Vor 500 Jahren: Luthers „Septembertestament“ erscheint

Vor 500 veröffentlichte Martin Luther seine Übersetzung des Neuen Testaments. Gerade noch rechtzeitig vor dem Beginn der Leipziger Buchmesse.
Von Norbert Schäfer
Dass es den Buchdruck damals noch nicht gab, war einer der entscheidendsten Gründe dafür, dass sich kirchliche Reformbewegungen vor Luther nicht flächendeckend durchsetzen konnten

Ab Mai 1521 verbrachte Martin Luther zehn Monate unter falschen Namen auf der Wartburg. Als „Junker Jörg“ übersetzte er dort in kurzer Zeit (in etwa 73 Arbeitstagen) das Neue Testament. Als Grundlage für die Übersetzung dürfte Luther eine lateinische „Vulgata“ gedient haben, und ein Neues Testament, das Erasmus von Rotterdam herausgegeben hatte. Dem griechischen Text hatte Erasmus eine eigene lateinische Übersetzung an die Seite gestellt. Das „Novum Instrumentum omne“ von Erasmus war bereits 1516 als Druck veröffentlicht worden. Die „Vulgata“ geht zurück auf das 4. Jahrhundert.

Am 21. September 1522 – nur rund eine Woche vor Beginn der Leipziger Buchmesse – kam der Druck von Luthers Übersetzung aus der Werkstatt des Wittenberger Druckers Melchior Lotter ohne Namen des Verfassers unter dem Titel „Das Newe Testament Deůtzsch“ in den Handel. Das Werk wird aufgrund des Veröffentlichungszeitpunktes als „Septembertestament“ bezeichnet. Das Buch war nicht die erste deutsche Bibelübersetzung. Allerdings orientierte sich Luther bei seiner Übersetzung stärker am griechischen Grundtext als an der lateinischen Bibel, die bereits eine Übersetzung aus dem Griechischen war. Über Luthers Griechischkenntnisse gehen heute die Meinungen der Experten jedoch auseinander.

Mittelweg zum Erfolg

Luther versuchte einen Mittelweg zwischen Genauigkeit der Übersetzung und Verständlichkeit des Textes zu finden. Der Theologe war zudem vertraut mit einer bereits vorhandenen Juristensprache, der „sächsischen Kanzleisprache“. Diese Kenntnis, und dass Luther in der Mundart seiner mitteldeutschen Heimat aufgewachsen war, die sprachlich zwischen den nord- und süddeutschen Dialekten angesiedelt war, halfen, die sprachlichen Unterschiede im deutschen Sprachraum zu überwinden und das Druckwerk zu einem Erfolg werden zu lassen.

Vor Drucklegung hat Luther im Frühjahr/Sommer 1522 sein Werk vermutlich noch mit dem Griechischprofessor Philipp Melanchthon überarbeitet. Die Rohübersetzung aus der Feder Luthers ist als Manuskript nicht mehr erhalten. Vermutungen legen nah, dass zwei wohlhabende Freunde Luthers den Druck finanzierten – der Maler Lucas Cranach und der Goldschmied Christian Döring.

Das Neue Testament als Buch in Luthers Übersetzung soll im September 1522 je nach Ausstattung zu einem Preis von einem halben bis zu anderthalb Gulden angeboten worden sein. Das entsprach in etwa dem Jahresgehalt einer Magd oder dem Preis von zwei Schlachtkälbern. Die Auflage von 3.000 Stück war trotz des hohen Preises bereits nach drei Monaten vergriffen. Von der ursprünglichen Auflage sind heute weltweit nur noch rund 30 Exemplare erhalten und daher sehr kostbar. Seinerzeit verweigerte Luther einen reinen Nachdruck, weil er den Text noch besser und verständlicher machen wollte. Bereits im Dezember desselben Jahres begann der Druck einer zweiten Auflage mit verbessertem Text und überarbeiteten Bildern, das sogenannte „Dezembertestament“.

Karl-Heinz Göttert, emeritierter Professor für Germanistik der Universität Köln, schreibt in der Tageszeitung Die Welt vom Mittwoch unter dem Titel „Luthers kleine Sprachtricks“ über das Werk: „Luthers Übersetzung, so lässt sich zusammenfassen, bietet exzellentes Deutsch, das nach Meinung der Germanisten spätestens seit den Brüdern Grimm in seiner Ausbildung des Deutschen als nicht zu überschätzen gilt“. Göttert wertet die Übersetzung einerseits als „sprachlich wegweisend“. Andererseits auch als „theologisch problematisch“, weil Luther versucht habe, „sein Ding darunter zu verkaufen“.

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