Zwei Träumer in Peru: Wie Christen in den Anden Leben retten

Sechs Monate im Jahr ist er unterwegs, um Spendern weltweit von seinem Lebenswerk zu erzählen. Als Arzt lebt Klaus John in den peruanischen Anden und dient den Ärmsten - aus christlicher Überzeugung. In dem Buch "Ich habe Gott gesehen" hat er niedergeschrieben, wie er das Krankenhaus "Diospi Suyana" gegründet hat, seinen Lebenstraum.
Von PRO

Wenn die Sonne untergeht, sehen die schneebedeckten Bergspitzen aus, als wären sie mit Gold überzogen. Feurig-rot glitzern sie in etwa 6.000 Metern Höhe. Auf der einen Seite der Gebirgskette befinden sich Wüsten, auf der anderen, im nördlicheren Teil von Peru, der Amazonas-Urwald. Farbenpracht und Schönheit zeichnen die Landschaft in diesem Anden-Staat aus, doch die Mehrheit der Menschen, die hier lebt, ist bitterarm. Nach Angaben des "CIA World Factbook" leben fast die Hälfte der Bevölkerung Perus unterhalb der Armutsgrenze. In Gegenden, wo die indigene Bevölkerung dominiert, sind es sogar noch mehr.

Mitten in diesem sozialen Elend hat sich Klaus John mit seiner Familie niedergelassen. In Curahuasi, 1.000 Kilometer südlich der Hauptstadt Lima, kümmert der gläubige Christ sich um Menschen wie Antroferno. Als Querschnittsgelähmter kann der junge Mann hier eigentlich nur auf seinen Tod warten. In Entwicklungsländern gelten Behinderte oft als wertlos. Weil seine Cousine sich über ihn erbarmte, kam Antroferno schließlich als einer der ersten Patienten ins "Diospi Suyana"-Krankenhaus. Sein Körper war bis auf die Knochen abgemagert und von großen Geschwüren bedecket. Zum ersten Mal in seinem Leben erfuhr er echte Nächstenliebe: Die Krankenschwestern wuschen und versorgten seine Wunden. Durch Operationen gelang es den Ärzten, die Geschwüre zu verschließen, so dass er wieder sitzen konnte. Sogar Lesen und Schreiben lernte er in "Diospi Suyana", einem Krankenhaus, das Lebenstraum und Lebenswerk von Klaus und Martina John ist.

Schon als kleiner Junge träumte Klaus John davon, irgendwann ein abenteuerliches Leben als Missionsarzt zu führen. Als Klaus und Martina sich kennenlernten stellten sie schnell fest, dass sie einen gemeinsamen Traum hatten: Nach dem Abitur wollten sie Medizin studieren, um einmal in einem Land der Dritten Welt zu arbeiten. Ihre erste Erfahrung mit der Dritten Welt war dann allerdings alles andere als traumhaft. Während des Studiums verbrachten die Johns sechs Wochen bei einem Einsatz in Ghana. Durchfall, Tankstellen ohne Benzin und Rattenplagen in Krankenhäusern machten ihre Reise in jeder Weise zu einem eindrücklichen Erlebnis. Klaus John fasst diese Erfahrung  zusammen: "Unter dem Strich erschien uns der Gedanke, einmal langfristig in Ghana oder einem ähnlichen Land zu arbeiten, wenig attraktiv". Begegnungen mit Menschen wie einem Professor Perry waren es jedoch, die die negativen Erfahrungen in den Hintergrund rückten. Der britische Arzt verkörperte ein "hoffnungsvolles Signal in einem Umfeld voller Ungerechtigkeiten" und ermutigte sie, an ihrem Ziel festzuhalten, ohne viele Worte zu machen.

Messerstich und Kugelhagel

Mehrere Jahre später wird ein Patient aus dem Volk der Zulu in das Baraghwanath-Krankenhaus in Südafrika eingeliefert. Blut tropft von einer Schussverletzung an seinem Kopf. Er ringt um sein Leben. Währenddessen spricht die zuständige Krankenschwester in der Notaufnahme aufgeregt in ihr Telefon – ein Privatgespräch. Den Patienten bemerkt sie kaum. Sie gehört zum Stamm der Xhosa. Der Mann mit dem Kopfschuss nicht. Ein Menschenleben von Patienten, die nicht zu ihrem Stamm gehören, zählt für sie nichts.

Szenen wie diese sahen die Johns in ihren zwei Jahren am Baragwanath-Krankenhaus in Südafrika fast täglich. Als Chirurg und Kinderärztin arbeiteten sie während ihrer Facharztausbildung in dieser größten medizinischen Einrichtung der südlichen Hemisphäre. Gewalt und Kriminalität waren im Südafrika der 90er Jahre an der Tagesordnung. Viele Südafrikaner, Weiße wie Schwarze, waren bewaffnet. Messerstechereien und Schießereien waren normaler Alltag. Auch nachdem die Apartheidpolitik abgeschafft wurde, war Rassismus keineswegs Geschichte. In Südafrika, wie zuvor auch in Ghana, hatten die Johns gesehen, dass die liebevolle Hinwendung eines Arztes zu seinen Patienten keineswegs die Norm war. Daran sollten sie sich einige Jahre später erinnern, als sie im Urwald von Ecuador das Konzept für ihr Krankenhaus erstellten.

