Verloren im Informations-Dschungel?

Nur etwa die Hälfte der 15-Jährigen in Deutschland lernt laut einer Sonderauswertung der PISA-Studie, Meinungen und Fakten in Texten zu unterscheiden. Um digitale Medienkompetenz ist es auch im Rest der Bevölkerung nicht besonders gut bestellt.
Von Jonathan Steinert
Jugendliche, junge Frau, Mädchen, Handy, Smartphone

Wer sich in den digitalen Medien zuverlässig informieren möchte, muss wissen, wie. Vor allem Plattformen wie YouTube, Facebook oder Twitter verlangen dem Nutzer dabei einiges ab. Denn statt übersichtlich sortierter Artikel erscheinen Beiträge von Freunden, Werbung, Meinungen und Nachrichten bunt durcheinander. Und was ich davon überhaupt zu Gesicht bekomme, sortiert ein Algorithmus für mich – und dem geht es weniger um die Qualität der Inhalte, sondern darum, mich möglichst lang auf der Seite zu halten.

Was sind da bedeutsame und vor allem zuverlässige Informationen? Als Bürger einer Demokratie möchte ich schließlich wissen, was gerade die wichtigsten gesellschaftlichen Fragen sind, was Politiker so planen, und welche Folgen das hat. Nur so kann ich mir eine Meinung bilden, um bei der nächsten Wahl – und davon stehen in diesem Jahr mehrere an – mein Kreuz nicht nur aus reinem Bauchgefühl zu setzen. Bei der Menge an verfügbaren Informationen ist daher ein kompetenter und souveräner Umgang damit entscheidend. Das heißt: einschätzen, wie zuverlässig welche Information und welcher Absender ist. Erkennen, ob jemand ein Interesse damit verfolgt, mich vielleicht bewusst in die Irre führt. Nicht hereinfallen auf reine Stimmungsmache oder eine politische Agenda.

Allerdings ist es um die Fähigkeiten, sich in den digitalen Informationsangeboten zurechtzufinden, nicht so gut bestellt. Laut einer Sonderauswertung der PISA-Erhebung von 2018 lernt etwa die Hälfte der deutschen 15-Jährigen nicht, wie sie subjektive und voreingenommene Informationen erkennen können. Die Aufgabe, in einer Textpassage Meinungen und Fakten zu unterscheiden, konnte demzufolge nur 45 Prozent der Befragten lösen. Gleichaltrige in Großbritannien, Dänemark oder den Niederlanden schnitten besser ab. In den Ergebnissen machten sich vor allem soziale Unterschiede bemerkbar.

Mit dem Blick auf die gesamte deutsche Bevölkerung hat der Thinktank „Stiftung Neue Verantwortung“ in einer großangelegten Studie die „digitale Nachrichten- und Informationskompetenz“ untersucht. Mehr als 4.000 Teilnehmer haben dafür einen Online-Fragebogen ausgefüllt. Dabei mussten sie etwa an beispielhaften Facebook-­Posts erklären, ob sie sie als Werbung, Desinformation, Meinung oder Information einordnen – und wie sie zu ihrer Einschätzung kommen. Nur 22 Prozent der Teilnehmer erreichten dabei Werte, die von einer hohen Kompetenz im Umgang mit Informationen im Internet zeugen. Ein Drittel bewegte sich im Mittelfeld, fast die Hälfte darunter.

Die Studie

Für die Studie „‚Quelle: Internet‘? Digitale Nachrichten- und Informationskompetenzen der deutschen Bevölkerung im Test“ hat die „Stiftung Neue Verantwortung“, ein Thinktank für die Gesellschaft im technologischen Wandel, im vorigen Herbst über 4.000 Menschen repräsentativ online befragt. Der Verein bietet einen kostenlosen Medienkompetenz-Test an, so ähnlich, wie er auch bei der Studie zum Einsatz kam. Wer sich durchklickt, kann sich selbst überprüfen und bekommt eine Auswertung seiner Ergebnisse.

Vor allem ältere Menschen und jene mit niedrigem formalem Bildungsabschluss haben Schwierigkeiten dabei, Informationen richtig einzuordnen. Die Forscher stellen aber auch einen Zusammenhang fest mit einer Grundhaltung als Staatsbürger: Wer sich generell für Nachrichten und Politik interessiert, ihnen Vertrauen entgegenbringt, andere Meinungen toleriert und demokratische Institutionen wertschätzt, hat auch eine hohe Nachrichtenkompetenz. Damit ist jedoch nichts darüber gesagt, wie und ob sich diese Größen beeinflussen, betonen die Forscher.

