rolle der resoluten, tiefgläubigen und von Nächstenliebe erfüllten Anna Thekla von Weling (1837–1900). Die alte und mittlerweile kränkliche Gründerin der Allianzkonferenz blickt in dem ca. 80-minütigen Stück zurück auf ihr Leben. Anna von Weling hatte als Kind eine streng calvinistisch-puritanische Erziehung erfahren. Hochgebildet – sie sprach fünf Sprachen – widmet die Adelige zeitlebens ihre Kraft den Kindern, sozial Benachteiligten und Kranken. Kraft schöpfte sie aus der Bibel und ihrem Glauben an Jesus Christus. Hochkonzentriert, aber nie angestrengt, spielt Angelina die resolute Dame, die sich im 19. Jahrhundert in einer von Männern dominierten Welt zurechtzufinden und durchzusetzen verstand. Als erfolgreiche Schriftstellerin – sie veröffentliche unter einem männlichen Namen zahlreiche Romane – war von Weling 1886 aus dem Rheinland nach Bad Blankenburg gezogen und hatte in dem thüringischen Ort die Villa Greifenstein unterhalb der gleichnamigen Burg erworben. Dorthin lud sie noch im selben Jahr zur ersten Allianzkonferenz ein mit dem Ziel, das Miteinander von Christen zu stärken.

Mirjana Angelina Foto: pro/Norbert Schäfer
Mirjana Angelina spielt in dem Theaterstück „Eine Frau mit Vision – Anna von Weling“ die Gründerin der Allianzkonferenz

Wegen der Corona-Maßnahmen konnten bei der Uraufführung des Stücks am Samstag in Stadthalle nur rund 200 Zuschauer teilnehmen. Angelina zeigt in dem Kammerspiel eindrucksvoll am Leben der Anna von Weling, dass christlicher Glaube und tätige Nächstenliebe zusammengehören. Trotz der verordneten Distanz zwischen den Gästen wegen Corona gewann die Schauspielerin das Publikum für sich und begeisterte für die Lebensleistung der von Weling. Die Künstlerin und die Evangelische Allianz haben angekündigt, Aufführungen des Stücks den Ortsallianzen anzubieten.

Internationales Flair und kulturelle Vielfalt

Das Publikum der Konferenz hat sich in den 125 Jahren ihres Bestehens gewandelt, auch wenn es von Anfang an bunt war. Von Weling hatte in der Gründerzeit vor allem die Experten im Visier. Theologen, Pfarrer und Prediger – im weitesten Sinne Lehrer, die von den anderen Lehrern theologisch unterwiesen wurden. Heute treffen sich Jung und Alt, Experten und Laien, Hauptamtliche und Gemeindeglieder aus Kirchen, christlichen Werken und Gemeinden in Bad Blankenburg. Die bunte Schar studiert wie einst in der Bibel, geht aber nun auch zu Workshops oder feiert Gott gemeinsam bei Konzerten oder dem Lobpreis. Bewährtes und Neues gehen Hand in Hand.

Was auch geblieben ist, ist der internationale Charakter der Veranstaltung. Zu DDR-Zeiten wurden vor allem Gäste aus Osteuropa nach Thüringen zur Konferenz eingeladen. In diesem Jahr werden die Veranstaltungen in Englisch, Spanisch, Russisch und Französisch übersetzt. Bis vor Corona brachte ein Jungendcamp internationales Flair und kulturelle Vielfalt. Wegen der Reisebeschränkungen ist das in diesem Jahr nicht möglich. Dafür nehmen Jugendliche aus Bad Blankenburg am evangelistisch ausgerichteten Jugendcamp teil. Ein internationales Team von „Jugend mit einer Mission“ hilft dabei. Einheit unter Christen wird hier von jungen Menschen konkret gelebt.

Bad Blankenburg: Ort der Ermutigung zur DDR-Zeit

Eine herausragende Stellung hatte die Allianzkonferenz in der DDR-Zeit. Bei der Veranstaltung trafen sich zwischen 5.000 und 6.000 Christen aus Gemeinschaften und Kirchen in Bad Blankenburg zum größten christlichen Event im realexistierenden Sozialismus der DDR. Für Christen, die in der DDR bespitzelt oder benachteiligt wurden, war die Allianzkonferenz die Ermutigung schlechthin. „Die Teilnehmer fühlten sich auf der Konferenz in Bad Blankenburg durch die Gemeinschaft gestärkt. Christen waren ja eine Art Opposition zum Regime, im Alltag häufig auf sich alleine gestellt“, erklärt Heimowski, der Politikbeauftragte der EAD.