Unter der Äquatorsonne

Nach einigen Jahren Deutschland-Aufenthalt führte ihre Reise die Johns nach Ecuador, um in einem Missionskrankenhaus zu arbeiten. Immer wieder fuhr Klaus John ins Inland, um den Menschen zu helfen, die von medizinischer Versorgung abgeschnitten waren. Eine seiner ersten Begegnungen mit den Indianern von Cascajal war für ihn besonders eindrücklich. Täglich besuchte er ihren Gottesdienst mitten im Wald, an den Ausläufer der Anden. E-Gitarre und Schlagzeug untermalten die Lieder, während die etwa 200 anwesenden Indianer drei Stunden lang aus voller Kehle sangen. Dann folgte eine Predigt. Der Gottesdienst, der am frühen Abend begonnen hatte, endete um Mitternacht. Klaus John war tief beeindruckt von der Frömmigkeit dieser Indianer. Er hatte das attraktive Angebot einer Habilitation in Deutschland ausgeschlagen und war stattdessen mit seiner Familie nach Ecuador gezogen. Jetzt befand er sich unter den Indianern von Cascajal und aß mit ihnen Suppe und eine Schale Reis. Die Indianer brachten ihre Dankbarkeit zum Ausdruck, indem sie die Gäste freundlich aufnahmen und für sie sorgten. Zum Abschied streckten sich 20 oder 30 Hände durch die Bustür. Kleine Kinder, alte Männer und Frauen wollten ein letztes Mal Danke sagen. Auch wenn sie es nicht aussprachen, spürte Klaus John "in jeder ihrer Gesten und Worte die unausgesprochene Bitte um Hilfe".

Einige Zeit später, als die Johns bereits ein paar Jahre im Urwald von Ecuador gearbeitet hatten, sagte Martina John: "Entweder wir packen das Projekt jetzt an, oder nie". Dort trafen die Johns die Entscheidung, den Berglandindianern ein Krankenhaus zu bauen. Weder das Wo noch das Wie waren geklärt. Aber die Johns wollten sich der Bitte, die Klaus John bei seinem ersten Besuch bei den Indianern aus ihren Gesten gelesen hatte, nicht verschließen. Denn wenn sie nicht halfen, wer würde es dann tun?

In ihrer Studienzeit hatten die Johns als Rucksacktouristen das erste Mal Peru erkundet und bemerkt, dass vor allem die in den Bergregionen lebenden Quechuas kaum Zugang zu medizinischer Versorgung hatten. Bis heute werden sie in ihrer Heimat häufig von Tuberkulose, Wurmerkrankungen, Parasiten oder Infektionen geplagt – die meisten dieser Krankheiten sind heilbar. Doch die Berglandindianer müssen damit leben. "Diese von der Vergangenheit und Gegenwart so geschundenen Kreaturen benötigten aber weit mehr als Tabletten und Spritzen – sie sehnten sich vor allem nach Respekt und Liebe", hatte Klaus John damals festgestellt und erkannt: Die Bergregion war der perfekte Ort, um ein Missionskrankenhaus als Hoffnungsbringer zu errichten.

14 Jahre später, nachdem ihre Reisen in südafrikanische Krankenhäuser, in den Urwald von Ecuador und immer wieder zurück nach Deutschland geführt hatten, sollte sich der Traum des Paares endlich erfüllen: Sie reisten ein weiteres Mal, diesmal als fünfköpfige Familie, nach Peru, um dort das Missionskrankenhaus "Diospi Suyana" zu bauen. "Diospi Suyana" ist Quechua für "Wir vertrauen auf Gott". Unzählige Male wurde dieses Gottvertrauen auf die Probe gestellt, sei es bei der Suche nach Finanzgebern in Deutschland und Peru, oder beim Überwinden des Bürokratie-Dschungels und der Korruption in ihrer neuen Heimat. Sie erkämpften einen Schritt nach dem anderen, bis das Krankenhaus 2007 seine Türen öffnete. Zur Einweihung kamen 4.500 Menschen, unter ihnen die Präsidenten-Gattin Pilar Nores de García – die Patin von "Diospi Suyana".

Nur fünf Jahre nachdem der Projektentwurf des Krankenhauses in Ecuador verfasst worden war, hatten die Johns im südperuanischen Curahuasi ein Krankenhaus gebaut, das in der Ausstattung einer westlichen Einrichtung in keiner Weise nachsteht. Innerhalb der ersten zwei Jahre wurden in "Diospi Suyana" 42.000 Patienten behandelt. Dort hat nicht nur Antroferno erfahren, dass es bei "Diospi Suyana" nicht nur um körperliche Heilung geht. Getragen von Zehntausenden rund um den Globus ist "Diospi Suyana" zu einer "Kathedrale der Liebe" geworden. 11 Millionen US-Dollar wurden bisher für das Projekt gespendet. Mit Gottvertrauen wurde aus dem Traum der Johns "Diospi Suyana", ein Lebenswerk, das Menschen berührt. Ein Direktor des Siemens-Konzern formulierte es einmal so: "Für mich ist Diospi Suyana der Beweis, dass es Gott gibt." (pro)

Klaus-Dieter John,"Ich habe Gott gesehen" – Diospi Suyana – Hospital der Hoffnung", Brunnen, 14,95 Euro, 2010

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