Mehr auf Qualität achten, weniger auf Klicks

Allerdings sehen sie Handlungsbedarf: Vor allem in der politischen und digitalen Bildung für Schüler wie auch Erwachsene. Es gehe nicht allein um die Kompetenz, die Geräte zu bedienen, sondern vor allem darum, Informationen und auch die eigenen Aktivitäten zu hinterfragen: Was teile ich? Wem folge ich? Wie kommentiere ich? Woran erkenne ich Falschinformationen? Neben den Plattformanbietern nehmen die Forscher auch Journalisten in die Pflicht, denn die Daten – insbesondere die zur Bildung und zum Vertrauen in Medien – wiesen darauf hin, dass Teile des Journalismus „an den Informationsbedürfnissen einer großen Bevölkerungsgruppe vorbei“ arbeite. Die Angebote müssten verständlich und hilfreich sein.

Das bedeute auch, dass die Redaktionen mehr erklären und transparent machen sollten, wie sie vorgehen, wo sie etwas korrigieren oder aktualisieren, welchen Sorgfaltspflichten sie folgen und wie Journalismus generell funktioniert. „In unserem Test hat sich zum Beispiel gezeigt, dass nur die Hälfte der Befragten wusste, dass eine Meldung über einen Minister ohne Genehmigung des Ministeriums veröffentlicht werden darf. Diese Unabhängigkeit ist aber ein ganz wichtiger Faktor für das Funktionieren einer Demokratie“, verdeutlicht Studienleiterin Anna-Katharina Meßmer gegenüber PRO die Notwendigkeit, ein Verständnis für das journalistische Handwerk zu vermitteln. Sie empfiehlt zudem, journalis­tische Beiträge wieder stärker an Kriterien der Qualität auszurichten, weniger an Klickzahlen. „Viele stark polarisierende Themen werden immer und immer wieder aufgegriffen, weil sie viel Aufmerksamkeit, Kommentare, Klicks und Likes bekommen“, sagt sie. Selten seien diese Themen aber für den Alltag der Menschen besonders bedeutsam.

Nachrichtenseiten sollten in ihrem Design außerdem klarer deutlich machen, bei welchen Inhalten es sich um Meinungen handelt, wo es um Nachrichten und Fakten geht, und was Werbung ist. Die journalistischen Medien könnten damit den Nutzern und Lesern helfen, sich in der digitalen Umgebung besser zurechtzufinden – und bestenfalls dadurch ihr Vertrauen gewinnen.

Aber auch Journalisten machen Fehler, arbeiten manchmal ungenau und können versehentlich falsche Informationen verbreiten. Woher weiß ich nun, welche Information zuverlässig ist? Um eine Antwort darauf zu finden, können im Zweifel weitere Fragen helfen. Studienleiterin Meßmer empfiehlt diese:

  • Woher stammt der Inhalt: Wird eine Quelle genannt? Ist sie vertrauenswürdig?
  • Gibt es Belege dafür, dass die Informationen stimmt: Sind Aussagen mit Fakten untermauert oder sollen vor allem Emotionen erzeugt werden?
  • Was sagen andere Quellen: Bringen andere Medien ähnliche Informationen? Bestätigen oder widerlegen sie diese – oder gibt es nur eine einzige Quelle?


Der Artikel ist im Christlichen Medienmagazin pro (Ausgabe 2/2021) erschienen, das Sie telefonisch unter der Nummer 06441/5667700 oder digital hier bestellen können.

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Eine Antwort

  1. „Wer sich generell für Nachrichten und Politik interessiert, ihnen Vertrauen entgegenbringt,..“

    Das wird hier so ein einem Satz gesagt, als ob das eine Selbstverständlichkeit wäre. Ich interessiere mich zwar für Nachrichten und Politik, vertraue ihnen aber nicht.

    „Aber auch Journalisten machen Fehler, arbeiten manchmal ungenau und können versehentlich falsche Informationen verbreiten“

    Man macht es sich zu einfach wenn man denkt, das Fehler dort nur „versehentlich“ passieren. Auch Journalisten und Politiker verfolgen eine Agenda, verschweigen oder beschönigen unliebsame Aspekte oder verdrehen auch mal die Tasachen, damit das Narrativ „wird sind die Guten“ und „der Andere ist böse“ ja nicht in Frage gestellt wird.

    „Woran erkenne ich Falschinformationen?“

    Die erkennt man nicht daran, das jemand anders sagt es wären Falschinformationen. Ob eine Information glaubwürdig ist oder nicht, muß jeder für sich auf Grund seiner Lebenserfahrung entscheiden.

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