„Wer an Jesus glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt“

Im Konzentrationslager in Buchenwald wurde der Theologe Paul Schneider 1939 ermordet. Jetzt kehrt ein Musical über ihn an diesen historischen Ort zurück. Für die Macher ist es auch eine emotionale Herausforderung.
Von Johannes Blöcher-Weil
Eine Szene aus dem Musical Paul und Gretel

PRO: Was macht die Aufführung Ihres Musicals über Paul Schneider, den „Prediger von Buchenwald“ in Weimar so besonders?

Peter Menger: Weimar war die letzte Station auf Paul Schneiders Lebensreise. Das ist mir noch einmal ganz klar geworden, als wir zur Vorbereitung in Weimar und Buchenwald waren. Hier hat er seine letzten Monate und Tage verbracht. Vielleicht hat ihn sein letzter Weg vom Appellplatz zum Lagerarzt genau hier entlang geführt. Das Sterben und die Leidenszeit in Weimar machen für mich die Botschaft noch einmal stärker. Er hat gesagt: ‚Hier muss ich nun auch mein Leben wagen, sonst kann ich es nicht gewinnen.‘

Wie war es, die Vorkommnisse im Konzentrationslager alltagstauglich für Jung und Alt umzusetzen?

Als ich meiner Frau und meiner jüngsten Tochter eine erste Fassung vorgespielt habe, haben wir am Ende alle geweint. Das machte es notwendig, einige Szenen noch einmal zu vereinfachen. Für unsere jüngste Tochter sind die wenigen Szenen, die die Zeit im Bunker andeuten, schwer genug. Obwohl wir ja praktisch nichts von dem zeigen, was damals wirklich passiert ist. Ich glaube aber, dass es für Erwachsene, die sich mit dem Konzentrationslager auseinandergesetzt haben, nicht viel einfacher ist. Durch die Anspielung an die Zeit dort wird man emotional schnell mit hineingenommen.

Paul Schneider hätte sich wohl mit einer einzigen Unterschrift die Folter und das Elend des Konzentrationslagers ersparen können. Warum ist er hartnäckig geblieben?

Ja, warum? Ich kann das kaum verstehen. Es muss wirklich eine ganz tiefe Überzeugung gewesen sein, dass das Gottes Weg für ihn war. Es beeindruckt mich sehr, mit welcher Konsequenz er diesen Weg gegangen ist. Und dass er trotz der krassen körperlichen und psychischen Folter so stark geblieben ist.

Welche Bibelstellen haben ihn am meisten beschäftigt und in seiner Position bestärkt?

Paul Schneider zitierte gegenüber einem Freund einmal die Worte von Jesus: ‚Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.‘ Schneider ergänzte, dass er in dessen Nachfolge stehe und sich nicht schonen könne. In seiner letzten Predigt zitierte er den Blinden von Jericho: ‚Herr, lass mich sehen können.‘ Diesen Satz interpretierte er so, dass wir Menschen Jesus bitten müssen, dass er uns in dessen Tod am Kreuz den Weg zur Herrlichkeit sehen lässt. Ich glaube, diese ganz starke Identifikation mit Jesus hat ihm die Kraft gegeben, in dieser fürchterlichen Situation standhaft zu bleiben.

Für welche Reaktionen hat sein Verhalten in der Familie gesorgt?

Die Familie seiner Frau Gretel war ziemlich schockiert, dass Paul Schneider so ‚störrisch‘ war. Aber Gretel selbst hat ja immer gesagt: Die Kompromisslosigkeit war Pauls Weg und ich stehe zu meinem Mann!

Was geht aus den Briefwechseln mit ihr hervor?

Paul Schneider hat aus den ersten Gefängnisaufenthalten sehr deutlich und klar formuliert, wie kritisch er die NS-Regierung sah und wie enttäuscht er war, dass aus der Kirchenleitung kein stärkerer Widerstand gegen die Bevormundung durch die Politik kam. Beeindruckend ist auch, wie sich Schneider auf seine KZ-Zeit vorbereitet hat, indem er Bibelstellen, teilweise ganze Kapitel und Lieder auswendig gelernt hat.

Es kam nicht dazu, dass er „den ersten Bürgersteig in Weimar“ als Kanzel nutzen konnte, wie er es angekündigt hatte. Konnte er ernsthaft mit einer Freilassung rechnen?

Ich glaube schon, dass die Möglichkeit bestand. Immerhin war der Staat auch bei seinem Krieg auf das Wohlwollen der Kirche angewiesen. Meiner Ansicht nach war auch das ‚Gesundpflegen‘ Schneiders kurz vor seinem Tod eine Vorbereitung auf eine mögliche Entlassung zu gewissen Bedingungen. Das Zitat ‚Der erste Bürgersteig in Weimar wird meine Kanzel sein, von der ich ihre unsagbaren Verbrechen predigen werde‘ ist vermutlich aus dieser Situation entstanden, in der man Paul zum Schweigen verpflichten wollte.

Was sollen die Besucher am Ende des Musicals „Paul und Gretel“ für sich mitnehmen?

Wer an Jesus glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt. Daran glauben wir als Mitwirkende, das hat auch Paul Schneider geglaubt. Wenn diese Botschaft durch das Musical auch in Weimar gehört wird – und das hat sich Paul Schneider ja gewünscht –, dann hat sich seine Treue und auch Gretels beeindruckendes Arbeiten gegen das Vergessen noch einmal mehr gelohnt. 

Vielen Dank für das Gespräch.

Erstmals aufgeführt wurde das Stück am 1. Juli 2022 im mittelhessischen Hüttenberg. Weitere Aufführungen gab es – bisher – an den Wirkungsstätten Schneiders in Reutlingen und in Simmern (Hunsrück). Paul Schneider wurde am 29. August 1897 in Pferdsfeld geboren. Der evangelische Pfarrer und Mitglied der Bekennenden Kirche starb am 18. Juli 1939 als Opfer des Nationalsozialismus im Konzentrationslager Buchenwald. Er wird auch der „Prediger von Buchenwald“ genannt. Für die musikalische Umsetzung des Stoffes ist der Arzt und Komponist Peter Menger verantwortlich.

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