Die Situation in der DDR sei mit der heute nicht zu vergleichen, sagt Heimowski. „Und doch ist die Allianzkonferenz auch ein Ort, an dem politische Debatten geführt werden, wenn sie mit dem Bibelverständnis zu tun haben.“ In den vergangenen Jahren habe sich das bei Debatten zur Stellung zu Israel oder dem Umgang mit messianischen Juden gezeigt. Auch der Umgang mit Homosexualität werde laut Heimowski kontrovers diskutiert. „Manche Positionen der EAD, etwa zum Lebensschutz oder zur Ehe, stoßen bei einem Großteil der Bevölkerung auf Ablehnung, da ist es bis heute eine Ermutigung, im konstruktiven Austausch mit Christen – gerade auch mit jungen Menschen – zu stehen, die mit der Bibel in der Hand um ethische Orientierung ringen und auch Fragen, etwa nach der Bewahrung der Schöpfung oder sozialer Gerechtigkeit, neu stellen“, sagt Heimowski.

Nach der Wiedervereinigung verlor die Konferenz ihr Alleinstellungsmerkmal auf dem „Markt der Möglichkeiten“ mit vielen christlichen Konferenzen. Die Zahlen sind in den vergangenen Jahren rückläufig gewesen. Im Jahr 2000 verbuchten die Veranstalter noch rund 3.000 Besucher. Vor Corona waren es schon weniger als 2.000 Christen, vor allem aus Thüringen und Sachsen, die nach Bad Blankenburg kamen. 2020 fiel die Präsenz-Veranstaltung aus und die Konferenz wurde digital durchgeführt. 2021 konnten wegen der Corona-Situation insgesamt nur rund 500 Teilnehmer vor Ort an den Veranstaltungen teilnehmen, die wegen der Pandemie auch im Internet übertragen wurden.

Schink: „Konferenz wird Transmissionsriemen der Veränderung“

Bleibt die Frage, wie es weiter geht. Dass es weitergeht, daran dürfte bei den Veranstaltern kein Zweifel bestehen. Neben der jährlich stattfindenden Gebetswoche, den rund 1.000 örtlichen Allianzgruppen und dem Gästebetrieb auf dem eigenen Gelände in Bad Blankenburg ist die jährliche Konferenz eine Hauptsäule der Allianzarbeit.

„Das Hybridformat der Konferenz ist bei den Ortsallianzen gut angekommen“, resümiert Generalsekretär Reinhardt Schink. So sei die Allianz in diesem Sommer lokal erfahrbar geworden. Die Konferenz verliert nach Schinks Einschätzung nicht an Bedeutung, sondern „multipliziere sich in ihrer Wirkung“.

Der DEA-Vorsitzende Reinhardt Schink wird die Konferenz am 29. Juli eröffnen Foto: pro/Norbert Schäfer | CC BY-NC-SA 3.0 Unported
DEA-Generalsekretär Reinhardt Schink (Archivbild) ist positiv gestimmt



„Die Formen mögen sich in den Jahrzehnten ändern, aber Gottes Treue bleibt gleich“, sagt Schink, und ergänzt: „Das haben wir in der Allianz erlebt.“ Durch Corona habe es schmerzliche Einschnitte gegeben, aber gleichzeitig sei Neues entstanden, das vor einigen Jahren noch nicht denkbar gewesen sei. „Die Allianzkonferenz wird zu einem Transmissionsriemen der Veränderung im weiten Netzwerk der Evangelischen Allianz in Deutschland, denn Gott stellt unseren Fuß auf weites Land.“

Die Evangelische Allianz ist nach eigenen Angaben ein Netzwerk verschiedener evangelisch gesinnter Organisationen und Gemeinden. Sie wurde 1846 in London als interkonfessionelle Einigungsbewegung gegründet. In Deutschland gib es derzeit rund 1.000 örtliche Allianzen. Vorsitzender ist Pastor Ekkehart Vetter. Als Generalsekretär amtiert Reinhardt Schink. Die Allianzkonferenz in Bad Blankenburg fand erstmals 1886 statt. 2021 fand die Konferenz vom 28. Juli bis zum 1. August 2021 statt.

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2 Antworten

  1. Der neue Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Dr. Reinhardt Schink, trägt auch neue faszinierende Impulse und treu dem Evangelium hinein in die Allianzkonferenz Bad Blankenburg. Das zum 125igsten ist eine mutmachende Zukunftsmusik. Diesen Genuss konnte man auch sehr gut digital miterleben.

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  2. Vielen Dank für den guten Bericht. Gäbe es die Allianzkonferenz nicht, müsste sie dringend erfunden werden.

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